Übersichtsarbeiten - OUP 02/2025
G-BA-Richtlinie proximale FemurfrakturenVorgaben, Prüfverfahren und Umsetzung
Michael Wagner, Hans-Georg Palm
Zusammenfassung:
Die G-BA-Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur stellt Krankenhäuser nicht nur in organisatorischer Hinsicht vor eine Herausforderung, sondern auch in der Vorbereitung der Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MD). Der vorliegende Text umreißt die wichtigsten Vorgaben dieser Richtlinie und gibt Anregungen zu deren Umsetzung und der Vorbereitung der MD-Prüfung.
Schlüsselwörter:
G-BA, proximale Femurfraktur, Alterstraumatologie
Zitierweise:
Wagner M, Palm H-G: G-BA-Richtlinie proximale Femurfrakturen. Vorgaben, Prüfverfahren und Umsetzung
OUP 2025; 14: 74–78
DOI 10.53180/oup.2025.0074-0078
Summary: The „G-BA“ guideline for the treatment of proximal femur fractures presents hospitals with a challenge not only from an organizational point of view, but also in the preparation of the examination by the „Medizinischer Dienst (MD)“. This text outlines the most important requirements of this guideline and provides suggestions for its implementation and preparation for the MD examination.
Keywords: G-BA, proximal femur fracture, geriatric traumatology
Citation: Wagner M, Palm H-G: „G-BA“ guideline proximal femur fractures. Specifications, test procedures and implementation
OUP 2025; 14: 74–78. DOI 10.53180/oup.2025.0074-0078
Klinikum Ingolstadt
Grundlagen zur G-BA-„Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen
Femurfraktur“
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) spielt im deutschen Gesundheitswesen eine zentrale Rolle in der Ausgestaltung der Versorgung von Patientinnen und Patienten, indem er Richtlinien erlässt, die die medizinische Versorgung standardisieren und optimieren sollen.
Eine dieser Richtlinien ist die „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung zur Versorgung von Patienten mit einer hüftgelenknahen Femurfraktur gemäß § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser“, auch „Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur“ oder kurz „QSFFx-RL“ genannt [1]. Sie regelt die Versorgung einer hüftgelenknahen Femurfraktur ab dem 18. Lebensjahr, die jedoch häufiger vor allem bei älteren Menschen zu verzeichnen ist.
Die Richtlinie beschreibt in § 2 die gesetzten Ziele. Neben allgemein in der Medizin gültigen wie der „Gewährleistung der Patientensicherheit“, „Vermeidung oder Minderung der perioperativen Morbidität“ sowie von postoperativem Delir, Depression und Mortalität und der „Wiedererlangung der Mobilität“ steht vor allem die Sicherstellung der „operativen Versorgung… innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme oder nach Auftreten eines Inhouse-Sturzes“ im Fokus der Betrachtung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung eines Krankenhauses zur Versorgung dieser Frakturen, die laut Anlage 1 der G-BA-Richtlinie über die Kombination bestimmter ICD und OPS definiert werden, sind klar definiert: Als allgemeine Mindestanforderungen, die in § 3 geregelt sind, werden u.a. die fachlichen, personellen und strukturellen Kriterien festgelegt. Auch organisatorische Anforderungen wie die Verfügbarkeit von Fachärztinnen und Fachärzten der Fachgebiete Innere Medizin, Chirurgie und Anästhesie innerhalb von 30 Minuten an der Patientin/am Patienten, eine Behandlungspriorisierung bei Aufnahme und die Möglichkeit der Weiterverlegung auf dem Luftweg sind dort hinterlegt.
