Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Hüftendoprothese beim jungen Patienten

Jörg Jerosch, Andreas Breil-Wirth, Christian Kothny, Christian Grasselli, Lars Victor von Engelhardt

Zusammenfassung:

Während früher bei der Versorgung von jungen Patienten mit Hüftarthrose vor allen Dingen
die rheumatoide Arthritis im Vordergrund stand, ist es heutzutage mehr die Kopfnekrose sowie
die Hüftdysplasie. Der vorliegende Artikel gibt eine Übersicht über die Ergebnisse der hüftendoprothetischen Versorgung junger Patienten, unter besonderer Berücksichtigung der modernen schenkelhalsteilerhaltenden Kurzschaftprothesen.

Schlüsselwörter:
Coxarthrose, junge Patienten, Endoprothese, Kurzschaft

Zitierweise:
Jerosch J, Breil-Wirth A, Kothny C, Grasselli C, von Engelhardt LV: Hüftendoprothese beim
jungen Patienten. OUP 2019; 8: 413–419
DOI 10.3238/oup.2019.0413–0419

Summary: Traditionally the rheumatoid arthritis was the main indication for hip replacement in the young patient. This however has changed to patients with avascular femoral head necrosis or hip dysplasia. The present article gives an overview on the results of total hip replacement in young patient with special focus on partial neck preserving short stem designs.

Keywords: hip osteoarthritis, young patient, hip replacement, short stem

Citation: Jerosch J, Breil-Wirth A, Kothny C, Grasselli C, von Engelhardt LV: Hip replacement in young patients. OUP 2019; 8: 413–419 DOI 10.3238/oup.2019.0413–0419

Jörg Jerosch, Andreas Breil-Wirth: Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin des Johanna-Etienne-Krankenhauses Neuss

Christian Kothny: München Ortho-Center; Christian Grasselli: Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Waldburg-Zeil-Klinik Tettnang

Lars Victor von Engelhardt: Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin, Katholisches Karl Leisner Klinikum Kleve und Kevelaer, Universität Witten/Herdecke

Einleitung

Eine endoprothesenpflichtige Coxarthrose kann bei Kindern, Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen vorliegen [1, 20]. Die Hüftprothese ist hier eine effektive Form der Therapie [1, 17, 26, 35]. Bei jüngeren Patienten wird verständlicherweise die Indikation zur Endoprothese wegen der reduzierten Überlebensrate des Implantats und der potenziellen Notwendigkeit für mehrfache Revisionen zurückhaltend gestellt [5, 15, 21, 49]. Die Wahrscheinlichkeit einer Revisionsoperation ist reziprok proportional zum Alter der Patienten [5, 11, 15, 45, 49]. Prinzipiell bestehen Alternativen zur Hüftendoprothese in Form der Resektionsarthroplastik, arthroskopischer Verfahren, Osteotomien im Bereich des Azetabulums und des proximalen Femurs [25, 33, 36, 47]. Diese Verfahren sind prinzipiell auch geeignet, eine Schmerzreduktion durchzuführen und die Funktion zu verbessern. Gelenkerhaltende Eingriffe haben jedoch das Risiko, dass spätere endoprothetische Verfahren deutlich erschwert sind [21, 48, 61]. Die Beratung der Patienten in derartigen Situationen stellt immer eine Schwierigkeit dar.

