Übersichtsarbeiten - OUP 03/2013

Gelenkerhaltende operative Maßnahmen bei der Gonarthrose

Ligamentäre Insuffizienzen spielen sowohl bei der Arthrose-Entstehung als auch bei der Schmerz-Auslösung der Gonarthrose eine Rolle. Bereits ein exzessives Debridement mit Entfernung größerer Meniskus-, Knochen- und Knorpelanteile kann zu einer sekundären Instabilität im Kniegelenk führen, ohne dass Ligamente betroffen sind [31]. Der vordere Kreuzbandriss ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten Verletzungen des Kniegelenks. Kreuzbandverletzungen führen zu einer pathologisch veränderten biomechanischen Belastung des Kniegelenks [32]. Die Prävalenz einer Gonarthrose 10 Jahre nach Kreuzbandverletzung beträgt 50 bis 80 %. Bereits in der akuten Phase der vorderen Kreuzbandverletzung wurden in einer Studie [33] erhöhte Werte proinflammatorischer Zytokine, welche für katabole Effekte am Knorpel verantwortlich gemacht werden, gemessen. Kreuzbandverletzungen treten häufig in Kombination mit Meniskusrissen (25–65 %) und Knorpelschäden (25 %) auf [34]. Die Indikation für einen Kreuzbandersatz wird heute auch bei symptomatischen Patienten höheren Alters und bereits fortgeschrittener Degeneration gestellt. Die Kreuzbandplastik bei degenerativ geschädigten Kniegelenken und im Alter über 55 Jahren ist nach neueren Untersuchungen ein sicheres Verfahren, welches Stabilität wiederherstellt und die Rückkehr zu einer akzeptablen Aktivität ermöglicht [35]. Meta-Analysen [36] zeigen, dass nach Kreuzbandplastik die Prävalenz für radiologische Zeichen einer Arthrose geringer ist als bisher angenommen. Jedoch steigt nach dieser Analyse das Arthroserisiko dramatisch an, wenn subtotale Meniskusresektionen durchgeführt werden mussten.

Die posttraumatisch ligamentär bedingte Luxation und Subluxation der Patella weist eine hohe Prävalenz zur Entstehung von femuropatellaren Knorpelschäden auf [37]. Die Rekonstruktion des Retinakulums bzw. des medialen patello-femoralen Ligamentes durch eine Bandplastik adressiert eine symptomatische Instabilität der Patella, jedoch wird der Verlauf der Arthrose hierdurch nicht beeinflusst [38].

Umstellungsosteotomien

Umstellende Osteotomien haben das Ziel, Achsdeformitäten zu korrigieren sowie die Lebensdauer des Gelenkes zu erhöhen und eignen sich zur Behandlung von unikompartimentellen Varus- oder Valgus-Gonarthrosen. Die Einführung des unikondylären Oberflächenersatzes hatte Umstellungsosteotomien zum Teil verdrängt. Durch die Einführung winkelstabiler Osteosynthesen ist die öffnende hohe tibiale Osteotomie (HTO) bei Varus-Gonarthrosen wieder erfolgreich etabliert [39]. Umstellungsosteotomien sind gelenkflächenerhaltend, mit knorpelplastischen Maßnahmen kombinierbar und erfordern keine Knochenresektion. Ein Nachteil der HTO ist eine unter Umständen längere Rehabilitationsdauer bis zur knöchernen Durchbauung der Osteotomie. Im Vergleich dazu ist der unikondyläre Oberflächenersatz durch Zementierung sofort belastbar. Bei Umstellungsosteotomien ist nicht in allen Fällen sicher voraussehbar, dass eine Schmerzreduktion erreicht wird. Technisch kann nach HTO eine spätere Endoprothesen-Implantation anspruchsvoller sein. Jedoch zeigten die Ergebnisse mit der Knie-Totalendoprothese nach vorausgegangener Osteotomie keine negativen Effekte [40, 41]. Übergewichtige, Raucher und Frauen haben ein höheres Risiko des Therapieversagens nach HTO [42, 43].

