Übersichtsarbeiten - OUP 10/2015

Ergebnisse ambulanter orthopädischer Rehabilitation
Ergebnismessung mittels Funktionsfragebogen-Hannover-Rücken, Constant-Score, Harris-Hip-Score und Knee-Society-ScoreOutcome measurement by Funktionsfragebogen Hannover Rücken, Constant Score, Harris Hip Score and Knee Society Score

Der Harris-Hip-Score ist der international am weitesten verbreitete Score für die funktionelle Beurteilung des Hüftgelenks mit 91 % subjektiven und 9 % objektiven Anteilen in der Gesamtpunktzahl. Er berücksichtigt Schmerz, Hinken, Verwendung von Gehhilfen, Gehstrecke, Treppensteigen, Schuhe/Socken anziehen, Sitzen, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Beweglichkeit sowie Deformität. Der Score zeigt eine hohe Validität und Reliabilität bei der Nachuntersuchung nach Hüftendoprothetik [8].

Knee-Society-Score

Der Score teilt sich in einen objektiven Knie-Score (Erfassung von Schmerz, Beweglichkeit, Stabilität) und einen vom Patientenempfinden geprägten Funktions-Score (Erfassung von Gehfähigkeit, Treppensteigen, Hilfsmittel). Der Knee-Society-Score ist für die Nachuntersuchung nach Knie-Totalendoprothesen-Implantation weithin verbreitet und wissenschaftlich untersucht [9].

Statistik

Die statistische Auswertung erfolgte mittels t-Tests für verbundene Stichproben. Der t-Test ist ein parametrischer Hypothesentest zur Prüfung, ob die Nullhypothese „kein Scoreunterschied zwischen Beginn und Ende“ mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von ? ? 0,05 verworfen werden kann.

Ergebnisse

Patienten

1278 Patienten wurden im Beobachtungszeitraum behandelt. Davon konnten nach einer Plausibilitätsprüfung 1261 Datensätze (98,7 %) in die Auswertung übernommen werden. Darunter waren 683 (54,2 %) männliche und 578 (45,8 %) weibliche Patienten. Die mittleren 50 % der Studienteilnehmer waren zwischen 44 und 63 Jahre alt (Mittelwert 54, Median 53 Jahre). Die altersgemäße Verteilung der Patienten spiegelt Abbildung 2 wider. Die 1261 Teilnehmer
gliedern sich in 572 Rücken-Patienten (45,4 %), 243 Schulter-Patienten (19,3 %), 149 Hüft-Patienten (11,8 %) und 297 Knie-Patienten (23,6 %), Tabelle 1 zeigt die Patientenstruktur.

Scores

Alle vier untersuchten Indikationsgruppen erreichten zu Rehaende einen signifikant höheren Scorewert als zu Beginn (jeweils p < 0,05). Die mittlere Scoredifferenz zwischen Rehabeginn und -ende betrug 20,7 Punkte bei den Rücken-Patienten, 24,4 Punkte für die Schulter-Patienten, 23,9 bei den Hüft-Patienten und 19,7 für den Knie-Score bzw. 26,0 für den Knie-Funktions-Score.

Im einzelnen erhöhten sich die Mittelwerte im Rehabilitationsverlauf beim Funktionsfragebogen-Hannover-Rücken von 52 auf 73, beim Constant-Score von 36 auf 60, beim Harris-Hip-Score von 47 auf 71 und beim Knee-Society-Score von 61 auf 81 (Knie-Score) bzw. von 51 auf 77 (Funktions-Score). Einen Überblick über die erzielten Ergebnisse sowie die jeweiligen Standardabweichungen und Quartile zeigen Tabelle 2 und Abbildung 3.

Für die im untersuchten Zeitraum häufigsten Reha-Indikationen Bandscheibenvorfall operativ/konservativ, Schulter-Prothese, Rotatorenmanschettenrekonstruktion (RTM), Coxarthrose-TEP, Gonarthrose-TEP und Vordere-Kreuzband-Plastik (VKB) erfolgte jeweils eine gesonderte statistische Auswertung und grafische Darstellung. Auch die Auswertungen für diese Subgruppen zeigten jeweils durchgehend signifikant positive Veränderungen (p < 0,05) der Scorewerte im Rehabilitationsverlauf (Abb. 4–8).

