Arzt und Recht - OUP 02/2013

Honorarabrechnung/Wirtschaftlichkeitsprüfung: Fristen als Notanker?

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Karlsruhe

Einleitung

Die Überprüfung sowohl der Regelleistungsvolumina (RLV) als auch der Rechtmäßigkeit von Regressen im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen (z.B. Richtgrößenprüfung) stellt auch für den Fachmann häufig eine komplexe Herausforderung dar. Umso willkommener ist die Erkenntnis, wenn ein als zu niedrig empfundenes RLV oder ein als ungerechtfertigt/zu hoch empfundener Regress allein aus dem Grund rechtswidrig ist, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die Krankenkasse oder die zuständigen Prüfeinrichtungen Fristen versäumt haben; bleibt einem doch die komplexe Überprüfung der materiellen Voraussetzungen (statistische Vergleichswerte, Praxisbesonderheiten, kompensatorische Einsparungen) erspart.

Auch die maßgeblichen Fristen sind jedoch im Gesetz und in den untergesetzlichen Regelungen für die Honorarabrechnung bzw. Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht so eindeutig geregelt, als dass sie nicht auch im Einzelfall von den Gerichten überprüft werden müssten. Im Folgenden werden zwei aktuelle Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) dargestellt, die die Grenzen von Fristversäumnissen aufzeigen. Hierbei wird klar, auf welche Fristen bzw. Verfahrenshandlungen der Gegenseite der Vertragsarzt achten sollte, um sich ein komplexes und langwieriges Verfahren (ggf. vor dem Sozialgericht) zu ersparen.

Frist für RLV-Zuweisung (BSG, B 6 KA 38/11 R)

Zum

Sachverhalt

(verkürzte und vereinfachte Darstellung)

Im Streit steht die Höhe des dem klagenden Vertragsarzt für das Quartal II/2009 zuzuweisenden RLV. Nachdem die beklagte KV ihm für das Quartal I/2009 ein RLV in Höhe von 41.848,00 E zugewiesen hatte, setzte sie mit Bescheid vom 24.2.2009 – der dem Kläger nach den Feststellungen des Sozialgerichts am 9.3.2009 zugegangen ist – das RLV des Klägers für das Quartal II/2009 auf 37.981,44 E fest.

Während der Widerspruch des Klägers erfolglos blieb, hat das Sozialgericht, auf dessen Klage hin die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die KV verurteilt, der Honorarfestsetzung für das Quartal II/2009 das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV zugrunde zu legen. Da die Zuweisung des neuen RLV nicht spätestens vier Wochen vor Beginn des Quartals II/2009 erfolgt sei, gelte auch für dieses Quartal das höhere RLV des Quartals I/2009 fort.

Mit ihrer Revision rügt die KV die Verletzung von Bundesrecht. Selbst für den Fall, dass ein RLV erst nach Beginn seines Geltungszeitraums bekannt gegeben werde, gelte das bisher zugewiesene RLV nur bis zur Bekanntgabe des neuen RLV.

Aus den Gründen (verkürzte und

vereinfachte

Darstellung)

Die Revision der KV ist nach Auffassung des BSG begründet. Das RLV sei dem Kläger noch rechtzeitig vor Beginn des Quartals II/2009 zugewiesen worden. Der Honorarfestsetzung für das Quartal II/2009 sei nicht das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV zugrunde zu legen.

RLV-Bescheid

und Honorarbescheid anzufechten

Die Zuweisung eines RLV ist nach Auffassung des BSG gesondert anfechtbar. Aus der gesonderten Anfechtbarkeit folge zum einen, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines RLV hat bestandskräftig werden lassen, im nachfolgenden Honorarstreitverfahren nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen könne. Zum anderen sei (umgekehrt) für die Klärung der Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines RLV nur solange Raum, als die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (vgl. bereits BSG, Beschluss vom 17.8.2011 – B 6 KA 30/11 B – Rdnr. 6 – für Individualbudgets).

