Übersichtsarbeiten - OUP 02/2019

Hallux valgus – ein Update

Lucas und Hernandez publizierten mittelfristige Ergebnisse von 45 minimalinvasiven Chevron-Osteotomien mit Schraubenosteosynthese. Die mittlere Nachuntersuchungsdauer betrug 59,1 Monate. Der AOFAS-Score verbesserte sich signifikant von 62,5 Punkten präoperativ auf 97,1 Punkte zum Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchung. Radiologisch lag der Hallux-valgus-Winkel präoperativ bei 26,2°, zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung bei 9,6° (4–18°), der Intermetatarsalwinkel verbesserte sich von 11,8° präoperativ (6–18°) auf 7,9° (3–11°) zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung [24].

Während die genannten Studien sich eher auf Patienten mit geringer bis mittelgradiger Fehlstellung beziehen, wurden von Diaz et al. Nachuntersuchungsergebnisse nach Behandlung einer mittel- bis schwergradigen Deformität publiziert. Die Korrektur erfolgte dabei über eine perkutane Doppelosteotomie des ersten Metatarsale. Eine Osteosynthese wurde mit Kirschner-Drähten durchgeführt. Die Autoren berichten über eine klinische und radiologische Nachuntersuchung von 52 Füßen bei 48 Patienten, die in der genannten Technik durchgeführt wurden. Röntgenparameter und AOFAS-Score wurden 1 Jahr und 2 Jahre post OP erhoben. Der Hallux-valgus-Winkel verbesserte sich von 39,2° präoperativ auf 10,8° postoperativ, der Intermetatarsalwinkel von 16,9° präoperativ auf 8,4° postoperativ. In 5 Fällen (10 %) konnte eine Elevation des ersten Metatarsale postoperativ beobachtet werden, aber nur in 2 Fällen kam es zur Entwicklung einer klinisch relevanten Metatarsalgie. Der AOFAS-Score verbesserte sich signifikant von 47,6 Punkten präoperativ auf 89,7 Punkte postoperativ zum Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchung. Die Autoren empfehlen deshalb die perkutane Doppelosteotomie für Fälle mit einem Intermetatarsalwinkel über 15° und erhöhtem DMAA.

In einer aktuellen Befragung von Fußchirurgen in Deutschland gaben 7 % der Teilnehmer an, auch minimalinvasive Hallux-valgus-Chirurgie durchzuführen [2].

Es ist zu erwarten, dass die Verbreitung minimalinvasiver Operationstechniken in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Die individuelle Lernkurve des Operateurs sollte dabei aber nicht unterschätzt werden (Abb. 6)

Fahrtüchtigkeit nach
Hallux-valgus-Operation

Im Rahmen der postoperativen Rehabilitation wird von Patienten regelmäßig die Frage gestellt, ab wann das selbstständige Führen eines KFZ nach einer Hallux-valgus-Operation möglich ist. Von McDonald et al. wurde bei 20 Probanden und 60 Patienten die Brems-Reaktions-Zeit in einem Fahrsimulator gemessen. Nach 6 Wochen post OP erreichten 51 von 60, nach 8 Wochen post OP 60 von 60 Patienten eine Brems-Reaktions-Zeit, die am oberen Ende des Normalkollektivs gemessen wurde. Die Autoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass das selbstständige Führen eines KFZ 8 Wochen post OP nach einer Korrekturosteotomie des ersten Metatarsale vertretbar ist, u.U. bereits schon 6 Wochen post OP [25]. In einer weiteren Studie wurde der Einfluss des postoperativen Schuhs auf die Brems-Reaktions-Zeit gemessen. Dammerer et al. kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass während der ersten 6 Wochen nach einer Korrekturosteotomie des ersten Metatarsale kein KFZ geführt werden sollte [9].

Merke: Das selbstständige Führen eines KFZ ist im Regelfall frühestens 6 Wochen nach einer Korrekturosteotomie des ersten Metatarsale möglich!

Schmerzreduktion
postoperativ

Auch wenn mit einer knöchernen Konsolidierung und einer adäquaten Stabilität der durchgeführten Weichteileingriffe 6 Wochen nach einer operativen Hallux-valgus-Korrektur gerechnet werden kann, ist das Endergebnis, hinsichtlich Schmerzen und Funktion erst nach Monaten, in einzelnen Fällen sogar erst nach Jahren, erreicht. Von Chen et. al. wurden 308 Patienten prospektiv nach einer Hallux-valgus-Operation 6 Monate und 2 Jahre post OP verfolgt. 31 % der Patienten hatten 6 Monate post OP noch nennenswerte Schmerzen, ohne dass spezifische Gründe wie z.B. Infektion, Pseudarthrose oder prominentes Osteosynthesematerial vorlagen. Erfreulicherweise ging bei 71 % dieser Patienten mit nennenswerten Schmerzen 6 Monate post OP die Restbeschwerden im Laufe der nächsten 18 Monate vollständig zurück [6]. Zusammenfassend muss deshalb festgehalten werden, dass es selbst bei radiologisch unauffälligem Verlauf zu Restbeschwerden innerhalb der ersten 2 Jahre kommen kann. Die Patienten sollten darüber im Vorfeld der Operation informiert werden.

Schuhgröße

Präoperativ wird gelegentlich von Patienten die Frage gestellt, ob eine Veränderung der Schuhgröße durch bzw. nach der Operation zu erwarten ist. Tenenbaum et al. versuchten der Änderung der Fußweite anhand einer retrospektiven Analyse von 71 postoperativen Verläufen nach einer Scarf-Osteotomie nachzugehen. Dabei wurde die Breite des Vorfußes anhand der knöchernen Strukturen und anhand des Weichteilschattens auf Röntgenaufnahmen vor OP und 20,7 Monate (6–96 Monate) post OP gemessen. Insgesamt war eine Verschmälerung der Vorfußbreite um 2 % im Durchschnitt zu ermitteln. Lediglich in der Hälfte der Fälle wurde eine Verschmälerung des Vorfußes erreicht. Bei Patienten mit einem breiten Vorfuß vor der Operation konnte eine Reduktion der Weite erzielt werden, bei Patienten mit einer schmalen Weite des Vorfußes kam es sogar zu einer Verbreiterung des Vorfußes. In Anbetracht dieser Daten scheint eine Verschmälerung des Vorfußes kein realistisches Ziel einer operativen Hallux-valgus-Korrektur zu sein [39].

Evaluation durch PROMS

Ergebnisse nach operativen Hallux-valgus-Korrekturen werden üblicherweise anhand der Veränderung von radiologischen Parametern und klinischen Scores dargestellt. Der in diesem Zusammenhang am weitesten verbreitete und am häufigsten benutzte Score ist der Hallux-Score der American Orthopedic Foot and Ankle Society (AOFAS Hallux Score) [15]. Aufgrund einer unzureichenden Validierung wird die Benutzung dieses Scores mittlerweile kritisch diskutiert [30]. Zunehmender Focus liegt auf der Evaluation von Behandlungsergebnisse anhand von „Patienteneinschätzungen“, im internationalen Sprachgebrauch „Patient Reported Outcome Measurement“ (PROM) genannt.

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