Übersichtsarbeiten - OUP 05/2013

Frakturendoprothetik bei Oberarmkopffrakturen

Die funktionellen Ergebnisse nach primärer Frakturprothese sind eher nicht befriedigend [14–17]. Als Ursache wird meist die fehlende Einheilung der Tuberkula mit nachfolgender partieller oder totaler Resorption und Insuffizienz der Rotatorenmanschette angesehen. Die Erfahrungen des einzelnen Operateurs mit der Frakturprothetik des proximalen Humerus sind oft begrenzt. Dies stellt einen nicht zu unterschätzenden Faktor für das zu erwartende funktionelle Resultat dar [18]. Die Tendenz, unabhängig vom Alter des Patienten und dem Grad der Osteoporose, fast alle Frakturen mit einem winkelstabilen Implantat zu versorgen, hat die Zahl der Frakturprothesen in den eher osteosynthetisch-rekonstruktiv ausgerichteten Traumazentren zurückgehen lassen.

Verschiedene Prothesensysteme mit unterschiedlichen Philosophien und Designs sind zurzeit verfügbar [19]. Dabei werden unterschieden:

  • Open-stem-Design (z.B. Aequalis-Frakturprothese, Fa. Tornier)
  • Midsize-stem-Design (z.B. Univers-Frakturprothese, Fa. Arthrex)
  • Full-body-stem-Design (z.B. Affinis Fracture, Fa. Mathys)

Der Einfluss des Prothesendesigns auf das Outcome wird unterschiedlich diskutiert. So sehen Loew et al. [20] keinen statistisch signifikanten Unterschied im funktionellen Ergebnis bei Verwendung einer Standard-Schulterprothese im Vergleich zu einer Frakturprothese, wobei die Einheilrate der Tuberkula bei der speziell zur Frakturversorgung entwickelten Hemiprothese verbessert werden konnte. Kralinger et al. [17] fanden in ihrer Multicenter-Studie einen Einfluss des verwendeten Prothesentyps auf die Einheilrate der Tuberkula. Ebenso hatte die Erfahrung des Operateurs Einfluss auf das Ergebnis, wobei ab einer Zahl von 15 Prothesen in dieser Serie die Tuberkula signifikant häufiger einheilten.

Die Art der Fixierung der Tuberkula wird ebenso kontrovers diskutiert und von den unterschiedlichen Designs verschieden unterstützt. Prinzipiell anerkannt ist die zirkuläre Führung eines nicht resorbierbaren Fadens oder eines Kabels durch den Hals der Prothese unter Einbeziehung der Tuberkula zur Verhinderung einer Derotation bei Drehung des Arms [21]. Unterschiedliche Ansichten existieren zum Stellenwert einer hohen Primärstabilität. Die Fixierung der Tuberkula mittels Kabel-Osteosynthese kann zur Durchblutungsminderung und sekundären Resorption führen. Besonders beim osteoporotischen Knochen mit mehrfragmentären Frakturen der Tuberkula sind der stabilen Fixierung biologische Grenzen gesetzt. Nijs et al. [12] favorisieren eine Kompressions-Osteosynthese der Tuberkula, die gegen das Mittelteil der modularen Frakturprothese gepresst werden. Krause et al. [22] verglichen die Refixation der Tuberkula bei verschiedenen Prothesentypen mit Fadenfixation versus Kabelverankerung und Spongiosaplastik. Die Verwendung eines speziell entwickelten Cables (Tubercable, Argomedical, Cham, Schweiz) brachte signifikant bessere Einheilraten und bessere funktionelle Ergebnisse. Dietz [23] zeigte signifikant höhere Einheilraten der Tuberkula bei Verwendung einer Kabel-Fixation im Vergleich zur Naht-Fixation bei einem Prothesentyp (s. Abb. 1a, b).