Diskussion

Die gelenkerhaltende Behandlung der Arthrose richtet sich nach den Prädiktoren und dem Schweregrad der Erkrankung. Die Therapie sollte daher immer individuell sowie Stadien-adaptiert sein und bereits bei frühen Formen degenerativer Schäden erfolgen. Dabei sind frühe Symptome der Gonarthrose eher subtil, atypisch und häufig nur gering schmerzhaft. Moderne bildgebende Verfahren ermöglichen die Erkennung und Behandlung bereits früher Stadien der Gonarthrose und ihrer Risikofaktoren. Zur Behandlung isolierter früher Knorpelschäden stehen uns stimulierende (Stammzellstimulation), reparative (autologer Austausch) und regenerative Verfahren (zellbasiert) zur Verfügung. Die Studienlage zum Erfolg einer Knorpelbehandlung bei Vorliegen einer Arthrose ist inhomogen. Morphologische Kriterien und klinisches Beschwerdebild korrelieren nicht exakt miteinander, was die Erfolgsprüfung durch klinische Scores erschwert.

Die Arthroskopie versus Placebo-OP-Studie von Mosley et al. [44] hat zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Erwartung an arthroskopische Operationen bei Bestehen einer Gonarthrose geführt. Umfassende Analysen [11] zeigen jedoch, dass entscheidend für den Erfolg das Vorhandensein mechanisch ausgelöster Symptome ist. Bei Blockierungen und eingeklemmten Meniskusrissen sollte die Indikation zur Arthroskopie daher keinesfalls zurückhaltend gestellt werden. Die Knorpelreparatur hat die größeren Erfolgschancen, wenn es sich um eine isolierte Degeneration ohne intraartikuläre Co-Läsionen und Achsabweichungen handelt. Daher ist die Mitbehandlung ligamentärer Insuffizienzen und Achsfehlstellungen erforderlich. Symptomatische Bandinstabilitäten am Kniegelenk sind auch bei fortgeschrittener Degeneration und Alter erfolgreich durch Bandplastiken behandelbar – auch dann, wenn langfristig die Gonarthrose dadurch nicht sicher verhindert werden kann.

Die ACT und MACT sind bei der Gonarthrose kontraindiziert und nur Ausnahmefällen mit begrenzten degenerativen Knorpelschäden vorbehalten. Die Ergebnisse mit der ACT sind schlechter, wenn die Integrität der subchondralen Platte z.B. durch Voroperationen (Mikrofraktur) gestört ist [45]. Mit zunehmender Erfahrung hat sich ein erhöhtes Bewusstsein für die Rolle des subchondralen Knochens bei der Behandlung von chondralen Schäden entwickelt [46]. Ohne ein vitales subchondrales Knochenlager sind die Erfolgschancen einer Knorpelreparatur limitiert. Eine Mikrofraktur und Meniskusteilresektion ohne Korrektur einer Varus-Fehlstellung hat keine Chance auf langfristigen Erfolg. Die Knorpelstimulation als Kombinationseingriff ist in diesen Fällen daher mit einer HTO zu empfehlen. Eine Cochrane-Review-Arbeit [47] zeigte deutlich auf, dass die arthroskopische Arthrose-Behandlung dann einen höheren Effekt aufwies, wenn symptomatische Meniskusschäden adressiert werden konnten. Die resezierende Meniskuschirurgie hat daher einen hohen Stellenwert in der Behandlung von frühen Stadien der Gonarthrose. Je mehr symptomatische Kniebinnenläsionen behandelt werden, umso höher ist der Effekt. Je fortgeschrittener die generalisierte Gonarthrose, umso geringer ist der therapeutische Nutzen. Daher ist der Einsatz der genannten Verfahren in frühen Stadien der Arthrose sinnvoll.

Nicht alleine das Alter, sondern insbesondere auch die Aktivität des Patienten entscheidet über die Wahl der Verfahren. Die Dauer der Symptomverbesserung ist abhängig von der individuellen Progredienz der Arthrose [48]. Der demografische Wandel führt dazu, dass immer mehr Menschen bis ins hohe Alter hohe Aktivitätslevel behalten, die eine mehr gelenkerhaltende und sportorthopädische Herangehensweise der Gonarthrose-Behandlung erfordern. Obwohl uns in der Literatur keine Evidenz in der Erfolgsrate beim Vergleich von unikondylären Endoprothesen und Umstellungs-Osteotomien vorliegt, ist die korrekte Indikation entscheidend: Jüngere und aktive Menschen mit unikompartimentellen Arthrosen profitieren länger von einer gelenkerhaltenden Osteotomie ohne Knochenverlust im Vergleich zur Halbschlittenprothese.

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