Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Hüftendoprothetik bei entzündlich rheumatischer Gelenkdestruktion

Tobias Schmidt, Andreas Niemeier, Wolfgang Rüther

Zusammenfassung:
Das Hüftgelenk ist ein häufig betroffenes Gelenk bei Rheumatoider Arthritis. Auch wenn das Hüftgelenk selten den Ort der Primärmanifestation darstellt, so ist es im Verlauf fast immer betroffen und führt unbehandelt zu einer progressiven Gelenkdestruktion mit Ausbildung einer Sekundärarthrose. Trotz der in den letzten Jahren stark verbesserten medikamentösen Therapieoptionen, insbesondere durch die Einführung der Biologika, ist der endoprothetische Gelenkersatz bei Rheumakranken weiterhin ein häufig durchgeführter Eingriff. Aufgrund der spezifischen Pathologie der rheumatoiden Gelenkdestruktion stellt die hüftendoprothetische Versorgung den Operateur vor besondere Herausforderungen. Dies betrifft sowohl die präoperative Vorbereitung, die Operationsdurchführung als auch die Nachbehandlung. Unter Beachtung dieser Besonderheiten sind die Ergebnisse des endoprothetischen Gelenkersatzes bei rheumatischen Erkrankungen jedoch gut und führen häufig zu einer deutlichen Verbesserung der Mobilität und der Lebensqualität.

Schlüsselwörter:
Rheumatoide Arthritis, Protrusio acetabuli, Osteopenie, Usuren, Komplikationen

Zitierweise:
Schmidt T, Niemeier A, Rüther W: Hüftendoprothetik bei entzündlich rheumatischer Gelenk-
destruktion.
OUP 2021; 10: 264–271
DOI 10.3238/oup.2021.0264–0271

Summary: The hip is a frequently affected joint in rheumatoid arthritis. Although the hip is rarely the site of primary manifestation, it is almost always affected during the course of the disease and, if left untreated, leads to progressive joint destruction with the development of secondary osteoarthritis. Despite greatly improved drug therapy options in recent years, especially with the introduction of biologic agents, total hip replacement continues to be a frequently performed procedure in rheumatoid patients. Due to the specific pathology of rheumatoid joint destruction, hip arthroplasty presents special challenges to the surgeon. This concerns the preoperative preparation, the surgical procedure as well as the postoperative treatment. However, taking these special features into account, the results of total hip replacement in rheumatic diseases are good and often lead to a significant improvement in mobility and quality of life.

Keywords: Total hip replacement, protrusio acetabuli, Osteopenia, bone erosion, complications

Citation: Schmidt T, Niemeier A, Rüther W: Total hip arthroplasty in rheumatoid arthritis.
OUP 2021; 10: 264–271. DOI 10.3238/oup.2021.0264–0271

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift

Einführung

Entzündliche Gelenkerkrankungen führen unbehandelt zu einer Gelenkdestruktion und Ausbildung einer Sekundärarthrose. Die häufigste chronisch-entzündliche Gelenkerkrankung ist die Rheumatoide Arthritis (RA), gefolgt von den Spondyloarthritiden (SpA), die nach Neudefinition in die axiale (axSpA) und periphere Spondylarthritis unterteilt wird [1]. Hierzu zählt auch die Psoriasisarthritis. Bei allen entzündlich rheumatischen Gelenkerkrankungen ist die Hüfte ein häufig betroffenes Gelenk, so finden sich bei 30 % von RA Patienten nach 15 Jahren Krankheitsdauer radiologische Veränderungen [2]. Bei der juvenilen Rheumatoiden Arthritis findet sich nach etwa 10 Jahren Krankheitsdauer bei 30–50 % der Patienten eine Beteiligung der Hüfte [3–5].

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Therapie der entzündlich rheumatischen Krankheiten durch effizientere Medikation erheblich verbessert. Sie soll möglichst früh beginnen („window of opportunity“) und von Anfang an zielgerichtet sein („hit hard and early“). Therapieziel ist eine schnelle Remission und geringe Krankheitsaktivität („treat to target“). Entscheidend für den Fortschritt waren Biologika (synthetische krankheitsmodifizierende Antirheumatika sDMARDs), die seit ca. 2000 verwendet werden. Die Palette der Medikamente wurde inzwischen erweitert durch biosimilar Biologika (bsDMARDs) und durch die intrazellulär wirksamen Januskinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren).