Der Senat weist darauf hin, dass die KVen ggf. zu prüfen haben, ob Vertragsärzten, die im Vertrauen auf die (ältere) Rechtsprechung des Senats von einer gleichzeitigen Anfechtung der Honorarbescheide abgesehen haben, Vertrauensschutz zu gewähren sein kann. Hierfür bestehe ggf. Veranlassung, weil durch die nicht einheitliche Rechtsprechung des Senats Rechtsunsicherheit eingetreten sein könne und zudem die grundlegenden Ausführungen des Senats im Beschluss vom 17.8.2011 (B 6 KA 30/11 B) nicht veröffentlicht worden sind, sodass hiervon keine Kenntnis genommen werden konnte. Dies gelte jedenfalls für Honorarbescheide, bei denen vor Veröffentlichung der Entscheidung des Senats vom heutigen Tag Bestandskraft eingetreten ist.

Rechtzeitigkeit der RLV-Zuweisung: vor Beginn des Quartals

Nach § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V a.F. gilt das bisherige, dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene RLV vorläufig fort, wenn ein RLV „nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums“ zugewiesen werden kann. „Nicht rechtzeitig“ im Sinne des § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V a.F. sei die Zuweisung nach dem Wortlaut der Norm dann, wenn das RLV nicht „vor Beginn des Geltungszeitraums“ zugewiesen worden ist. Geltungszeitraum des RLV ist der „Abrechnungszeitraum“ (vgl. § 87b Abs. 2 Satz 5 SGB V a.F.), mithin das Quartal. Das RLV für das Quartal II/2009 ist nach Auffassung des BSG dem Kläger am 9.3.2009 und damit rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums – hier der 1.4.2009 – zugewiesen worden.

Der Auffassung des Sozialgerichts, dass das Merkmal „rechtzeitig“ auf die Vier-Wochen-Frist in § 87b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V a.F. verweise, folgt der Senat nicht. Dieses Auslegungsergebnis werde unter anderem durch den Zweck der die Fortgeltung des bisherigen RLV anordnenden Regelung bestätigt. Der Gesetzgeber wollte ausschließen, dass durch eine nicht rechtzeitige Zuweisung des RLV eine Geltungslücke entsteht. Zur Wahrung der Kontinuität bzw. zur Vermeidung einer Geltungslücke ist es nach Auffassung des BSG jedoch ausreichend, wenn die Zuweisung des neuen RLV jedenfalls noch vor dem Beginn seines Geltungszeitraums erfolgt.

Nach alledem handelt es sich nach Auffassung des BSG bei der Frist nach § 87b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V a.F. um eine bloße Ordnungsfrist, um deren Einhaltung die KV pflichtgemäß besorgt sein muss, die aber keine Ausschlussfrist in dem Sinne darstellt, dass bei ihrem Verstreichen das alte RLV weitergilt. Eine bewusste Nichtbeachtung der Frist stelle eine Rechtsverletzung dar, die der für die KV zuständigen Aufsichtsbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Rechtsaufsicht Veranlassung zum Einschreiten gäbe.

Fortgelten des „

alten

“ RLV nur bis zur Zuweisung des „neuen“ RLV

Das Sozialgericht hat nach Auffassung des BSG zu Unrecht angenommen, dass bei verspäteter Zuweisung das bisherige RLV für das gesamte (Folge-)Quartal fortgilt. Hiergegen spreche schon der Wortlaut des § 87b Abs. 5 Satz 4 SGB V a.F.: Danach gilt das bisherige RLV „vorläufig“ fort. Dieses Einschubs hätte es nicht bedurft, wenn die Fortgeltung der bisherigen Regelung das gesamte (weitere) Quartal erfassen sollte.

§ 87b Abs. 5 Satz 5 SGB V könne nicht in dem Sinne verstanden werden, dass ausschließlich höhere RLV zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesen werden dürfen. Die Annahme, dass der Gesetzgeber einem (verspätet) zugewiesenen RLV nur für den Fall Rechtsfolgen beimessen wollte, dass sich ein höheres RLV ergeben hätte, sei unter anderem deswegen fernliegend, weil dies zulasten der übrigen Vertragsärzte ginge.

