Übersichtsarbeiten - OUP 01/2021

Grenzen der arthroskopischen Arthrolyse – Alternative offene Arthrolyse
Welche Möglichkeiten gibt es?

Atesch Ateschrang, Ulrich Stöckle

Zusammenfassung: Konzentrische Bewegungseinschränkungen des Ellenbogens können sich sowohl auf dem Boden akuter, subakuter und chronischer Prozesse entwickeln. Betroffene Patienten und Sportler werden dabei erheblich beeinträchtigt, wobei eine erfolgreiche Behandlung anspruchsvoll sein kann. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Behandlungsstrategie ist die exakte Erfassung der zu Grunde liegenden Pathologie, um diese beheben zu können.
Die offene Arthrolyse ist ein bewährtes Vorgehen mit bekannten Nachteilen, insbesondere wenn die konservative Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt. Vor diesem Hintergrund wurde die arthroskopische Arthrolyse in den vergangenen 20 Jahren zunehmend entwickelt und stellt heute eine sichere Alternative dar. Um das ideale Vorgehen wählen zu können, sollte man beide Verfahren beherrschen. Insbesondere komplexe Fall-Konstellationen mit koinzidenten Instabilitäten machen zwei- und ggf. mehr-zeitige operative Interventionen notwendig, die offene und arthroskopische Techniken einschließen. Entscheidend für den Erfolg ist die suffiziente Erfassung der Pathophysiologie mit der daraus abzuleitenden Behandlungsstrategie.

Schlüsselwörter: Ellbogensteife, Arthrolyse, Narkosemobilisation, Arthroskopie, Ellbogen

Zitierweise: Ateschrang A, Stöckle U: Grenzen der arthroskopischen Arthrolyse – Alternative offene Arthrolyse. Welche Möglichkeiten gibt es? OUP 2021; 10: 008–013
DOI 10.3238/oup.2021.0008–0013

Summary: Elbow stiffness is a disabling condition that may be caused by acute, sub-acute or chronic entities. Affected individuals and athletes suffer from restrictions in the daily life, while a successful therapy still remains challenging. Basic requirements are a thorough analysis to rectify the pathophysiologic causes.
Open elbow arthrolysis is commonly recommended when conservative therapy has failed, knowing the disadvantages. Therefore, in the past 20 years the arthroscopic procedure has been developed and is meanwhile an accepted and save alternative procedure. It is mandatory to be skilled in both techniques for choosing the best surgical strategy. Especially complex case constellations may need a multi staged procedure including open or arthroscopic interventions. Paramount for a successful therapy is a detailed analysis to eliminate the identified pathophysiologic causes.

Keywords: stiff elbow, arthrolysis, manipulation under anesthesia, arthroscopy, elbow

Citation: Ateschrang A, Stöckle U: Limitations of arthroscopic arthrolysis and the alternative of open joint release. Which possibilities do we have? OUP 2021; 10: 008–013 DOI 10.3238/oup.2021.0008–0013

Atesch Ateschrang: Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, Ev. Stift St. Martin, Akademisches Lehrkrankenhaus der Johannes Gutenberg Universität Mainz

Ulrich Stöckle: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Campus Virchow-Klinikum (CVK)

Einleitung

Das Ellenbogengelenk ist nach Morrey besonders vulnerabel, um Bewegungseinschränkungen durch Traumata zu entwickeln [4]. Dabei wurde bisher eine Inzidenz zwischen 5 – 20 % angegeben [3, 5]. Eine aktuellere Arbeit, die auf Daten einer Versicherung basierten mit über 22 Mio. Personen ermittelte hierbei einen Wert von 8,3 % [8]. Morrey beschrieb für eine zufriedenstellende Ellbogenfunktion im Alltag einen Bewegungsumfang von 100°, der häufig als funktioneller Bewegungsbogen Einzug in die Literatur fand in Bezug auf Extension und Flexion. Hinsichtlich der Pro- und Supination wurden je 50° angegeben [4]. Einschränkungen der Beweglichkeit in Bezug auf die Extension werden eher toleriert als ein identischer Flexionsverlust. Zur präzisen Beschreibung der Funktionseinschränkung sollte von einem Flexions- oder Extensionsdefizit bzw. Mischformen (Flexions- /Extensionsdefizit) gesprochen werden [9–11].

Die Ursache der konzentrischen Bewegungseinschränkung des Ellenbogens bzw. der Ellenbogensteife beinhaltet vielfältige Ursachen, die im Rahmen einer sorgfältigen Anamnese sowie klinischen und radiologischen Untersuchung erarbeitet werden müssen. Grundsätzlich kann die Ätiologie in traumatische und degenerative Entitäten eingeteilt werden, wobei eine Differenzierung nach akuten, subakuten und chronischen bzw. repetitiven Mikro-Traumatisierungen das Verständnis der Grundproblematik erleichtern kann.

Die anatomische Ursache der Funktionseinschränkung lässt sich als intra-artikuläre bzw. intrinsische und als extra-artikulär bzw. extrinsische oder gemischte Pathologie identifizieren [2, 4]. Intrinsische Ursachen beinhalten bspw. posttraumatische Gelenkinkongruenzen nach Frakturen, Osteophyten (z.B. bei repetitiver Mikro- oder Makro-Instabilität), freie Gelenkkörper, Gelenkkapselfibrosen bzw. synoviale Adhäsionen als auch sekundäre degenerative Veränderungen der Gelenkfläche (bspw. immunologische Arthropathien). Extrinsische Gelenkpathologien beinhalten Kontrakturen und/oder Adhäsionen der Muskulatur, der Sehnen ggf. mit unterschiedlicher Beteiligung der extra-artikulär liegenden Kollateralbänder. Hierzu gehören Zustände nach Operationen wie Osteosynthesen sowie extra-kapsuläre Fibrosierungen, bspw. nach Verbrennungen, als auch heterotope Ossifikationen. Implantate wie Plattenosteosynthesen, Prothesen oder bspw. Radiusköpfchen-Prothesen können zu Gelenkkapsel übergreifende Fibrosierungen führen und damit unangenehme Mischbilder darstellen.

Alternativ kann die Ursache rein deskriptiv nach degenerativen, traumatischen und eigenständigen Entitäten erfolgen.

Die klinische Klassifizierung der Funktionseinschränkung bzw. Beweglichkeit (Range of Motion = ROM) kann nach Mansat und Morrey [4] in 4 Stadien eingeteilt werden: Stadium I (milde) 90° ROM, Stadium II° (moderat) 60–90° ROM, Stadium III° 30–60° (schwer) ROM sowie Stadium IV° extrem schwer < 30°.

Falls sich unter konservativer Therapie keine Besserungsdynamik erzielen lässt, sollte die operative Arthrolyse angeboten werden. Die Behandlungsziele sind grundsätzlich ein schmerzfreies und stabiles Ellenbogengelenk mit einem Maximum an erzielbarer Beweglichkeit.

Die offene Arthrolyse stellt bis heute einen etablierten Standard dar [3, 5, 11]. Zahlreiche Studien konnten ein Bewegungsausmaß (ROM) von durchschnittlich 103° erzielen, wobei die Werte zwischen 85 bis 129° variieren können. Die mittlere Verbesserung betrug dabei 51° mit einer Komplikationsrate von durchschnittlich 23 % mit 0 – 59 % [1, 3, 5, 11].

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