Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Gelenkinfektion*

Ulf-Joachim Gerlach1

Zusammenfassung: Die Gelenkinfektion stellt eine schwerwiegende Komplikation dar und führt bei ausbleibender oder inadäquater Behandlung zur irreversiblen Gelenkzerstörung. Ursächlich für eine Gelenkinfektion sind endogen-hämatogene und exogene Faktoren. In unserem Patientengut sind die Empyeme fast ausschließlich verursacht durch iatrogene Maßnahmen (arthroskopische
Operationen, Punktionen, intraartikuläre Infektionen) oder als Folge gelenknaher Frakturen und penetrierender Verletzungen. Zur Diagnosestellung notwendig ist neben der
Laboruntersuchung, Nativ-Rö und MRT-Untersuchung die Gelenkpunktion mit Direktabstrich. Die Leukozytenzahl ist zu bestimmen (Grenzwert: 25.000/?l) und in der Gramverfärbung mikroskopisch die Identifizierung möglicherweise vorliegender Bakterien. Beim akuten Gelenkempyem handelt es sich um einen unfallchirurgischen Notfall, der sofort operiert werden muss, da aufgrund der pathophysiologischen Vorgänge rasch irreversible Knorpelschäden auftreten. Das akute Empyem ist arthroskopisch zu behandeln. Von einem chronischen Empyem ist auszugehen, wenn die klinischen Symptome länger als 7 Tage bestehen. Die Behandlung des chronischen Empyems erfolgt durch Arthrotomie, Synovialektomie und Entfernung des einliegenden Fremdmaterials inklusive Kreuzbandersatz. Postoperativ ist von Beginn an eine intensive Übungsbehandlung notwendig, auch unter Einsatz von Schmerzkathetern. Die Verlegung in ein Zentrum für Septische Chirurgie ist sinnvoll.

Schlüsselwörter: akutes Empyem, arthroskopische Behandlung, chronisches Empyem, Arthrotomie

Zitierweise
Gerlach UJ: Gelenkinfektion.
OUP 2017; 12: 618–622 DOI 10.3238/oup.2017.0618–0622

Abstract: Joint infections can pose severe complications that result in irreversible joint destruction when treated inadequately. Reasons for joint infections consist in endogenous-haematological and exogenous factors. Our patients acquire their empyemas almost exclusively through iatrogenic measures (arthroscopic operations, punctures, intraarticular infections) or as a result of near joint fractures and penetrating injuries. To diagnose correctly, a joint puncture with a direct swab test is necessary in addition to laboratory examinations, x-ray and MRI examinations. The amount of leucocytes is to be determined (boundary value: 25.000/?l) as well as a gram stain to identify existing bacteria. Acute joint infections are to be considered orthopaedic emergencies that have to be operated at once, since irreversible cartilage damage can result quickly due to the pathophysiological process. The acute joint empyema is to be treated arthroscopically. Clinical symptoms lasting more than 7 days indicate chronic empyemas. Chronic empyemas should be treated by arthrotomy, synovectomy and the removal of extraneous material including cruciate ligament replacements. Postoperatively, an immediate intensive physiotherapy is necessary, even under the use of pain catheters. The transfer to a center for septic surgery is advisable.

Keywords: acute empyema, arthroscopic treatment, chronic joint empyema, arthrotomy

Citation
Gerlach UJ: Joint infections.
OUP 2017; 12: 618–622 DOI 10.3238/oup.2017.0618–0622

Einleitung

Eine Infektion eines Gelenks ohne einliegende Endoprothese führt unbehandelt zur Zerstörung des Gelenks.

Eine Gelenkinfektion ist definiert als Befall eines Gelenks durch pathogene Erreger, meistens Bakterien, mit einer sich anschließenden Entzündung. Pilzbedingte Gelenkinfektionen sind nur bei immungeschwächten Personen bekannt.

Für die Entstehung einer Gelenkinfektion sind exogene und endogene Ursachen zu unterscheiden [7]. Die endogenen Faktoren stellen nach Literatur [19] die häufigste Ursache für eine Gelenkinfektion dar. Meistens handelt es sich um hämatogene Streuung im Rahmen einer Bakteriämie. Die Infektion wird dann durch die Kombination von prädisponierenden Faktoren und Bakteriämie ausgelöst.