Ausschlussfrist für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (BSG, B 6 KA 45/11 R)

Zum Sachverhalt (verkürzte und vereinfachte

Darstellung

)

Im Revisionsverfahren ist die Rechtmäßigkeit eines Arzneikostenregresses für das Quartal II/2001 umstritten. Die Klägerin, eine an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Gemeinschaftspraxis überschritt bei den Kosten für die verordneten Arzneimittel den Durchschnitt der Vergleichsgruppe (gewichtet) um 66 %. Auf den Widerspruch der Klägerin reduzierte der beklagte Berufungsausschuss den Regress auf 6.430,00 E.

Das Sozialgericht hat den Bescheid des Berufungsausschusses und somit den gesamten Regress mit der Begründung aufgehoben, der am 16.11.2005 bekannt gegebene Bescheid des Prüfungsausschusses habe die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass von Regressbescheiden im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht gewahrt. Dieses Urteil hat wiederum das Landessozialgericht auf die Berufung der AOK aufgehoben, da die Ausschlussfrist durch eine Mitteilung des Prüfungsausschusses über die beabsichtigte Durchführung eines Prüfverfahrens gehemmt worden sei.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, ein die Ausschlussfrist hemmender Prüfantrag der Krankenkassen müsse hinreichend deutlich machen, dass die Krankenkasse ihre Rechte auch gegenüber den Prüfgremien durchsetzen wolle. Die bloße Mitteilung des Prüfungsausschusses, er werde sich mit der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise einer bestimmten Praxis in einem bestimmten Zeitraum befassen, stehe dem nicht gleich.

Aus den Gründen (verkürzte und vereinfachte Darstellung)

Die Revision der Klägerin ist nach Auffassung des BSG begründet. Die Ausschlussfrist für den Erlass von Bescheiden über Regresse wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln sei abgelaufen gewesen.

Vierjährige Ausschlussfrist für

Arzneikostenregresse

Der Senat hat in den Urteilen vom 5.5.2010 (SozR 4–2500 § 106 Nr. 28) und vom 18.8.2010 (SozR 4–2500 § 106 Nr. 29) für den hier betroffenen Bereich von Arzneikostenregressen klargestellt, dass solche Regresse einer 4-jährigen Ausschlussfrist unterliegen und dass diese Ausschlussfrist mit Ablauf des Quartals beginnt, dem die (potenziell) in Regress genommenen Verordnungen zuzurechnen sind.

Grundsatz:

Hemmung

der Ausschlussfrist nur durch Prüfantrag

Der dem angefochtenen Bescheid des Berufungsausschusses zugrunde liegende Bescheid des Prüfungsausschusses stammt vom 15.11.2005 und hat die Frist dementsprechend nicht gewahrt. Die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Berufungsausschusses hängt deshalb allein davon ab, ob die Frist vor ihrem Ablauf durch die Mitteilung des Prüfungsausschusses über die beabsichtigte Durchführung eines Prüfverfahrens gehemmt worden ist.

Nach Auffassung des BSG bestehen Zweifel, ob das Schreiben der Geschäftsstelle des „Prüfungsausschusses“ der gemeinsamen Prüfeinrichtungen der Krankenkassen und der KV als Prüfantrag zu werten ist. In diesem Schreiben teilt der Referatsleiter der Prüfeinrichtungen der Klägerin mit, es werde hinsichtlich des Quartals II/2001 um Kenntnisnahme gebeten, dass „Ihre Arzneimittelverordnungen bezüglich des vorgenannten Quartals einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden“. Die Einleitung des Prüfverfahrens besage selbstverständlich noch nicht, dass Unwirtschaftlichkeit vorliege; die Klägerin habe Gelegenheit, auf Praxisbesonderheiten hinzuweisen. Diesem Schreiben lag die Arzneikostenstatistik der Klägerin sowie deren Honorarabrechnung bei. Irgendein Hinweis darauf, dass Prüfanträge der Krankenkassen bzw. der Krankenkassenverbände in Bezug auf die klägerische Praxis zugrunde gelegen haben oder vorausgegangen sind, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Das BSG kommt auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, dass die Mitteilung der für die Entscheidung über einen Arzneikostenregress zuständigen Behörde (Prüfungsausschusses nach altem Recht bzw. Prüfungsstelle nach Inkrafttreten des GKV-WSG) über die Einleitung eines Prüfverfahrens die vierjährige Ausschlussfrist nicht wahrt und auch nicht geeignet ist, die Frist in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB bzw. des § 45 Abs. 3 SGB I zu hemmen.

