Originalarbeiten - OUP 10/2013

High-Heels und die Form der Lendenlordose
Eine Pilotkasuistik zur Abschätzung von Einflussgrößen auf Veränderungen des Lordosewinkels bei statischem und dynamischem Assessment

J. Schröder1, S. Brune1

Zusammenfassung

Eine hyperlordosierende Wirkung mit möglichen
Rückenbeschwerderisiken wird für das Tragen hoher Absätze postuliert, wissenschaftliche Befunde sind jedoch uneinheitlich. Von einem Assessment unter dynamischen Bedingungen werden neue Erkenntnisse erwartet. In einem Messwiederholungsdesign (Kasuistiken) wurde der Lordosewinkel
sowohl unter statischen als auch dynamischen Bedingungen (Baseline – High-Heel vs. Kontrollbedingung) rückwirkungsfrei, videorasterstereografisch mit variierenden Randbedingungen (Kontrollschuh: Ballettschuh ohne Dämpfung vs. Turnschuh mit Dämpfung, Laufband-Geschwindigkeit: 2 km/h vs. 3 km/h) erfasst. In Relation zur statischen Situation war in der Dynamik eine deutliche Entlordosierung (5–10°) zu beobachten. Eine Lordosierung durch das Tragen hochhackiger Schuhe konnte gefunden werden (statisch bis 4°, dynamisch bis 5°), war jedoch abhängig von konfundierenden Variablen, wie der Ganggeschwindigkeit und dem Fußaufsatz in Abhängigkeit von Dämpfungseigenschaften der Kontrollbedingungsschuhe. Die dynamische Erfassung der Effekte hoher Absätze wird als methodische Bereicherung bewertet, wobei die interindividuelle Ausgangslage der Wirbelsäulenform für Folgeuntersuchungen kovarianz-analytisch berücksichtigt werden sollte.

Schlüsselwörter: Lordosewinkel, High-Heel Absätze, statische und dynamische Erfassung

 

Zitierweise

Schröder J, Brune S: High-Heels und die Form der Lendenlordose – eine Pilotkasuistik zur Abschätzung von Einflussgrößen auf Veränderungen des Lordosewinkels bei statischem und dynamischem Assessment. OUP 2013; 10: 464–469. DOI 10.3238/oup.2013.0464–0469

Abstract

Wearing high-heeled shoes is meant to provide increased lumbar lordosis angles, probably associated with an increased low back pain risk, while scientific evidence is still lacking. A dynamic assessment of the lumbar form under high-heeled walking conditions is supposed to be helpful for a better understanding of effects. In a repeated measurements design (baseline – high-heel vs. control) lumbar alignment was observed under static and dynamic conditions using video rasterstereography. For a single-case, varying conditions (control shoes: indoor-sport shoe vs. ballet shoe, walking speed: 2 km/h vs. 3 km/h) were analyzed and controlled afterwards in an additional single-case analysis.
Compared to static conditions, we found intra-individually decreased lumbar lordosis angles (5–10°) under dynamic
assessment conditions. High-heeled shoe wearing effects could be observed as increased lordosis angle for the static
assessment up to 4°, and up to 5° under dynamic conditions, respectively. But effects were depending on confounding variables, like sole absorption, walking speed and inter-individually varying lordosis sway. So, dynamic assessment was considered as an important enrichment to investigate high-heeled shoe effects, but confounders should be taken into account for the conduction of further investigations, maybe using analysis of covariance models.

Key Words: Lumbar lordosis, high-heeled shoes, static and
dynamic testing

 

Citation

Schröder J, Brune S: Effects of high-heeled shoes on the lumbar lordosis angle.
OUP 2013; 10: 464–469. DOI 10.3238/oup.2013.0464–0469

Einführung

Der lordosierende Effekt hoher Absätze (High-Heels) mit prospektiv negativen Effekten für eine Rückenschmerzprognose wird schon seit längerer Zeit diskutiert [1]. Statistisch eindeutig abgesicherte Effekte im Sinne einer systematischen Vergrößerung des Lordosewinkels (Hohlkreuz) liegen bislang nicht vor. Vielmehr wurden inkonsistente Befunde bezüglich der Richtung – Lordosierung oder Entlordosierung durch erhöhte Absätze – ermittelt [2, 3, 4, 5, 6, 7, 8]. In einer aktuellen Publikation, die sowohl die Fallzahl (n > 50) als auch die Reproduzierbarkeit des Datenassessments (Medi-Mouse, Intra- und Intertester Reliabilität mit Holzattrappe: ICC = 0,99) herausgestellt hat, aber dennoch keine systematischen Effekte aufdecken konnte, wurde daher gefordert, dass zukünftige Studien versuchen sollten, einen lordosierenden Effekt hoher Absätze unter dynamischen Bedingungen zu untersuchen [8].

Ziel dieser Pilotevaluation war daher eine Abschätzung der Effekte hoher Absätze auf den Lordosewinkel unter statischen und dynamischen Bedingungen, wobei unterschiedliche äußere Einflussfaktoren systematisch kontrolliert werden sollten.

Methoden

Design

In der vorliegenden Pilotstudie wurde ein Messwiederholungsdesign mit einer Baseline-Testung und nachfolgenden Interventionstestungen (High-Heel vs. Kontrollbedingung) verfolgt, wobei die Reihenfolge der wiederholten Interventionstestungen randomisiert wurde, bzw. in dieser Piloteinzelfallstudie zufällig gewählt wurde. Das Design wurde für Testwiederholungen an mehreren Tagen mit variierenden Randbedingungen beibehalten.

Stichprobe

In der Pilotkasuistik nahm eine Person teil (VP1: weiblich, 19 Jahre, BMI 16,5 kg/m², Lateintänzerin, High-Heel gewöhnt: 5 Std./Woche seit 5 Jahren, keine Rückenbeschwerden), die mit dem Prozedere der Datenerhebungsmethode vertraut war. Eine weitere Probandin wurde a posteriori zur Überprüfung der beobachteten Effekte im Anschluss an die Evaluationsphase untersucht (VP2: weiblich, 23 Jahre, BMI 19,4 kg/m², High-Heel gewöhnt: 4 Std./Woche seit 10 Jahren, keine Rückenbeschwerden). Die Kontrollprobandin absolvierte die Interventionstestungen stratifiziert in umgekehrter Reihenfolge.

Testbedingungen

Schuhwerk

Baseline und Kontrollinterventionstestungen wurden in der ersten Evaluationsphase mit Ballettschuhen (ohne Fußbett, kein Absatz, 0,1 cm dicke Sohle, ohne Dämpfung) durchgeführt, in der 2. Evaluationsphase mit flachen Turnschuhen (Hallensportschuh-Fußbett, kein expliziter Absatz, 0,8 cm dicke Sohle mit Dämpfungseigenschaften).

Als hochhackiger Testschuh (High-Heel) dienten eigene Schuhe (Absatzhöhe: 7 cm) der Probandin, sodass Schuhgewöhnungsstöreffekte ausgeschlossen werden konnten (Abb. 1).

Laufband

Es kam ein handelsübliches Laufband (Typ Omega 2, Horizon Fitness, 0–12 km/h Bandgeschwindigkeit, Nothalt-Stoppfunktion) zum Einsatz, das sich durch geringe Geräuschentwicklung und eine geringe Höhe der Lauffläche (31 cm) auszeichnete. Im Testbetrieb bei 2 km/h, respektive 3 km/h lag keine Steigung (0°) an.

Testsystem

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