Originalarbeiten - OUP 09/2013

Gelenkinfektionen in der orthopädischen Rheumatologie

Besonders schwierig ist die Differenzierung zwischen septischer und aseptischer Prothesenlockerung. Hier ist die Punktion mit Keimnachweis (Cave: 40–65 % falsch negativer Befund [7]) bzw. die Bestimmung der Zellzahl und Leukozytendifferenzierung der Goldstandard. Laborchemisch zeigt sich bei der septischen Lockerung eine signifikante Erhöhung von Interleukin-6 und sICAM (soluble intercellular adhesinemolecule-1), BSG, CRP, Leukozyten (so nicht maskiert). Procalcitonin eignet sich nicht als Marker bei der Differenzierung [8], kann aber bei septischen Prozessen mit systemischer Komponente hilfreich sein. Die PET ist zurzeit noch keine sichere Alternative, bei hoher Sensitivität zeigt sich nur eine geringe Spezifität mit falsch-positiven und falsch-negativen Befunden [9]. Die 3-Phasen-Szintigrafie bzw. die leukozytenmarkierte Szintigrafie sind gute Verfahren, um einen Verdacht zu erhärten. Meist bedarf es der Zusammenschau vieler Untersuchungsverfahren, um die Diagnose zu stellen. Abschließende Sicherheit bietet nur das operative Vorgehen mit intraoperativem Abstrich/Histologie.

Infektbehandlung

Primäres Vorgehen ist die chirurgische Sanierung. Eine insuffiziente Chirurgie kann nicht durch den Einsatz von Antibiotika ausgeglichen werden [10].

Die erfolgreiche Behandlung beruht auf 3 Säulen [6]:

  • 1. konsequente chirurgische Infektsanierung,
  • 2. Kenntnis und Einsatz von Antibiotika (ungezielt/gezielt),
  • 3. Kenntnis und Einsatz adjuvanter Maßnahmen.

Chirurgische Infektsanierung

Das frühzeitige chirurgische Vorgehen ist von höchster Priorität. Hierbei ist wesentlich, dass nicht nur infizierte Knochen- bzw. Gelenkareale entfernt/débridiert, sondern ebenfalls die Weichteile adressiert werden, gleich welcher Art (Sehnen, Muskeln, Gefäße, Nerven) [10]. Ein einzeitiges Vorgehen mit primärem Wundverschluss ist selten indiziert und bleibt Ausnahmen vorbehalten. Mittel der Wahl ist ein mehrzeitiges Vorgehen mit temporärem Wundverschluss (Feuchtverband, Vakuumversieglung etc.) bis ein keimfreier Nachweis gelingt.

Im Anschluss an die Infektberuhigung ist eine Weichteilrekonstruktion anzustreben. Sie ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Knochenheilung/-rekonstruktion. Hier reichen die Möglichkeiten von der Meshgraft-Plastik bis zu mikrovaskularisierten Muskellappen und sind von folgenden Kriterien abhängig [11]:

  • geplante oder vorhandene Osteosynthese,
  • Lokalisation und Ausmaß des Weichteildefekts,
  • Durchblutungssituation,
  • Compliance des Patienten.

Basierend auf der Kenntnis, dass Instabilitäten eine Infektion unterhalten bzw. wieder aktivieren können, ist während der gesamten Therapie eine mechanische Stabilität der befallenen Areale zu fordern [10]. Die Mittel reichen hier von einer Schienenversorgung bis zum Fixateur externe. Die Antibiotikatherapie erfolgt begleitend, zunächst ungezielt (häufigste Erreger bei Weichteilinfektionen: Staph. aureus und epidermidis) und – sobald vorhanden – nach Antibiogramm gezielt. Meist erfolgt die Therapie über Wochen, bis zur endgültigen Ausheilung.

Protheseninfekt

Die Infektionen der Gelenke bei liegenden Endoprothesen lassen sich auch bei rheumatischen Erkrankungen unterschiedlich einteilen, wodurch das therapeutische Vorgehen beeinflusst wird [12].

Nach Ursache:

  • hämatogen (z.B. vereiterte Zähne),
  • per continuitatem (z.B. ulzerierte Rheumaknoten oder Bursitiden),
  • exogen (z.B. nach (Steroid-) Injektionen).