Es muss entsprechend der in § 4 geregelten spezifischen Mindestanforderungen sichergestellt werden, dass die medizinische Einrichtung über das erforderliche qualifizierte Fachpersonal verfügt. Insbesondere in den Bereichen Unfallchirurgie und Orthopädie müssen Fachärztinnen und Fachärzte mit weitreichender Erfahrung in der Behandlung von hüftgelenksnahen Frakturen tätig sein. Ein weiteres Kriterium umfasst die technische Ausstattung der Einrichtung. Diese muss die notwendige Ausrüstung für Bildgebung und chirurgische Eingriffe umfassen. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team entscheidend. Neben den Chirurginnen und Chirurgen müssen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten sowie Geriaterinnen und Geriater Teil des Teams sein, um eine umfassende und ganzheitliche Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.
Mindestanforderungen zur Prozessqualität sind in § 5 hinterlegt. Hier wird die Umsetzung über 7 Standardarbeitsanweisungen (SOP) gefordert, deren Inhalt detailliert in Anlage 2 der Richtlinie beschrieben wird. Weiter regelt die Richtlinie noch die Art des Nachweisverfahrens gegenüber den Kostenträgern und dem IQTIG, die zu unternehmenden Maßnahmen bei Nicht- bzw. Wiedererfüllung der Vorgaben sowie deren Prüfung durch den Medizinischen Dienst.
Erfahrungen aus dem eigenen Zertifizierungsverfahren
Da die Einhaltung der in der Richtlinie geforderten Kriterien jährlich zwischen dem 15. November und 31. Dezember eines Jahres gegenüber den Kostenträgern in Form einer „Checkliste zum Nachweis über die Erfüllung der Mindestanforderungen“ (Anlage 3 der Richtlinie) [2] und bis zum 15. Februar des darauf folgenden Jahres zusätzlich mit einer von der Geschäftsführung unterschriebenen „Erklärung der Richtigkeit der Angaben gemäß § 8 Absatz 4 QSFFx-RL“ dem G-BA über das IQTIG zu melden ist, muss vorher sichergestellt sein, dass sämtliche Kriterien einer MD-Prüfung standhalten. Anderenfalls drohen empfindliche Abschläge (§ 7 Abs. 7 der Richtlinie) und ein Verbot diese Leistung weiter zu erbringen, solange die Vorgaben nicht erfüllt sind (§ 7 Abs. 1 der Richtlinie).
Die Umsetzung der G-BA-Richtlinie erfordert in der Praxis eine sorgfältige Organisation und Koordination der Behandlungsprozesse. Von der schnellen Diagnose und dringlichen operativen Versorgung der Patientinnen und Patienten bis hin zur Vermeidung von Komplikationen müssen alle Schritte nahtlos ineinandergreifen. Ein Fokus liegt auf der Qualitätssicherung. Bereits seit 2015 müssen im Rahmen der externen Qualitätssicherung die präoperative Verweildauer, postoperative Komplikationen, der Mobilisationszustand und die Mortalität erfasst und patientenbezogen bei hüftgelenksnahen Frakturen gemeldet werden. Diese Behandlungsergebnisse und Komplikationsraten werden durch das IQTIG überprüft, mit Landes- und Bundesdaten in Relation gesetzt und verfahrensbezogen veröffentlicht [3]. Zum 01. Januar 2021 wurden die ehemaligen Verfahren zur „Hüftgelenknahen Femurfraktur mit osteosynthetischer Versorgung (HUEFTFRAK-OSTEO)“ und „Hüftendoprothesenversorgung (HEP)“ durch das Modul „Hüftgelenkversorgung (QS HGV)“ ersetzt [4]. Die Richtlinie hat Teile dieser externen Qualitätssicherung aufgegriffen und verbindlich geregelt.
Die Sicherstellung der operativen Versorgung innerhalb von 24 Stunden nach Eintrittsereignis oder Aufnahme in die stationäre Versorgung stellt viele Kliniken vor allem organisatorisch vor eine erhebliche Herausforderung. Hilfreich für den Aufbau der notwendigen Abläufe sind die in der Richtlinie geforderten SOP. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie hat in ihrer Sektion Alterstraumatologie die 7 in Anlage 2 der Richtlinie beschriebenen SOP veröffentlicht [5]. Sie entsprechen strukturell den Vorgaben des G-BA und müssen nur noch an die Belange der jeweiligen Klinik angepasst werden. Bei einer MD-Prüfung werden die vorgelegten SOP inhaltlich entsprechend der Regelungsinhalte der Anlage 2 der Richtlinie abgeglichen. Zusätzlich wird stichprobenartig in der Einzelfallkontrolle überprüft, ob sich die beschriebenen Abläufe in der patientenindividuellen Dokumentation in der Akte wiederfinden lassen.
