Wissenschaft - OUP 06/2017
Göbel D, Drollinger A, Drollinger F: Reduktion der Wirbelsäulenbelastung im Golfsport, OUP 2017; 2: 100–107
Nach OUP-Richtlinien veröffentlichen wir diesen Leserbrief zu dem Beitrag aus der OUP 2-2017 und beenden die Diskussion zu diesem Thema, da Auseinandersetzungen über Golftechniken nicht zu unseren zentralen Themen gehören.
Ihre OUP-Schriftleitung
Leserbrief von
Stefan Quirmbach
In der Zeitschrift OUP, herausgegeben vom Deutschen Ärzteverlag, wurde in der Ausgabe 2–2017 auf den Seiten 100–107 eine Arbeit mit dem Titel „Reduktion der Wirbelsäulenbelastung im Golfsport“ veröffentlicht, verfasst von Dietmar Göbel, Andrea Drollinger und Frank Drollinger. In der Zusammenfassung wird gefordert, die „Ben-Hogan-Methode … durch die Core-Balance-Methode“ zu ersetzen.
Beim Studieren dieser Arbeit ergeben sich sehr viele Fragen zu der wissenschaftlichen Herleitung, und zudem werde ich aufzeigen, dass es weder eine Ben-Hogan-Methode gibt, noch dass es sich bei der Core-Balance-Methode um eine neue Schwungmethode handelt.
Im Folgenden werde ich auf einzelne Passagen, Bilder und Grafiken detailliert eingehen:
1. Im ersten Satz der Einleitung auf der Seite 101 behaupten die Autoren, dass es wissenschaftlich erwiesen sei, dass „bei bis zu 100 % der Golfsportler in ihrer Laufbahn Wirbelsäulen und/oder Hüftbeschwerden auftreten, bzw. dass ca. 55 Millionen Golfer von Rückenproblemen betroffen sind.“ Als Quelle wird die Arbeit genannt von Kim SB, You MSJH, Kwon OY, YI CH: Lumbopelvic Kinematic Characteristics of Golfers with limited hip Rotation. AM J. Sports Med, 2014.
In der zitierten Arbeit wurden 30 professionelle Golfer mit unterschiedlicher Beweglichkeit in der Hüftrotation untersucht. Dabei kam heraus, dass die professionellen Golfer mit geringeren Hüftrotationen zu ungünstigen Bewegungen im Lendenbereich neigen (“The study data suggest that constraints to hip joint internal rotation, along with muscle strength imbalances between the agonist and antagonist muscles and muscle tightness, are associated with substantially greater lumbopelvic movement during the golf swing.”).
In der Studie gibt es keinerlei Hinweise auf die Übertragung dieser Erkenntnis auf 55 Millionen Golfer. Ebenso ist die Zahl 55 Millionen Golfer eine mehr als grobe Schätzung aller Golfspieler auf der Welt, also der Profis und auch der deutlich in der Mehrzahl befindlichen Amateurgolfer, männlich wie weiblich, die in der zitierten Arbeit nicht untersucht wurden. Für diese Behauptung gibt es daher keinen wissenschaftlichen Beweis, das ist Polemik.
2. Dritter Absatz der Einleitung „... ein zu breiter Stand aufgrund von muskulären oder Gelenk-verursachten Dysbalancen, z.B. Arthrose oder Dysplasie und die Gewichtsverlagerungen im Rückschwung gelten nach Kim et. al. wie auch Wadsworth und Vad et. al. und der Arbeitsgruppe Murray als die Hauptursache der Lendenwirbelschäden und -schmerzen.“
Die zitierten Studien erwähnen nicht einen „zu breiten Stand“ oder die „Gewichtsverlagerungen im Rückschwung“. Voraberkrankungen wie Arthrose oder Dysplasie sind unmittelbar als eigene Krankheitsbilder einzustufen, für die es individuelle Lösungen zu erarbeiten gilt. Die Arbeitsgruppe Murray hat in ihrer Zusammenfassung den direkten Zusammenhang zwischen Schmerzen in der LWS und der Hüft-Rotation verneint (“Conclusion: Although there is lack of causality between LBP and hip rotation, the deficit in lead leg medial hip rotation in amateur golfers who suffer LBP may be relevant for screening or treatment selection.”).
3. Fünfter Absatz der Einleitung: „Die klassische Golf-Bewegungsmethode wurde 1957 im Buch „5 Lessons“ durch Ben Hogan veröffentlicht und zeichnet sich durch folgende Bewegungs-Kernprinzipien aus:
- Dysbalance
- Beckenschiefstand
- Laterale Scherkräfte
- Eingeschränkte Becken- und Hüftrotation durch breiten Stand
- Keine 3-D Beschreibung der kinematischen Kette“
Hierzu ist festzuhalten, dass es keine Ben-Hogan-Methode gibt. Golf wird seit mehr als 300 Jahren gespielt und es gab und gibt zu jedem Zeitpunkt Spieler oder Lehrer, die entweder ihren Schwungstil oder ihre Unterrichtsmethode in Büchern veröffentlichten. Ben Hogan hat in dem zitierten Buch die seiner Meinung nach 5 wichtigsten Fundamente des Golfschwungs veröffentlicht. Er war einer der meistbeachteten Spieler seiner Zeit und hatte die Gabe, seinen Schwung besonders gut zu beschreiben.
Dennoch gibt es keine Golfschule, die sich als „Ben Hogan Golfschule“ vermarktet. Es gibt allerdings eine große Vielzahl von anderen Golfschwung-Methoden, die sehr häufig auf andere als Ben Hogans Ideen verweisen, wie z.B. die Natural-Swing-Methode“, die nach dem Vorbild des kanadischen Spielers Moe Norman gegründet wurde, oder wie z.B. eine aktuelle Schwungidee, die „Stack-and-Tilt“-Methode heißt oder auch die in Europas größter Golfschule angewandte U.G.L.S. Methode nach Prof. Dr. Dr. Manfred Grosser. Es ließen sich sicher noch mindestens 20 verschiedene bekannte Methoden auflisten, die sich stark voneinander unterscheiden.
In dem zitierten Buch von Ben Hogan ist jedoch nirgendwo die Rede von Dysbalance, ein Begriff der eigentlich nur bei muskulären Dysbalancen formell richtig angewendet wird. Ben Hogan fordert auch keinen breiten Stand, wie z.B. eine Methode des bekannten Golflehrers Jimmy Ballard, sondern er empfahl einen schulterbreiten Stand. Dies ist eine Aussage, die keine numerische Festlegung auf einen konkreten Abstand der Füße in Zentimeter hinweist.
Zudem ist das Buch von Ben Hogan mittlerweile 80 Jahre alt. Es ist ein Klassiker, der vor allem aufgrund der herausragenden Illustrationen immer wieder gerne gelesen wird. In der heutigen Zeit gibt es jedoch viele andere Bücher, die nicht nur auf der Selbstbeobachtung basieren, sondern auf Untersuchungen vieler Spieler, wie z.B. das Buch von Dr. Ralph Man „Play like the Pro“. Dabei ist der Pro ein Kunstwesen, das sich aus den Körpermaßen von mehr als 120 reellen Playing Pros zusammensetzt.
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