Originalarbeiten - OUP 09/2013

Gelenkinfektionen in der orthopädischen Rheumatologie

A. Schöniger1, M. Henniger1, S. Rehart1

Zusammenfassung

„Rheumatiker“ prädestinieren wesentlich häufiger für eine Infektion als Patienten ohne eine systemisch-entzündliche Erkrankung, insbesondere das Risiko für Gelenkinfektionen ist signifikant erhöht. Die schnelle und sichere Detektion einer bakteriellen Besiedelung ist wichtig für die Therapie und deren Erfolg. Zur adäquaten Vorbereitung einer OP gehören das perioperative Medikamentenmanagement sowie die Kontrolle möglicher Infektfoci. Wichtige Parameter hierbei sind: Anamnese, klinischer Befund, anatomische Region, beteiligte Strukturen, Laborparameter (z.B. CRP, BSG, Leukozyten), weitere apparative Diagnostik (Sonografie, Röntgen, MRT, Szintigrafie, etc.), Blutkulturen und Punktionen mit
Synoviaanalyse und Abstrich. Meist bedarf es der Zusammenschau vieler Untersuchungsverfahren, um die Diagnose zu stellen. Abschließende Sicherheit bietet nur das operative Vorgehen mit intraoperativem Abstrich/Histologie. Die Basis jeder Behandlung ist die chirurgische Infektsanierung, begleitet von einer Antibiotikatherapie. Die operative Intervention erfolgt radikal, auch in Bezug auf umliegendes Gewebe. Bei Protheseninfektionen können Akut- (< 3 Monate), Früh- (< 2 Jahre) und Spät-Infekte (> 2 Jahre) unterschieden werden, mit Auswirkung auf die Therapiestrategie.

Schlüsselwörter: Rheuma, Infektionen, Gelenkpunktion,
Antibiotikatherapie, Prothesenwechsel

 

Zitierweise

Schöniger A, Henniger M, Rehart S: Gelenkinfektionen in der
orthopädischen Rheumatologie, OUP 2013; 9: 396–399,
DOI 10.3238/oup.2013.0396–0399

 

Abstract

“Rheumatic“ patients are prone to a much higher rate of infections than “normal” patients, especially the risk of infections of joints is significantly increased. Important for the therapy and its success is a fast and secure detection. Preoperative drug management and a precise examination of the patient play an important role for the preparation of an operation.

To confirm the suspicion of infection it is important to check the clinical evidence, the laboratory parameter and further diagnosis like ultrasound, x-ray, and other findings. Most important is the punction of the joint with synovia-analysis and differentiation of cells. Only surgery combined with swab and histology may lead to the final guarantee of the according bacteria; in addition it is the foundation of any treatment of an infection, combined with antibiotic therapy. The infection of prostheses could be differentiated in acute (< 3 months), early (< 2 years) and late (> 2 years) stages, with consequences concerning treatment.

Keywords: rheumatoid arthritis – infections – puncture of joint – antibiotic therapy – prosthesis replacement

 

Citation

Schöniger A, Henniger M, Rehart S: Infections of joints in orthopedic rheumatology, OUP 2013; 9: 396–399,
DOI 10.3238/oup.2013.0396–0399

Einleitung

Die Infektion stellt ein übergreifend präsentes Thema in der Orthopädie und Unfallchirurgie dar. Bestimmte Patientengruppen sind bevorzugt betroffen und bedürfen deshalb einer besonderen Beachtung.

Patienten mit geschwächtem Immunstatus, z.B. bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (sog. „Rheumatiker“), prädestinieren wesentlich häufiger für eine bakterielle Infektion als der Normalpatient, so ist das Risiko bei einem Gelenkersatz signifikant erhöht [1]. Jeder zweite Patient mit rheumatoider Arthritis wird binnen 12 Jahren wegen einer allgemeinen oder lokalen Infektionskrankheit stationär behandelt [2]. Generelle Risikofaktoren sind: hohes Alter, Komorbidität (z.B. Diabetes mellitus, HIV etc.), Hautläsionen, Untergewicht, chronisch entzündliche Erkrankung u.a. [3]. Patienten mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises stehen zudem vielfach unter einer Medikation, die das Ausbreiten einer Infektion begünstigt, z.B. Basismedikation (DMARDs), Cortison, Biologika.

Häufige operative Eingriffe beim Rheumatiker bestehen in Implantationen von Gelenkprothesen an ganz unterschiedlichen Körperregionen. Hier ist bereits in der Normalpopulation ein Risiko von 1–2 % vorhanden, eine Infektion der Prothese zu erleiden. Dieses kann beispielsweise bei Wechseloperationen auf bis zu 40 % ansteigen [4]. Die hohe Gefahr der Entwicklung einer Sepsis kann bei diesen chronisch konsumierenden Erkrankungen sogar mit letalem Ausgang vergesellschaftet sein. Besteht der Verdacht auf eine Infektion, ist der umgehende Beginn der Behandlung von herausragender Bedeutung und daher die schnelle und zuverlässige Detektion unerlässlich.

Elektiveingriffe sollten unter bestmöglicher Verfassung des Rheumapatienten erfolgen, was ein individuell angepasstes perioperatives Medikamentenmanagement erfordert, genau wie die Kontrolle möglicher Infekt-Foci (Haut, Zähne, Lunge, Ulzera, etc.) [5]. Der adäquate Impfstatus ist zu verifizieren. Hierbei sollten neben dem Basisschutz auch Pneumokokken-/Meningokokken- und Influenza-Impfungen bedacht werden. Lebendimpfungen sind unter immunsuppressiver Therapie kontraindiziert.

Diagnostisches Vorgehen

Einen Goldstandard für das Stellen der Diagnose gibt es nicht. Wichtige Parameter sind Anamnese, klinischer Befund, anatomische Region, beteiligte Strukturen, Laborparameter (z.B. CRP, BSG, Leukozyten), weitere apparative Diagnostik (Sonografie, Röntgen, MRT, Szintigrafie, etc.), Blutkulturen und Punktionen mit Synoviaanalyse und Abstrich (mit herausragender Bedeutung bei Gelenkinfektionen).

Bei gesicherter Infektion, bzw. begründetem Verdacht stellt die chirurgische Infektsanierung die Basis jeder Behandlung von Knochen- und Gelenkinfektionen dar. Behandlungsziele sind hierbei [6]:

  • Eradikation bzw. Infektberuhigung an Knochen und Weichteilen,
  • Wiederherstellung bzw. Erhalt eines belastbaren Knochens bzw. funktionsfähigen Gelenks,
  • Wiederherstellung bzw. Erhalt der bestmöglichen Lebensqualität.

Der umgehende Beginn der Behandlung ist entscheidend, beispielsweise kann die Inokulation von Staphylokokkus aureus innerhalb von Stunden zu irreversiblen Veränderungen an Knochen bzw. Gelenken führen.

Laborparameter wie CRP, BSG und Leukozyten zeigen eine gute Sensitivität bei schlechter Spezifität, können zudem durch Medikamente maskiert sein (z.B. IL-1-Rezeptorantagonisten). Bei unklarem Verdacht ist ein Abstrich zu erzwingen.

Beim Rheumatiker einen lokalen Infekt von einem Schub sicher zu differenzieren, kann schwierig sein. Hier könnte die Messung von CD-64-Expression auf der Oberfläche von Neutrophilen (Spezifität 94,4 %, Sensitivität 76 %) hilfreich sein und unnötige Therapien vermeiden. Cave: Affektion der CD-64-Expression bei interstitieller Pneumonie, M. Behcet, SLE etc. [7].

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