In der Vorbereitung einer MD-Prüfung ist es hilfreich mittels einer Checkliste zu arbeiten. Der MD stellt im Rahmen der schriftlichen Mitteilung der Einleitung eines Kontrollverfahrens nach MD-Qualitätskontroll-Richtlinie (MD-QK-RL) [6] der zu prüfenden Klinik eine von ihm erstellte Checkliste der geforderten Unterlagen zur Verfügung (Abb. 1).
Diese Checkliste eignet sich zur Erstellung einer krankenhausindividuellen Übersicht, in der akribisch darüber hinaus jeder einzelne nachzuweisende Punkt gelistet sein sollte. Dabei sollten Zuständigkeiten in der Abarbeitung klar definiert werden. Während die Checkliste des MD bei § 3 der Richtlinie beginnt, sollte die eigene mit § 2 starten (Abb. 2). Die durch den G-BA gesetzten Ziele müssen erfüllt und bei einer MD-Prüfung nachgewiesen werden. Sinnvollerweise verknüpft man in der Abarbeitung § 2 dafür mit den „Mindestanforderungen an die Prozessqualität“ aus § 5 dieser Richtlinie.
Die Vorgaben aus § 2 können im Rahmen der Ausleitung der Patientenstichprobe vorbereitet werden (Abb. 3). Bei der Erstellung dieser Fallliste (vorzugsweise in Excel), die sämtliche Patientinnen und Patienten mit einer der Richtlinie entsprechenden hüftgelenksnahen Femurfraktur der 3 Monate des Prüfzeitraumes enthalten muss, kann gleichzeitig das OP-Datum und die Uhrzeit des Schnittes ausgeleitet, der OP-Bericht mit dem an der Operation beteiligten Facharzt, die Triagezeit bei Aufnahme, die Einbeziehung geriatrischer Expertise ab einem Alter von 65 Lebensjahren und die tägliche Mobilisation durch die Physiotherapie ab dem ersten postoperativen Tag geprüft werden. Bei Abweichungen von diesen Vorgaben, insbesondere der operativen Versorgung innerhalb der ersten 24 Stunden, ist in der Dokumentation zu diesem Fall eine aussagekräftige Begründung zu suchen. Organisatorische Begründungen werden in der Regel nicht akzeptiert, da § 5 Absatz Satz 2 der Richtlinie deutlich darauf hinweist, dass unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen sind, um Hindernisse auszuräumen, die einer operativen Versorgung innerhalb von 24 Stunden entgegenstehen. Medizinische Gründe gilt es, nachzuweisen. Hier greift vor allem die SOP „Perioperative Planung: Priorisierung von Eingriffen, Planung von OP-Kapazitäten, Planung von OP-Teams“. Idealerweise existiert zusätzlich ein OP-Statut, der bei der MD-Prüfung vorgehalten werden kann.
Darüber hinaus empfiehlt es sich, eine spezielle SOP „Sicherstellung der operativen Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur binnen 24 Stunden nach G-BA-Richtlinie (QSFFx-RL)“ zu erstellen, die nur für diese Eingriffsart neben einer Notfallkategorisierung (Abb. 4) eine Festlegung für den normalen Regeldienstbetrieb und eine Priorisierung außerhalb des Regeldienstbetriebes enthält, für diese Zeiträume OP-Säle definiert und Zuständigkeiten festhält.
Als Ergänzung der SOP „Ortho-geriatrische Zusammenarbeit für Patientinnen und Patienten mit positivem geriatrischen Screening“ ist es sinnvoll ,den Vorgang des Screenings in einer eigenen SOP festzuhalten. Diese Vorgehensweise findet sich dann idealerweise in jeder Patientenakte der entsprechenden Klientel.