Diskussion

Studiendesign

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine prospektiv angelegte Untersuchung zur Verlaufsbeobachtung. Eine Kontrollgruppe war nicht vorhanden. Grundsätzlich wäre ein Vergleich mit anderen ambulanten oder stationären Rehabilitanden aus wissenschaftlicher Sicht geboten und sollte für künftige Studien angestrebt werden. Eine Kontrollgruppe gänzlich ohne rehabilitative Nachbehandlung wäre ebenfalls wissenschaftlich interessant. Andererseits ist die Rehabilitation z.B. nach Endoprothesenversorgung im deutschen Gesundheitswesen als Regelleistung bei allen Leistungsträgern etabliert und die positiven Effekte sind vielfach belegt. Eine Kontrollgruppe ohne entsprechende Therapie wäre ethisch kaum vertretbar.

Studienteilnehmer

In der ambulanten Rehabilitation ist grundsätzlich mit geringfügig jüngeren Patienten und einem höheren Anteil männlicher Patienten im Vergleich zur stationären Rehabilitation zu rechnen [5]. Ob diese Beobachtungen auch Einfluss auf die Studienergebnisse haben, lässt sich mit den zur Verfügung stehenden Daten nicht klären. Diese Umstände könnten die Ergebnisse der Assessments allerdings geringgradig positiv beeinflusst haben im Vergleich zu stationär behandelten Rehabilitanden. Mit 1261 verwertbaren Datensätzen konnte jedoch eine für die Beurteilung der ambulanten Rehabilitation aussagekräftige Fallzahl erreicht werden.

Ergebnisse der
Assessmentverfahren

Die Diskussion der Ergebnisse gestaltet sich aus verschiedenen Gründen erschwert. Einerseits ist die Rehabilitationsforschung noch immer nur sehr gering differenziert ausgeprägt. Evidenzbasierung fehlt fast gänzlich [15]. Andererseits ist das deutsche System mit einer intensiven rehabilitativen Nachsorge im Verfahren der Anschlussrehabilitation nach stationären Behandlungen nahezu einzigartig und der Vergleich mit internationalen Studien eingeschränkt. Zudem wurden, um Transparenz für Zuweiser zu erzielen, nicht die üblicherweise im Bereich der Rehabilitation verwendeten funktionsbezogenen Scores verwendet, sondern in der Akutmedizin etablierte Assessments. Nachfolgend soll dennoch die Diskussion mit der zur Verfügung stehenden Literatur geführt werden.

Die Scores zeigen in sämtlichen Indikationsbereichen deutliche Verbesserungen im Rehabilitationsverlauf. Dieses Ergebnis entspricht diversen vorliegenden Studien, wenngleich diese häufig andere Assessments beinhalteten und die Untersuchungen indikationsbezogen enger begrenzt waren. Der Vergleich beschränkt sich somit auf die grundsätzliche Aussage der Studien.

Müller et al. verwendeten Scores zur Bestimmung des Gesundheitszustands und der Lebensqualität nach Endoprothesenversorgung. Auch in dieser Arbeit wurden jeweils bis auf wenige Ausnahmen in Subscores signifikante Verbesserung im stationären Rehabilitationsverlauf festgestellt [17]. Auch Weber et al. konnten bei einer Untersuchung der Ergebnisse ambulanter Rehabilitanden nach Hüft- und Knie-TEP deutliche Verbesserungen nachweisen [19]. Bak et al. befragten Hüft-TEP-Patienten präoperativ und 3 Monate postoperativ mit dem SF-36– und WOMAC-Score und zeigten positive Effekte der durchgeführten Behandlungen [2]. Kladny et al. dokumentierten in 2 Untersuchungen sowohl für Hüft- als auch für Knie-TEP-Patienten günstige Effekte für die durchgeführte postoperative stationäre Rehabilitationsbehandlung [11, 12]. Verwendet wurden dafür der Harris-Hip-Score bzw. der HSS-Score (Hospital for Special Surgery). Diese Beobachtungen entsprechen auch den Erkenntnissen eines Reviews über insgesamt 74 Studien zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach Hüft- und Knie-TEP [7].

SEITE: 1 | 2 | 3