Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Gelenkinfektion*

Die Laborparameter (Leukozyten/CRP/BSG) [17] zeigen nur bei einer vorliegenden Frühinfektion eine deutliche Erhöhung. Bei chronischen Gelenkinfektionen sind diese genannten Laborparameter wenig aussagekräftig, haben allenfalls hinweisenden Charakter.

Ein wichtiger Baustein in der Diagnostik der Gelenkinfektion ist die Gelenkpunktion. Die Inspektion des aspirierten Punktats lässt differenzialdiagnostische Überlegungen zu. Das Punktat kann serös, serös-flockig, trübe bis eitrig sein. Ein Teil des Gelenkpunktats sollte zur bakteriologischen Untersuchung in ein mikrobiologisches Labor verschickt werden. Ein weiterer Teil des Gelenkpunktats sollte unter Gramfärbung im Mikroskop untersucht werden. Zu überprüfen ist die Leukozytenzahl im Punktat. Bei Leukozyten im Punktat ? 25.000/?l [5] ist von einem Infektgeschehen auszugehen. Sollte im Punktat der Erregernachweis gelingen, so wäre die Diagnose der Gelenkinfektion gestellt [21]. Bei klinisch eindeutiger OP-Indikation kann auf eine Gelenkpunktion verzichtet werden.

Als bildgebende Verfahren zur Diagnostik eines Kniegelenkinfekts sind die Röntgen-Nativuntersuchung, die Sonografie und die Kernspintomografie zu nennen. Die konventionelle Röntgenaufnahme zeigt im Frühinfekt keinen Hinweis auf entzündliche Veränderungen, mit Ausnahme von Lufteinschlüssen bei perforierenden Verletzungen oder bei einer Infektion mit gasbildenden Keimen. Eine Röntgenuntersuchung sollte bei einliegenden Implantaten durchgeführt werden, um eine mögliche Lockerung oder Dislokation auszuschließen. Bei der chronischen Gelenkinfektion zeigen sich Veränderungen wie Sequestrierung und Aufhellungen unterhalb des Knorpels, Defekte an der Knorpel-Knochen-Grenze, gelenknahe Knochendestruktionen, Luxations- oder Subluxationsstellung, Arthrose oder eine Ankylose [4]. Kernspintomografisch zeigt sich meist ein Ödem des angrenzenden Knorpels und der meist bereits klinisch bekannte Erguss [4, 15]. Die Synoviahypertrophie ist im MRT gut zu diagnostizieren (Abb. 3). Die Sonografie [4, 15, 14] kann den klinisch schon bekannten Gelenkerguss nachweisen, aber auch eine Synoviaverdickung lässt sich durch Ultraschall feststellen. Die CT-Untersuchung sowie die Drei-Phasen-Skelettszintigrafie haben in der Diagnostik einer Gelenkinfektion eine nachgeordnete Bedeutung [4, 15].

Zusammenfassend ist zu sagen, dass für die Diagnosestellung einer Gelenkinfektion die Anamnese, die klinischen Symptome, Laboruntersuchungen, die Gelenkpunktion und Sonografie bzw. MRT entscheidend sind. Die Nativ-Röntgenuntersuchung ist zur Diagnose der akuten Gelenkinfektion nicht geeignet.

Therapie

Ziel der Therapie von Gelenkinfektionen ist die dauerhafte Infektberuhigung und der Erhalt eines stabilen Gelenks sowie der Erhalt einer belastungsfähigen Extremität. Die Mobilität des Patienten soll möglichst wiederhergestellt und die berufliche und soziale Wiedereingliederung ermöglicht werden. Die Therapie der akuten Gelenkinfektion unterscheidet sich von der Therapie der chronischen Infektion. Aufgrund der o.g. pathophysiologischen Veränderungen liegt eine akute Infektion dann vor, wenn die erstmalige Manifestation der klinischen Symptome bis zu 7 Tage besteht. Danach liegt per definitionem eine chronische Gelenkinfektion vor [11].