In unserem Patientengut überwiegen in 95 % die exogenen Faktoren. Als Ursache sind zu nennen gelenknahe Frakturen, vor allem gelenknahe offene Frakturen, oder perforierende Verletzungen. Häufigerer Grund für Gelenkinfektionen in unserem Patientengut sind diagnostische Arthroskopien und arthroskopische Operationen (Inzidenz 0,04–0,42 %) [2, 6, 20], Gelenkpunktionen, intra- oder paraartikuläre Injektionen (Inzidenz 0,003–0,42 %) [1, 7, 10, 12] oder Arthrotomien (Inzidenz ? 1 %) [1, 8, 16]. Seltener sind Gelenkinfektionen bedingt durch paraartikulär fortgeleitete Infekte, wie z.B. eine verschleppte Bursitis.

Nach Eintritt eines bakteriellen Erregers in den Kniebinnenraum kommt es zu einer intraartikulären Erregervermehrung und zur Anreicherung von Stoffwechselprodukten bzw. Toxin. Zu beobachten ist nach 24 Stunden die Freisetzung lysosomaler Enzyme, nach 48 Stunden klinischer Infektbeginn. Im Verlauf kommt es zur Freisetzung von Glucosaminen und Leukozytenproteinasen [11]. Nach 5 Tagen ist der Beginn der Knorpelzerstörung zu beobachten, welche nach 10 Tagen irreversibel ist. Bereits nach 3 Tagen kommt es zu einer Synoviahypertrophie, nach 11 Tagen zur Pannusbildung. Am 17. Tag nach Infektbeginn ist ein Kapseldurchbruch festzustellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Arthroserate einen deutlichen Anstieg bereits am 3. Tag nach Beginn der Gelenkinfektion zeigt.

Diagnosestellung

Die Diagnosestellung eines akuten Gelenkinfekts ist oft einfacher als die Diagnosestellung eines chronischen Gelenkinfekts.

Die akute Gelenkinfektion läuft klinisch viel eindrucksvoller, die bekannten klinischen Entzündungszeichen (Rubor/Calor/Dolor/Functio laesa) (Abb. 1) sind häufig und eindrucksvoll vorhanden. Die plötzlich aufgetretene schmerzhaft aufgehobene Beweglichkeit des betreffenden Gelenks, verbunden mit erhöhten Temperaturen, ist typisch für die akute Gelenkinfektion. Bei der chronischen, schon lange Zeit bestehenden Gelenkinfektion können die klinischen Entzündungszeichen fehlen oder nur deutlich abgeschwächt vorhanden sein (Abb. 2). Für die Diagnostik wichtig ist eine genaue Anamneseerhebung mit Befragung nach vorausgegangenen, auch längere Zeit zurückliegenden Gelenkpunktionen oder intraartikulären Injektionen sowie durchgeführten Arthroskopien. Selbstverständlich muss auch nach Grunderkrankungen wie u.a. Diabetes mellitus, PCP, möglichen gelenkfernen Streuherden (Tonsilitis, Otitis, Harnwegsinfekt) oder immunsuppressiven Medikamenten gefragt werden. Vorliegende endogene, systemische Komorbiditäten wie Diabetes mellitus oder primär chronische Polyarthritis, Adipositas, Nikotin-, Drogen- und Alkoholabusus, konsumierende Erkrankungen, vorliegende Infektionserkrankungen, ein Lebensalter über 65 Jahre und immunmodulierende Medikamente erhöhen das Risiko der Infektentstehung. Differenzialdiagnostisch ist an Erkrankungen wie artikuläre Manifestation einer gastrointestinalen Infektion (Salmonellen, Yersinien, Shigellen, Campylobacter), einer Polyarthritis, einer aktivierten Arthrose, der Gichtarthropathie, einer Begleitinfektion einer viralen oder bakteriellen Erkrankung, einer Bursitis oder seltene Erkrankungen wie das hereditäre Mittelmeerfieber zu denken.

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