Übersichtsarbeiten - OUP 04/2022

Hüftdysplasie beim Sportler
Aktuelle Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie

Obwohl die Arthroskopie aufgrund ihres minimalinvasiven Ansatzes attraktiv erscheint, sollte sie nicht indiziert werden, wenn eine Dysplasie die zugrundeliegende mechanische Diagnose ist, da das Endergebnis der knöchernen Pfannenkorrektur als Revisionsverfahren schlechter ist als das Ergebnis der Pfannenkorrektur als primäres Verfahren [47]. Während für schwere Dysplasien (LCE-Winkel < 18°) breiter Konsensus besteht, dass eine Arthroskopie kontraindiziert ist, wird dies für sogenannte Borderline-Hüften (LCE Winkel 18°–25°) aktuell kontrovers diskutiert. Hier gilt es vor allem zu unterscheiden, ob eine stabile Hüfte mit Impingement-Symptomatik oder eine instabile Situation vorliegt. Erstere könnte mit einer arthroskopischen oder arthroskopisch-unterstützen Schenkelhalsmodulation mit Resektion der CAM-Morphologie sicher und effektiv therapiert werden, wohingegen bei Letzterer mit keiner signifikanten Besserung zu rechnen ist. Aktuelle Reviews konnten zeigen, dass bei Patienten mit Borderline-Dysplasie ein breites Spektrum an Instabilität existiert und dass bei sorgfältiger Auswahl der Patienten anhand von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Bildgebung gute Ergebnisse erzielt werden können [8, 29, 31]. Zudem konnte gezeigt werden, dass im Falle einer Borderline-Hüfte mit gleichzeitiger azetabulärer Retroversion eine arthroskopische Versorgung keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefert [72].

Liegen schwere Dysplasien oder instabile Boderline-Hüften vor, so hat sich die knöcherne, dreidimensionale Pfannenkorrektur bewährt. Hierfür sind im deutschsprachigen Raum vor allem die Tripel-Osteotomie nach Tönnis [57, 69] oder die periazetabuläre Osteotomie nach Ganz [13, 59] etabliert (Abb. 6). Ein Vorteil der PAO liegt in der geringeren Instabilität, da der hintere Pfeiler erhalten bleibt und im Gegensatz zur Tripel-Osteotomie keine komplette Diskontinuität entsteht. Somit können die Patienten schneller mobilisiert und nachbehandelt werden [59]. Für beide Techniken sind jedoch gute mittelfristige und langfristige Daten publiziert, wobei z.B. bei Patienten ohne Arthrose die 20 Jahre-Überlebensrate bei 60 % nach PAO liegt [69, 74]. Höheres Alter zum Zeitpunkt der Umstellung und höherer Arthrose-Grad sind dabei negative prognostische Faktoren für das Überleben der Gelenke [32, 74]. Bezüglich des Return-to-sport konnte gezeigt werden, dass ein Großteil der Sportler das ursprüngliche Niveau wieder erreicht [21, 44]. Zudem konnte in neuen Studien für beide Techniken eine Steigerung der sportlichen Aktivität nach erfolgter Umstellung mit einem Shift von medium- zu high-impact-Sportarten beobachtet werden [12, 44, 63]. Jüngeres Alter der Patienten, ein höheres präoperatives Aktivitätsniveau und ein geringeres postoperatives Schmerzlevel waren dabei prädiktiv für ein höheres postoperatives sportliches Niveau [42]. Ob eine zeitgleiche Therapie intraartikulärer Pathologien mittels Arthroskopie die Ergebnisse verbessert, ist derzeit Gegenstand einer kontroversen Diskussion und bedarf weiterer Studien, da die aktuelle Evidenzlage hierzu sehr beschränkt ist. Allerdings sollte bei parallel bestehender CAM-Morphologie eine Korrektur erfolgen, sofern ein mechanischer Konflikt nach Umstellung vorliegt. Die Schenkelhalsmodulation kann hierbei z.B. im Rahmen der PAO über einen modifizierten direkten anterioren Zugang durchgeführt werden (Abb. 6) [59].

Fazit für die Praxis

Die azetabuläre Hüftdysplasie stellt ein komplexes dreidimensionales Problem der Pfannenposition dar, das unbehandelt zu einer Reduktion der sportlichen Aktivität und verfrühten Arthrose führt. Eine alleinige Beurteilung mittels LCE-Winkels kann das Problem oftmals nicht erfassen, sodass eine globalere Beurteilung erfolgen sollte. Während für schwere Dysplasien eine knöcherne Pfannenkorrektur indiziert werden sollte, können sogenannte Borderline-Hüften ggf. auch mittels Arthroskopie behandelt werden, sofern eine stabile Situation vorliegt. Zur Beurteilung existieren heute diverse radiologische Parameter und Untersuchungstechniken, die eine Therapieentscheidung unterstützen können. Insgesamt kann die sportliche Aktivität nach knöcherner Pfannenkorrektur erhalten und die Intensität oftmals gesteigert werden.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Alexander Zimmerer

ARCUS Kliniken

Rastatter Str. 17–19

75179 Pforzheim

zimmerer@sportklinik.de

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