Es bedürfe eines konkreten, auf eine bestimmte Praxis gerichteten Begehrens einer Krankenkasse oder von Krankenkassenverbänden. Das könne auch in der Weise formuliert werden, dass zwischen den Verbänden und der KV eine Abstimmung erfolgt, welche Praxen geprüft werden sollen. Unverzichtbar sei aber, dass die Krankenkassen von sich aus tätig geworden sind und die betroffene Praxis informiert ist, dass die Krankenkassen auf eine Prüfung der Verordnungsweise bestehen. Die bloße Mitteilung des Prüfungsausschusses über eine beabsichtigte Prüfung für sich genommen stehe einem Prüfantrag der Krankenkassen nicht gleich.

Der mit der Ausschlussfrist verbundene Schutz des Arztes, nicht zeitlich unbegrenzt für seine Verordnungen in Regress genommen werden zu können, liefe weitgehend leer, wenn nicht erst der Bescheid über einen Arzneikostenregress oder über die Ablehnung eines Arzneikostenregresses, sondern allein die Mitteilung, das Verordnungsverhalten eines Arztes werde geprüft, bereits die zugunsten des Arztes bestehende vierjährige Ausschlussfrist hemmen würde. Prüfungsausschuss/Prüfungsstelle könnten dann routinemäßig allen Ärzten, deren Verordnungsverhalten in irgendeiner Hinsicht auffällig ist, kurz nach Eingang bestimmter, auf die Auffälligkeit hindeutender Unterlagen, eine Mitteilung zuleiten, es sei mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu rechnen, mit der Folge, dass die Vertragsärzte ohne zeitliche Begrenzung damit rechnen müssten, dass gegen sie Kostenregresse festgesetzt würden.

Ausnahme

1: Wirtschaftlichkeitsprüfung von Amts wegen

Soweit die Wirtschaftlichkeitsprüfung als Richtgrößenprüfung oder statistische Vergleichsprüfung durchgeführt wird und Quartale betroffen sind, in denen diese Prüfung von Amts wegen durchzuführen ist, kommt auch einem Antrag nicht die Wirkung zu, den Ablauf der Ausschlussfrist für die Festsetzung eines Arzneikostenregresses zu hemmen. Das BSG hat die hemmende Wirkung des Prüfantrags vor allem mit einer entsprechenden Anwendung des Rechtsgedankens des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB begründet. Danach hemmt ein „Antrag bei einer Behörde“ die Verjährung, „wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt“. In Prüfverfahren, in denen ein Prüfantrag weder gesetzlich bzw. gesamtvertraglich vorgeschrieben noch von der Sache her unverzichtbar ist, kann die betroffene Krankenkasse nach der Auffassung des BSG die Hemmung der Ausschlussfrist nur dadurch erreichen, dass sie Untätigkeitsklage erhebt und darauf dringt, dass der Arzt, dessen Verordnungen sie beanstandet, zum Verfahren beigeladen wird.