Stellenwert der Inversen Frakturprothese

Die Ergebnisse der Fraktur-Hemiprothese bei älteren Patienten mit vorliegenden Komorbiditäten zeigen signifikant schlechtere Werte im Constant Score bei zunehmendem Lebensalter [24]. Deshalb wird der Einsatz einer Inversen Prothese seit einigen Jahren unter bestimmten Voraussetzungen empfohlen.

Ob diese Endoprothesen die in sie gesetzten Erwartungen jedoch erfüllen werden, lässt sich heute noch nicht abschließend beurteilen. Die bisherigen Erfahrungen und kurz- bis mittelfristigen Ergebnisse sind vielversprechend.

So fanden Sirveaux et al. [25] bei 47 Patienten in einer Nachuntersuchungszeit von 30 Monaten einen mittleren Constant Score von 55 Punkten und eine durchschnittliche Elevation von 120°; 89 % der Patienten waren schmerzfrei. Die Einheilrate für das Tuberkulum majus wurde mit 85 % angegeben, was sich unter anderem in einer verbesserten Außenrotation äußerte.

Cazeneuve et al. [26] beschreiben bei 36 Patienten mit einem mittleren Alter von 75 Jahren einen Rückgang der Ergebnisse im Constant Score nach 6,6 Jahren von 58 auf 53 Punkte im Vergleich zu einer vorherigen Untersuchung nach 6 Jahren. Als Ursache vermuten sie latente Infektionen, Impingement zwischen Skapulahals und humeraler Komponente und Mikrobewegungen der kaudalen Schraube. Als Konsequenz werden neue Prothesendesigns mit geänderten Oberflächen und eine an die Fraktur angepasste OP-Technik empfohlen [27].

In einer fortlaufenden Multicenterstudie mit Beteiligung von 5 Kliniken wurden seit 2008 insgesamt 43 Fälle (40 Frauen, 3 Männer) eingeschlossen, bei denen nach primärer Humeruskopffraktur eine Affinis Fracture Inverse-Prothese (Fa. Mathys, Bettlach, Schweiz) implantiert wurde. Das mittlere Alter bei der Operation betrug 79,8 Jahre (66,9–95,8). Nach der Neer-Klassifikation hatten 36 Patienten (84 %) eine 4-Part-Fraktur.

Für die Nachuntersuchung konnten 9 Patienten nicht länger eingeschlossen werden.

24 Patienten (22 Frauen, 2 Männer) wurden bisher nach mindestens 24 Monaten nachuntersucht. Im Constant Score wurden 65,5 Punkte, im alters- und geschlechtskorrigierten Constant Score 96,7 % erreicht. Die Visuelle Analogskala (VAS) für Schmerzen lag bei 1,9, die subjektive Zufriedenheit wurde mit einer VAS von 7,5 bestimmt. Im eher subjektiven ASES-Score erreichten die Patienten im Mittel 72,8 Punkte [6].

Die mittleren aktiven Bewegungsausmaße für die Flexion lagen bei 142,3°, Abduktion 135,9°, Außenrotation 18,6°.

Die radiologischen Auswertungen zeigten bisher keine Hinweise für ein Scapula-Notching. An Komplikationen fand sich eine dislozierte Akromionfraktur, die konservativ therapiert wurde [28].

Demgegenüber wird in der Literatur eine insgesamt recht hohe Komplikationsrate von 24 % mit Notching, Infektion, Lockerung der Glenoidkomponente und Akromionfraktur angegeben [29–31].

Neue Designs wurden entwickelt, um durch Positionierung der Glenosphäre das Notching mit nachfolgender Auslockerung der Glenoidkomponente möglichst zu reduzieren. Bei den Inversen Frakturprothesen wurde das Mittelteil der humeralen Komponente zur Refixation der Tuberkula angepasst, die ähnlich der Technik bei der Hemiprothese mittels Faden- oder Kabelcerclage rotationsstabil verankert werden [28] (Abb. 2a, b, c).

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