Die Behandlung von akuten Gelenkinfektionen stellt einen unfallchirurgischen Notfall dar! Die akute Gelenkinfektion bedarf der sofortigen operativen Intervention von einem darin erfahrenen Operateur.

Die Diagnosestellung einer Gelenkinfektion ist zu erzwingen, die Behandlung hat zeitnah, radikal und mit Konzept zu erfolgen. Verzögerungen in der Diagnostik oder eine insuffiziente Therapie führen zu einer ausbleibenden Infektberuhigung mit desaströsen Folgen für den Patienten wie Chronifizierung des Infekts, Knorpeldestruktion und Ankylose. Die Aufarbeitung von 90 Patienten, die mit Schultergelenkempyem bei uns behandelt wurden, ergab vor Übernahme eine Dauer der Behandlung von durchschnittlich 123 Tagen mit durchschnittlich 5,5 (1 bis > 20) Vor-OP (ohne Primär-OP). Ähnliche Ergebnisse erbrachte die Analyse von 84 Patienten mit chronischem Kniegelenkempyem. Die durchschnittliche Dauer der Vorbehandlung vor Aufnahme bei uns lag bei diesem Patientenklientel bei durchschnittlich 90 Tagen (11–600 Tage) mit im Mittel 4,5 (0–12) durchgeführten Voroperationen.

Für den Behandlungserfolg ist das radikale chirurgische Vorgehen entscheidend. Die richtige Behandlung ist nicht nur davon abhängig, ob eine akute und chronische Infektion vorliegt, sondern auch von der Vorbehandlung und Infektausdehnung sowie dem Ausmaß der Gelenkschädigung. Bei der stadienadaptierten Behandlung [9, 13, 21] stehen das arthroskopische oder das offene Behandlungsverfahren zur Auswahl. Akute Empyeme werden arthroskopisch behandelt, chronische Empyeme in der Regel offen chirurgisch. Bereits offen vorbehandelte Empyeme werden offen weiterbehandelt, Gelenkinfektionen mit Infektion des gelenknahen Knochens können nicht arthroskopisch behandelt werden, auch hier ist eine offene Behandlung notwendig. Die arthroskopische Behandlung ist sinnvoll und indiziert bei akutem Empyem und Empyemen Stadium I und II nach Gächter [18] (I: Synovialishyperämie und Erguss, II: Synovialishypertrophie, Eiteransammlung im Gelenk). Die Arthrotomie zur Behandlung einer Gelenkinfektion ist notwendig bei chronischem Empyem und bei Empyem Stadium III und IV nach Gächter (III: Synovialisschwamm und beginnender Knorpelschaden, IV: Synovialis“malignität“). Die arthroskopische Behandlung bedarf einer sorgfältigen Inspektion des Gelenks. Ein radikales Debridement [21, 9, 20] ist erforderlich, ebenso die Lavage mit mindestens 10 Liter Flüssigkeit und die Einlage von Antibiotikumträgern. Diese antibiotikumhaltigen Vliese können über den Arbeitstrokar in das Gelenk eingebracht werden. Bei Infektion nach Vorderkreuzbandersatzplastik sollte die Erhaltung des Kreuzbandersatzes versucht werden, wenn dieses stabil einliegt [3]. Bei der Behandlung von akuten Empyemen kann in Abhängigkeit vom klinischen Befund und den Laborwerten eine geplante Second-look-Operation nach 48–72 Stunden sinnvoll sein. Typischerweise ist die operative Therapie bei dem akuten Gelenkinfekt dann erfolgreich, wenn der Patient postoperativ von einer Schmerzlinderung bei geändertem Schmerzcharakter und bei gebesserter Gelenkfunktion berichtet.

Bei fortgeschrittenen Gelenkinfektionen sollte, wenn die Behandlung arthroskopisch begonnen wurde, frühzeitig der Umstieg auf ein offenes Verfahren durchgeführt werden. Die Gefahr der Arthroskopie liegt darin, dass häufig das Problem unterschätzt wird. Es resultiert eine nicht ausreichend radikale Behandlung der Gelenkinfektion.

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