Ausnahme 2: Rechtliches
Hindernis der Wirtschaftlichkeitsprüfung

Der Senat misst dem Umstand, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung aus rechtlichen Gründen – etwa wegen eines Streits zwischen KV und Krankenkassenverbänden über die Prüfvereinbarung oder die anzuwendende Prüfmethode – nicht durchgeführt werden kann, unter bestimmten Voraussetzungen hemmende Wirkung bei. Dieser Aspekt hat hier jedoch keine Bedeutung, weil weder der Prüfungsausschuss noch die Krankenkassenverbände die Klägerin darüber informiert haben, dass das Prüfverfahren nach der Methode der Durchschnittswertprüfung wegen einer eventuell rechtlich vorrangigen Prüfung nach Richtgrößen zunächst nicht betrieben wird. Unterbleibt eine solche Information der betroffenen Praxis, tritt keine Hemmung ein, auch wenn der Streit um die Prüfmethode tatsächlich eine Rolle gespielt haben sollte.

Fazit

Das erste Urteil eröffnet dem Vertragsarzt nur begrenzte Möglichkeiten, einer Reduzierung des RLV entgegenzutreten. Mit dem Hinweis auf eine verspätete Zuweisung des RLV kann lediglich in seltenen Fällen und dann auch nur für kürzere Zeit die Fortgeltung eines höheren RLV des Vorquartals erreicht werden. Verspätet ist die Zuweisung des RLV erst dann, wenn sie nach Beginn des Quartals erfolgt, für das das RLV zugewiesen wird. Die Fortgeltung eines höheren RLV des Vorquartals kann nicht für das gesamte Quartal, sondern lediglich bis zur Zuweisung des neuen RLV verlangt werden.

Das zweite Urteil gibt den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten weitere Rechtssicherheit. Es ist für betroffene Ärzte unangenehm genug, damit rechnen zu müssen, dass die Wirtschaftlichkeit ihrer Behandlungs- und Verordnungsweise für einen Zeitraum von vier Jahren in die Vergangenheit überprüft werden kann und ggf. Regresse verhängt werden. Umso wichtiger ist es, dass diese 4jährige Ausschlussfrist nicht auch noch dadurch gehemmt und demnach für die Zeit des Hemmnisses verlängert werden kann, dass die Prüfgremien dem betroffenen Arzt lediglich schriftlich mitteilen, dass die Behandlungs-/Verordnungsweise einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden. In Verfahren, die nach den maßgeblichen Normen nicht von einem Prüfantrag abhängen, kann nach der neuen Rechtsprechung des BSG demnach die Ausschlussfrist grundsätzlich nicht gehemmt werden, sondern ist durch rechtzeitigen Zugang des ggf. zu erlassenden Regressbescheides zu wahren. Allenfalls der Ausnahmefall, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung aus rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden kann, könnte zur Hemmung der Ausschlussfrist führen; dies aber auch nur unter der Voraussetzung, dass der betroffene Arzt hierüber ausdrücklich informiert worden ist.

Auch nach diesen beiden Urteilen bleibt die Überprüfung der RLV ebenso wie die Verteidigung in Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren eine besonders komplexe Rechtsmaterie. Für den betroffenen Arzt ergeben sich akut folgende Handlungspflichten:

  • 1. Gegen den Bescheid über die Zuweisung von RLV ist bei Zweifeln über die Richtigkeit innerhalb der in der Rechtsbehelfsbelehrung vorgesehenen Frist (in der Regel einen Monat) Widerspruch bei der KV einzulegen, damit wegen des unzutreffenden RLV auch gegen den später erlassenen Honorarbescheid durch Widerspruch und Klage vorgegangen werden kann.
  • 2. In Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren erhält der betroffene Arzt zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme. Spätestens die Begründung des Widerspruchs gegen den auf die Stellungnahme folgenden Regressbescheid (Frist in der Regel ebenfalls einen Monat) sollte nach fachmännischer Beratung erfolgen. Hierbei sind die einschlägigen Fristen zu prüfen und (hilfsweise) sämtliche für den betroffenen Arzt günstigen Tatsachen vorzutragen, damit diese für das sich eventuell anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht nicht ausgeschlossen sind.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2, 76227 Karlsruhe

kanzlei@arztrecht.org

www.arztrecht.org

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