Allgemeine Literaturübersicht

In dieser Patientengruppe sind die Implantationszahlen naturgemäß nicht hoch [1]. Medcalfe et al. führten anhand des nationalen Prothesenregisters im UK eine Metaanalyse für Alloarthoplastiken bei Patienten unter dem Alter von 20 Jahren durch [44]. Das National Joint Registry (NJR) für England, Wales, Nord-Irland und die Isle of Man wies im Zeitraum von 2003–2017 bei unter 20-Jährigen, die mit einer Hüftendoprothese versorgt wurden, 769 Operationen auf. Der mittlere Nachuntersuchungszeitraum betrug 5 Jahre. Trotz des jugendlichen Alters starben 8 Patienten bis zum Zeitraum der Nachuntersuchung. Die häufigsten Gründe für die Revision waren Prothesenlockerungen (20 %) und Protheseninfektionen (20 %). Faktoren für geringere Überlebenswahrscheinlichkeiten waren Metall-Metall-Gleitpaarungen, Metall-Polyethylen-Gleitpaarungen sowie der Oberflächenersatz. Signifikant besser schnitten Keramik-Polyethylen-Gleitpaarungen und Keramik-Keramik-Gleitpaarungen ab (P = 0,002). Ebenfalls positiver hinsichtlich der Revisionsrate waren Eingriffe, die von Operateuren durchgeführt wurden, die eine geringe Zahl von Hüftendoprothesen in der jungen Altersgruppe durchführten. Operateure, die 5 oder mehr Prothesen in diesem Zeitraum durchführten, zeigten erstaunlicherweise schlechtere Ergebnisse (P = 0,030). Die Kaplan-Meier-Überlebensrate zeigte eine 96%ige Wahrscheinlichkeit für ein Überleben der Implantate nach 5 Jahren. Demgegenüber vermuten verschiedene Autoren, dass es ein reziproker Zusammenhang zwischen Anzahl der Operationen pro Operateur und Rate der Frühlockerungen existiert [34, 51]. So zeigten Ravi et al. einen Zusammenhang zwischen dem erhöhten Revisionsrisiko einer Frührevision, wenn der Operateur weniger als 35 Prothesen pro Jahr implantiert. Andererseits hat sich auch gezeigt, dass die Erfahrung des Operateurs in speziellen Subgruppen, beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis unabhängig von der Fallzahl der Implantationen pro Jahr ist [51]. In früheren Studien waren es hauptsächlich Patienten mit einer juvenilen rheumatoiden Arthritis, die mit einer Endoprothese versorgt wurden. Die Diagnose der rheumatoiden Arthritis reichte bis zu mehr als einem Drittel der Fälle [1]. Metcalfe et al. fanden in ihrer Registerstudie aus dem NJR nur noch 16 % der Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis. 21 % hatten eine Osteonekrose, 19 % eine Dysplasiearthrose und 20 % eine degenerative Coxarthrose [44]. Die Indikation zum Metall-Metall-Oberflächenersatz nahm nach 2008 deutlich ab und verschwand im Jahr 2011 in dieser Altersgruppe nahezu vollständig. Die Ursachen sind sicherlich die Revisionsraten in den Registerdaten und berechtigte Sicherheitsbedenken der Metallabriebe [42, 54, 55]. Depuy zog seinen Oberflächenersatz in Europa im Jahre 2010 zurück. Insbesondere bei jungen Patienten gab es die große Sorge, dass die lange Exposition hinsichtlich der potenziell schädigenden Metallabrieb-Ionen – gerade bei Frauen, bei denen noch eine Schwangerschaft bevorsteht – ein großes Risiko darstellt [49, 53]. Metcalfe et al. und andere Studien zeigten, dass gerade der Oberflächenersatz aufgrund der hierfür typischen Schenkelhalsfrakturen häufiger einer Revision bedurfte [7, 44]. Schließlich zeigte sich eine substanzielle Zunahme der zementfreien Standardprothesen oder Hybridimplantaten, welche auch schon in früheren Berichten Verwendung fanden [1, 37, 44, 45]. Beim Versagen der konventionellen ultrahochmolekularen Polyethylenen(UHMWPE)-Metall-Gleitpaarungen ist die aseptische Lockerung der häufigste Lockerungsmechanismus. Die Inzidenz ist reziprok zum Patientenalter [13]. Es kann durchaus sein, dass dieser Trend in Zukunft aufgrund der neueren Crosslink-Polyethylene (XLPE) verändert wird [4, 38]. Im NJR-Register ist eine Differenzierung zwischen XLPE- und UHMWPE-Implantaten jedoch nicht vorgenommen, sodass hier nur eine begrenzte Aussage möglich ist [62].

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