Übersichtsarbeiten - OUP 01/2018

Fokussierte Sonografie des Schultergürtels

Der Grad Rockwood IIIb ist in der Regel innerhalb der ersten 2 Wochen post traumam operationspflichtig und ist erkennbar im US-Klavikula-Querschnitt an einem Riss der deltotrapezoidalen Muskelschlinge.

Sehnen-Muskel-Affektionen

Defekte

Post traumam sehen wir im Bereich des Schultergürtels Distensionsverletzungen signifikant häufiger als Kontusionsverletzungen. Von Distensionsverletzungen betroffen sind in absteigender Reihenfolge an der Schulter: m. subscapularis, m. biceps (lange Sehne), m. supraspinatus, m. infraspinatus, m. pectoralis major, m. pectoralis minor, m. biceps (kurze Sehne). Bei der Ultraschall-Detektion und Klassifikation der Muskelverletzungen hat sich die Einteilung nach Müller-Wohlfahrt [11] bewährt.

Ohne Unfall-Historie sehen wir die sehr häufig feststellbaren degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette. Hier sind in absteigender Reihenfolge am ehesten betroffen: die Sehne des m. supraspinatus, des m. biceps, des m. infraspinatus, des m. subscapularis.

Da die Prävalenz von Rotatorenmanschetten-Läsionen sehr hoch ist [6], ist es notwendig, bei subakromialem Schmerz das Sehnen-Defektausmaß im Seitenvergleich – am besten auf einem Monitorbild – und zudem dynamisch zu beurteilen. Hierbei werden bei nicht voroperierten Patienten die Sehnen-Defekt-Kriterien nach Hedtmann [13] am besten in den US-Schnittebenen der DEGUM angewendet. Eine Ursache für die hohe Aussagekraft der US-Diagnostik im Vergleich zur MRT liegt in der vielfach höheren Auflösung, der dynamischen Qualität und dem leichten Seitenvergleich, der insbesondere bei Fragestellungen im subakromialen Raum somit stets genutzt werden sollte. Aufgrund der großen interindividuellen Varianzen (z.B. Bursa-Füllung) ist ein Seitenvergleich auch im Bereich des Schultergürtels sinnvoll.

Bei voroperierten Patienten kommt neben diesen Kontur- und Struktur-Kriterien aber insbesondere das dynamische Kriterium der „Relativbewegung“ [16] der Weichteilstruktur in Relation zum Humeruskopf zur Anwendung. Die intakte Rotatorenmanschette zeigt keinerlei Relativbewegung zu den Tuberkula. Jede Relativbewegung zwischen Sehne und Knochen bedeutet einen Nachweis der Funktionslosigkeit der Rotatorenmanschette. Die Beurteilbarkeit dieses wichtigen Kriteriums hebt die Wertigkeit der US-Diagnostik über die der statischen bildgebenden Verfahren. Bei identischer Sensitivität von 91 % beträgt die Spezifität der US-Diagnostik bei voroperierten Rotatorenmanschetten 86 %, die der MRT jedoch lediglich 25 % [17]!

15 Jahre nach endoprothetischem Schultergelenkersatz zeigen mehr als die Hälfte dieser Patienten einen Rotatorenmanschettendefekt allein nach nativradiologischen Kriterien [24]. Da dieser Befund in der Regel sehr relevant für das weitere Vorgehen ist, ist auch das frühzeitige Erkennen wesentlich. Die nativradiologische Diagnostik ist wesentlich zu wenig sensitiv. Das aufgrund der erheblichen Artefakte einzig einsetzbare bildgebende Schnittbildverfahren ist die US-Diagnostik. Hier hat sie ein Alleinstellungsmerkmal.

