Übersichtsarbeiten - OUP 09/2017

Einzeitiger Wechsel infizierter Knieendoprothesen

Heinz Winkler1

Zusammenfassung: Infektionen sind nach wie vor die gefürchtetste Komplikation in der Endoprothetik, für eine anhaltende Sanierung ist zumeist die Entfernung der Prothese erforderlich. Diskussionen fokussieren sich vor allem um die Frage, ob der Wiedereinbau einer neuen Prothese in einem oder mehreren Schritten erfolgen soll. Der zwei- oder mehrzeitige Wechsel gilt nach wie vor als Goldstandard, obwohl es mangels kontrollierter Studien keinerlei Evidenz für dessen Überlegenheit gibt. Meta-Analysen zeigen vergleichbare Ergebnisse mit beiden Methoden hinsichtlich Beherrschung der Infektion, wobei jedoch der einzeitige Wechsel klare Vorteile hinsichtlich Morbidität und Mortalität der Patienten aufweist. Hinsichtlich Komplikationen, Lebensqualität und Kosten ist ein einzeitiger Wechsel eindeutig zu bevorzugen. Durch Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse von Biofilm-assoziierten Infektionen ist eine weitere Verbesserung der Ergebnisse möglich. Lokale Applikation von Antibiotika ist erforderlich, um auch Biofilmreste zu eliminieren, wobei biologische Träger deutlich effizienter erscheinen als Knochenzement.

Schlüsselwörter: Knieendoprothese, KTEP-Infektion, Biofilm, einzeitiger Wechsel, Lebensqualität, lokale antimikrobielle Therapie, Antibiotika-Träger

Zitierweise
Winkler H: Einzeitiger Wechsel infizierter Knieendoprothesen.
OUP 2017; 9: 446–451 DOI 10.3238/oup.2017.0446–0451

Summary: Infection still is the most feared complication in total joint replacement, usually removal of the prosthesis is prerequisite for cure. Discussions mainly focus on the question whether re-implantation should be performed in one stage or multiple stages. Two- or multiple stage exchange still is considered the gold standard, although there are no controlled studies showing evidence for superiority of one or the other method. Meta-analyses show comparable results regarding infection control, while showing advantages of one-stage protocols regarding morbidity and mortality. Regarding complications, costs and quality of life (QoL) a one-stage exchange clearly is preferable. Respecting the special conditions of biofilm, associated infection results may be further optimized. Local application of antibiotics in high concentration is required for eliminating biofilm remnants whereas biological carriers appear markedly more efficient than bone cement.

Keywords: total knee replacement, TKR, infection, biofilm, one-stage exchange, quality of life, local antimicrobial therapy,
antibiotics carrier

Citation
Winkler H: One-stage exchange of infected total knee replacement. OUP 2017; 9: 446–451 DOI 10.3238/oup.2017.0446–0451

Einleitung

Der Siegeszug der Knieendoprothetik war von Anfang an überschattet von Infektionen, die nach wie vor die meistgefürchtete Komplikation darstellen. Eine infizierte Knieendoprothese kann lediglich in den ersten Tagen nach Auftreten von Symptomen mittels Debridement und Antibiotikagabe (DAIR) erhalten werden. Nach Ablauf von Tagen bis wenigen Wochen besteht nur durch deren Entfernung eine realistische Chance auf eine anhaltende Infekt-Kontrolle. Wir wissen seit einigen Jahren, dass chronische Infektionen durch Biofilme verursacht sind, die mit etablierten Laboruntersuchungen und bakteriellen Kulturen oft nicht erkennbar sind und sich durch ihre besondere Lebensweise dem Angriff des Immunsystems und der Antibiotika entziehen [6, 8]. Der Behandlungsverlauf gilt als langwierig, kostenintensiv und extrem belastend für Patienten und Behandlungsteams. Die Bakterien innerhalb des Biofilms entwickeln eine organisierte Lebensweise und sind durch verschiedene Schutzmechanismen nahezu unempfindlich gegen Angriffe des Immunsystems und von Antibiotika. In Biofilmen organisierte Bakterien besitzen eine bis zu 1000-fach höhere Toleranz gegen verfügbare Antibiotika als ihre freilebenden Formen. Die erforderlichen hohen Konzentrationen sind weder mit systemischer Gabe noch mit herkömmlichen Trägern (PMMA, Schwämme) erzielbar. Sind im „race for the surface“ die Bakterien schneller am Ziel, so genügen Sekunden für ihre irreversible Anheftung und wenige Tage zur Ausbildung eines durchorganisierten Biofilms.

Systemisch erzielbare Antbiotikakonzentrationen können planktonische Bakterien eliminieren, radikales Debridement beseitigt die größte Menge von sessilen Biofilmen. Es lässt sich jedoch kaum vermeiden, selbst bei sorgfältigster chirurgischer Reinigung, dass mikroskopische Reste von Biofilmen am Ort verbleiben und Ausgangspunkt für ein Rezidiv darstellen können. Biofilm-Fragmente sind der wahre Gegner bei all unseren Behandlungsversuchen, und wir müssen unsere Behandlungskonzepte darauf abstimmen!

Eine weitere Problematik besteht in häufig vorliegenden Knochendefekten, bedingt durch die osteolytische Wirkung der Infektion an sich, aber auch durch gelockerte Implantate und chirurgisches Debridement. Allogene Knochentransplantate würden sich zur Rekonstruktion anbieten, gelten jedoch in unbehandelter Form als kontraindiziert bei Verdacht auf bestehende Infektion.

Biofilm-gezielte Therapie

Zahlreiche Substanzen mit Biofilm-Aktivität sind bereits bekannt, nach weiteren wird intensiv geforscht. In der klinischen Praxis ist bisher jedoch noch keine anwendbar, ein chirurgischer Eingriff ist nach wie vor unvermeidbar. Wir haben jedoch mit den vorhandenen Mitteln eine ausgezeichnete Heilungschance, sofern wir 5 Grundregeln beachten (5D-Regel):

1. Detect

Vor jeder Operation sollte die Ausdehnung des Infekts so exakt wie möglich lokalisiert werden. Dazu sollten alle zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren wie CT, MR, Szintigrafie mit SPECT etc. genutzt werden.

2. Debride

Die Menge an Biofilm sollte durch Entfernung aller Fremdkörper und radikales Debridement der identifizierten Areale so drastisch wie möglich reduziert werden.

3. Disrupt

Biofilme an sklerosierten oder narbigen Oberflächen der anliegenden Gewebe sollten durch Anfrischung mit Raspeln, Fräsen etc. und Hochdruck-Lavage mit gleichzeitiger Absaugung abgetragen werden, wobei sie auch in einzelne Bruchstücke zerrissen werden. Fragmente von Bio-Filmen sind deutlich empfindlicher gegenüber Antbiotikawirkung als intakte, organisierte Gemeinschaften [7].

4. Dead space management

Der nach Debridement verbleibende Totraum sollte so vollständig wie möglich mit Material gefüllt werden, das gegen bakterielle Wiederbesiedelung geschützt ist.

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