Nach dem Zeitpunkt nach Implantation:

  • akute Infekte (bis zu 3 Monate),
  • frühe Infekte (bis zu 2 Jahre),
  • späte Infekte (nach 2 Jahren).

Akuter Infekt

Wichtig ist es, bei lokalen Entzündungszeichen einen bakteriellen von einem abakteriellen Prozess (Hämatom, rheumatischer Schub) zu unterscheiden. Diagnostisches Mittel der Wahl ist die Punktion mit Abstrich und Analyse (Zellzahl/-differenzierung). Bei Infektnachweis ist das sofortige operative Vorgehen angezeigt. Je nach Region kann dieses arthroskopisch (z.B. Knie), bzw. offen (z.B. Fingergelenke) mit ggf. temporärem Verschluss (z.B. Vakuum-Versiegelung) ausgeführt werden. Es erfolgt die mechanische Entlastung mit Spülung, Jet-Lavage, Débridement, Einbringen lokaler Antibiotikaträger, großlumigen Drainagen. Bei offenem Vorgehen ist in der Frühphase der Wechsel von Polyäthylenanteilen angezeigt [12]. Begleitend zur chirurgischen Intervention hat eine Antibiotikumtherapie zu erfolgen, zunächst mit einem Breitspektrum-Antibiotikum mit Switch zur gezielten Therapie nach Antibiogramm.

Je nach Ausprägung kann bei akuter Infektion der Versuch unternommen werden, die Endoprothese zu erhalten, vorausgesetzt, sie ist sicher verankert. U.U. ist auch ein einzeitiger Prothesenwechsel denkbar. Übliches Vorgehen ist jedoch der Ausbau kombiniert mit o.g. Vorgehen, gezielte Antibiotikumtherapie, ggf. Revisionen und – nach sicherer Infektsanierung – Re-Implantation, bzw. ein anderes Verfahren zur Rekonstruktion (z.B. Arthrodese). Intermediär können Zementspacer zum Einsatz kommen, vor allem bei Infektionen von Knie-Endoprothesen. Hier gibt es verschiedene Verfahren (freihändig, vorgefertigte Gussformen, konfektionierte Spacer). Ziel ist die Erhöhung der lokalen Antibiotikumkonzentration mit möglichst erhaltener Beweglichkeit. Eine krankengymnastische Beübung zur Kontrakturprophylaxe ist obligat.

Bei den intraoperativ hergestellten Spacern können verschiedene Antibiotika beigemischt werden, konfektionierte Spacer erlauben meist nur die Abgabe eines Medikaments. Da die direkte Artikulation von Zement auf Zement zu Abrieb und damit zu Synovialitiden führen kann, ist eine Belastung meist nicht möglich [13].

Das Monitoring bis zur Replantation gestaltet sich schwierig, eine definitive Infektsanierung ist schwer zu quantifizieren. Laborparameter wie CRP, BSG, Leukozyten eignen sich nur bedingt oder gar nicht. Persistierend hohe Werte lassen keinen sicheren Rückschluss zu, auch die Normalisierung von BSG und CRP schließt eine persistierende Infektion nicht aus [14]. Sicherstes diagnostisches Mittel ist die wiederholte Punktion mit Zellzahl und Leukozytendifferenzierung, wobei die iatrogene Inauguration von Keimen in ein ohnehin vorgeschädigtes Gewebe unbedingt vermieden werden muss.

Chronischer Infekt

Wie bereits beim „diagnostischen Vorgehen“ angesprochen, ist die Detektion einer chronischen Infektion, bzw. einer septischen Lockerung (Spätinfektion) Gegenstand von Forschung und aktuell nur unter Zusammenschau zahlreicher Faktoren ausreichend sicher möglich.

Besteht der berechtigte Verdacht und ist ein einmaliges Spülen (in der Frühphase) erfolglos, so steht die Indikation zur Prothesenexplantation und radikalem Débridement, Jet-Lavage, Einlage lokaler Antibiotikaträger etc., mit der Intention einer 2-zeitigen Replantation.

Es hat sich gezeigt, dass gerade der häufige Befall mit Staphylococcus aureus für ein Therapieversagen bei Versuch des Prothesenerhalts spricht und bevorzugt ein 2-zeitiger Wechsel angestrebt werden sollte [15]. Möglicherweise eingebrachte Zementspacer sollten nur temporär liegen bleiben, um eine Resistenzentwicklung zu vermeiden.

Prophylaxe

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