Tendinosen

Im Gegensatz zu Sehnendefekten ist bei Sehnen-Tendinosen eine Sehnenverdickung und keine Sehnenausdünnung im Seitenvergleich und im Vergleich zur Sehnenperipherie zu messen. Es gibt degenerative Tendinosen ohne Kalk- und Tendinosen mit Kalknachweis. Über das Ausmaß der Schallauslöschung lässt sich zusammen mit der Kalkdepot-Dicke und dem Grad der Neovaskularisation der Grad der Aktivität und so auch die Prognose abschätzen. Mit dem Grad der Aktivität und dem Druckschmerztest mittels des Schallkopfs lässt sich rückschließen, ob es sich vermutlich um die aktuelle Schmerzquelle handelt oder nicht.

Sehnendefekte am Ende
einer Tendinose

Ca. 20 % der Sehnendefekte befinden sich am Ende einer meist kalklosen Tendinose. Transmurale Sehnendefekte im Bereich einer Tendinosis calcarea sind allerdings extrem selten.

Affektionen des
Glenohumeralgelenks

Am Beginn jeder Diagnostik steht die Orts-Diagnose, dann erst die Art-Diagnose. Sind die klinischen „Kapsel-Tests“ negativ und lässt sich eine intraartikuläre Volumenzunahme innerhalb des Glenohumeralgelenks mittels US-Diagnostik ausschließen, spricht dieses sehr gegen einen kapsulären Reizzustand des Glenohumeralgelenks. Andere Schmerzquellen sind dann sehr viel wahrscheinlicher.

Intraartikuläre Volumenzunahmen können im axillären Schnitt in der Technik nach Sattler [21] oder in der Technik nach Schmidt [22] (dorsaler Transversalschnitt) durchgeführt werden. Der Vorteil des axillären US-Schnitts nach Sattler ist, dass im selben Schnitt a) osteophytäre Randanbauten da beurteilt werden können, wo sie am ausgeprägtesten sind und zuerst auftreten und b) die Flüssigkeitsmenge semiquantitativ mittels Messung des Collum-Kapsel-Abstands erfasst werden kann und c) die Kapseldicke beurteilt werden kann. Dieses ist in der Differenzierung zwischen entzündlichen und mechanischen Erkrankungen relevant.

Zur Durchführung des axillären Schnitts sollte der Patientenarm lediglich so weit abduziert werden, wie weit es für die Schallkopfanlage notwendig ist, ohne Ankopplungsartefakte zu erhalten. Je geringer die Arm-Abduktion, desto sensitiver ist die Untersuchung. Ist selbst eine geringe Arm-Abduktion nicht möglich, kann auf den hinteren Querschnitt in Außenrotation des Arms nach Schmidt ausgewichen werden.

Interventionelle
Ultraschall-Diagnostik

Bei der diagnostischen und therapeutischen Infiltrations-Intervention des Akromioklavikulargelenks scheint es einen nachweisbaren Vorteil der US-gezielten Technik gegenüber der landmarkengezielten Technik zu geben [5].

Bei der diagnostischen und therapeutischen Infiltrations-Intervention des Glenohumeralgelenks scheint es bislang keinen nachweisbaren Vorteil der US-gezielten Technik gegenüber der landmarkengezielten Technik jedenfalls bei der adhäsiven Kapsulitis zu geben [19].

Bei der diagnostischen und therapeutischen Infiltrations-Intervention der Bursa subakromialis-subdeltoidea ist es günstig, dass die Bursa direkt an die große knöcherne Fläche des Akromions angrenzt und diese leicht mit der Kanüle zu treffen ist. Somit ist die Fehlpunktionsrate auch ohne US-Untersuchung klein. Dieses könnte ein Grund sein, warum die beiden vorhandenen großen Review-Artikel zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen [2, 4].

Die nach der Patienten-Lagerung und direkt vor der extrakorporalen Stoßwellentherapie oder der operativen Ausräumung durchgeführte US-Ortung des Kalkdepots bei Tendinosis calcarea erhöht die Behandlungserfolgsrate.

SEITE: 1 | 2 | 3