Auch für den Nachweis der Prophylaxe bzw. Behandlung eines postoperativen Delirs oder einer Depression bietet es sich an, eine entsprechende SOP vorzuhalten, wie auch eine SOP „Prophylaxe und Therapie des Dekubitus“ nicht fehlen sollte, um die Anstrengungen nachweisen zu können, die neben ergriffenen Mobilisationsmaßnahmen unternommen werden, um eine verletzungsbedingte Pflegebedürftigkeit zu verringern.
Alle SOP sollten als aktuell gültige und gelenkte Dokumente Bestandteil des bestehenden Qualitätsmanagements und idealerweise sämtlichen an der Patientenversorgung beteiligten Mitarbeitern, z.B. über das Intranet, zugänglich sein.
Die allgemeinen Mindestanforderungen nach § 3 der Richtlinie werden entsprechend der Ausnahmetatbestände des § 10 nicht geprüft, wenn die Anforderungen an ein überregionales Traumazentrum erfüllt sind. Dieser Nachweis, z.B. über Zertifizierungsunterlagen, ist zu führen. Trotzdem wird die Anwendung der Behandlungspriorisierung bei der Erstaufnahme von Notfallpatienten (§ 3 Abs. 1 Punkt g der Richtlinie) in der Einzelfallprüfung kontrolliert und darf deshalb nicht vernachlässigt werden.
Werden die Anforderungen an ein überregionales Traumazentrum nicht erfüllt, sollte man sich mit den „Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)“ [7] auseinandersetzen. Sie enthalten u.a. die in § 3 geforderten Mindestanforderungen.
Die spezifischen Mindestanforderungen (§ 4 der Richtlinie) befassen sich mit der personellen und strukturellen Ausstattung. Hier müssen neben dem Nachweis der Abteilungsstruktur sämtliche personellen Vorhaltungen geführt werden (Abb. 5). Neben dem Beleg der Beschäftigung der vorgehaltenen Personen über Anstellungsverträge müssen Facharzt- und andere Qualifikationen vorgelegt werden. Hier kann es sinnvoll sein, die To-dos der Checkliste bis auf die einzelnen Personen herunter zu brechen. Dabei müssen die auf den Dienstplänen und in den OP-Berichten erfassten Personen berücksichtigt und Dienstpläne auf Vollständigkeit geprüft werden.
Mit strukturiert umgesetzten Prozessen liegt der zeitliche Hauptaufwand auf der personellen Nachweisführung. Auch wenn der MD durch das Führen einer klinikspezifischen Datenbank, die auch über die Strukturprüfungen bestimmter OPs zustande kommt, eine zunehmende Anzahl an personellen Nachweisen verfügbar hat, so erfordert die personelle Fluktuation und die Weiterentwicklung einzelner Personen, z.B. zum Facharzt, immer wieder einen kompletten Abgleich aller an einer Richtlinie beteiligten Personen. Darüber hinaus bindet die permanente Dokumentation zum Nachweis der Erfüllung bestimmter Richtlinienkriterien medizinisches Personal, das dann an anderer Stelle in der Versorgung fehlt.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit der „Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur“ hohe Anforderungen an die erbringenden Kliniken gestellt werden. Um das Prüfverfahren des Medizinischen Dienstes bestehen zu können, bedarf es einer strukturierten, arbeitsintensiven und interdisziplinären Vorbereitung, welche wiederum auf allseitige Kooperation angewiesen ist. Gleichwohl konnten wir die Vorbereitungsphase in der eigenen Klinik sehr gut dazu nutzen, bestehende Strukturen und Prozesse zu beleuchten und bedarfsweise weiterzuentwickeln.
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Michael Wagner
Klinikum Ingolstadt
Leitung Medizin-Controlling
Krumenauerstraße 25
85049 Ingolstadt
michael.wagner@klinikum-ingolstadt.de