Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Gelenkinfektion*

Beim offenen chirurgischen Vorgehen sollte die Arthrotomie so durchgeführt werden, dass das zu adressierende Gelenk adäquat radikal debridiert werden kann (Payr-Zugang am Kniegelenk, bilateraler Zugang zum Ellenbogengelenk und oberen Sprunggelenk). Am Schultergelenk ist zumindest bei chronischen Infektionen neben dem ventralen Zugang der dorsale Zugang erforderlich, um das notwendige radikale Debridement durchführen zu können. Ein Hüftgelenkempyem sollte stets offen chirurgisch über einen Zugang behandelt werden, nicht arthroskopisch. Bei der offenen chirurgischen Behandlung ist die radikale Synovialektomie (Abb. 4) notwendig. Begleitende Infektionen von gelenknahem Knochen müssen durch radikale Sequestrektomie in gleicher Sitzung mitbehandelt werden [18, 23]. Bei septischer Nekrose des Hüftkopfs oder des Humeruskopfs ist eine Resektionsarthroplastik erforderlich. Einliegende Implantate und vorhandener Kreuzbandersatz müssen entfernt werden (Abb. 5). Nach radikalem Debridement erfolgt die Einlage lokaler resorbierbarer Antibiotikumträger. Das Gelenk wird verschlossen, entnommenes Gewebematerial zur bakteriologischen und histologischen Untersuchung verschickt. Eine kurzfristige systemische Antibiose (7–10 Tage) ist postoperativ erforderlich.

Die postoperative Physiotherapie ist entscheidend und unerlässlich [21]. Zunächst unter ausreichender Schmerzmedikation, ggf. auch unter Schmerzkatheterbehandlung, erfolgt die Umlagerung auf einer Kirschnerschiene, später die Behandlung mit der Motorschiene und aktive Übungsbehandlung. Hilfsmittelversorgung, ggf. Einleitung berufshelferischer Maßnahmen können im Verlauf notwendig werden. Die begonnene Physiotherapie sollte unbedingt auch nach Entlassung aus der stationären Behandlung fortgeführt werden. Am Hüft- und Schultergelenk kann zweizeitig, bei sicherer Infektberuhigung nach 4–6 Wochen die Implantation einer entsprechenden Endoprothese erfolgen.

Zusammenfassung

Bei Verdacht auf Gelenkinfektionen ist eine Diagnose zu erzwingen. Eine akute Gelenkinfektion stellt einen unfallchirurgischen Notfall dar.

Die Behandlung hat stadienadaptiert zu erfolgen, entweder arthroskopisch oder offen chirurgisch. Für den Behandlungserfolg ist das radikale chirurgische Vorgehen entscheidend. Bei fortgeschrittenen Gelenkinfektionen sollte, wenn arthroskopisch begonnen wurde, frühzeitig der Umstieg auf ein offenes Verfahren durchgeführt werden. Die Gefahr der Arthroskopie liegt darin, dass häufig das Problem unterschätzt wird. Bei chronischem oder voroperiertem Empyem ist das offene Vorgehen erforderlich, hier ist ein arthroskopisches Vorgehen nicht sinnvoll. Die Synovektomie hat radikal zu erfolgen. Entscheidend für die Infektberuhigung ist das radikale operative Vorgehen. Die Einlage lokaler Antibiotikumträger und die kurzzeitige systemische Antibiose sind unterstützend und entbinden nicht von der Notwendigkeit einer radikalen chirurgischen Behandlung.

Nach operativer Behandlung ist der sofortige Beginn einer intensiven Übungsbehandlung unerlässlich für das funktionelle Ergebnis.

Bei weitgehender Gelenkzerstörung und/oder persistierender Instabilität ist die Arthrodese indiziert.

Gelenkinfektionen werden nicht selten zu spät erkannt und nicht suffizient chirurgisch behandelt. Konsequenz hieraus sind lange Krankheitsverläufe mit vielen frustranen Vor-OPs und ein schlechteres funktionelles Ergebnis. Das Heilverfahren und der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit dauern länger an, es resultiert in der Regel eine höhere MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit). Sinnvoll ist deswegen die frühzeitige Verlegung in ein Septisches Zentrum.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. Ulf-Joachim Gerlach

Abteilung für Septische Unfallchirurgie und Orthopädie

BG-Klinikum Hamburg

Bergedorfer Str. 10

21033 Hamburg

u.j.gerlach@bgk-hamburg.de

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