Die aktuelle Literatur stellt dar, dass bei insgesamt steigenden Raten von Hüftgelenkersatzoperationen in der Allgemeinbevölkerung der Anteil von Patienten mit entzündlich rheumatischen Krankheiten rückläufig ist [6]. So gibt eine aktuelle Metaanalyse einen Rückgang der Inzidenz des endoprothetischen Hüftgelenkersatzes von Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) um 40 % an, wenn man die Inzidenzen in den Jahren vor 2000 und den Zeitraum 2010–2019 vergleicht [7]. Auch wenn sich dieser Trend in der Zukunft noch verstärken könnte, so ist doch damit zu rechnen, dass eine erhebliche Zahl von RA Patienten eine fortgeschrittene Erkrankung erleidet, die einen endoprothetischen Hüftgelenkersatz notwendig machen, um Mobilität und Lebensqualität zu erhalten. Die Pathogenese der entzündlich rheumatischen Gelenkdestruktion an der Hüfte unterscheidet sich deutlich von der der idiopathischen Coxarthrose. Ihre Kenntnis ist für ein gutes Operationsergebnis vonnöten. Im Folgenden sollen diese Besonderheiten sowie die aktuellen Ergebnisse des endoprothetischen Gelenkersatzes an der Hüfte bei der Rheumatoiden Arthritis dargestellt werden.

Pathogenese der entzündlich rheumatischen Gelenkdestruktion an der Hüfte

Die axiale Spondyloarthritis zeigt periphere Gelenkbeteiligungen, die von einer frühen und sich rasch entwickelnden Sekundärarthose gekennzeichnet sind. Ihre operative Behandlung orientiert sich im Wesentlichen an den Kriterien der Arthrosechirurgie. Besonderes Kennzeichen ist die ausgeprägte osteoblastäre Reaktion mit ummauernden Osteophyten (Abb. 1), die sich klinisch in einer Gelenksteife zu erkennen gibt und bei der endoprothetischen Chirurgie zu berücksichtigen ist. Zur Ossifikationsdiathese gehört hier auch die Neigung zu ektopen Ossifikationen. Die sich primär peripher manifestierende Spondyloarthritis (Psoriasis-Arthritis) entspricht in ihrem Verlauf und ihren orthopädisch-chirurgischen Behandlungsnotwendigkeiten eher der Rheumatoiden Arthritis. Im Folgenden sei deshalb insbesondere auf die Rheumatoide Arthritis und ihre Besonderheiten eingegangen.

Die entzündlich Rheumatische Arthritis ist von einer Infiltration von Entzündungszellen in die Synovialis gekennzeichnet, die hypertrophiert und unbehandelt persistiert [8]. Zu den rekrutierten Entzündungszellen gehören sowohl Zellen des nativen Immunsystems (Makrophagen und Neutrophile) als auch des adaptierenden Immunsystems (B-Zellen, T-Zellen), die über Chemokine und Zytokine den Gelenkknorpel schädigen und im Verlauf zerstören. Die Aggression der Synovialitis richtet sich auf den Knochen (Usur) und auf den Knorpel durch überwachsende Synovialis (Pannus) bzw. chemische Alteration des Knorpels durch Zytokine. Im Gegensatz zu degenerativen Gelenkerkrankungen, die im Wesentlichen auf langsamen Degradationsprozessen der Knorpelmatrix beruhen, führt eine entzündlich rheumatische Synovialitis zu einer relativ raschen Degradation der Knorpelmatrix [9] und zur Zerstörung des gesamten Gelenkes (Abb. 2).

Zur Quantifizierung der radiologischen Veränderungen an der Hüfte kann bei der Rheumatoiden Arthritis die Einteilung nach Larsen verwendet werden, wenngleich diese Einteilung in der Praxis eher an peripheren Gelenken Anwendung findet. In der Larsen-Einteilung werden typische radiologische Phänomene berücksichtigt, die sich auch bei der Manifestation an der Hüfte finden lassen. Sie sind auch für die operative Versorgung im Rahmen der Hüft-TEP-Implantation von Bedeutung.

Osteopenie

Die gelenknahe entzündliche Osteopenie ist ein typisches frühes arthritisches Kollateralphänomen, das sich auch an der Hüfte manifestiert [10], allerdings oft nicht in der Deutlichkeit wie es z.B. an den Händen der Fall ist. Die Demineralisation kann hierbei scharf oder unscharf strukturiert, gleichmäßig oder fleckig und subchondral oder metaphysär lokalisiert sein (Abb. 3). Als Ursache werden Beeinträchtigungen des Knochenstoffwechsels mit Aktivierung von lokalen Osteoklasten durch Entzündungszellen der Synovialis angesehen [11]. Sie führt zu einer gesteigerten Knochenresorption in der Nähe des entzündeten Gelenkes. Die Osteopenie kann auch den Schenkelhals betreffen und zu einer pathologischen Schenkelhalsfraktur führen.

Zerstörung des Knorpels

Die destruktiven Wirkungen auf das Knorpelgewebe spiegeln sich im Röntgenbild wider. Als typisches Zeichen findet sich eine konzentrische, das gesamte Gelenk betreffende
Gelenksspaltverschmälerung (Abb. 3–4.), wohingegen sich bei der idiopathischen Coxarthrose häufig nur eine supero-laterale, zentrale oder inferior-mediale Gelenkspaltverschmälerung zeigt, die durch mechanische Faktoren wie den CCD-Winkel und die Antetorsion oder Retrotorsion des Schenkelhalses und die Pfannenkonfiguration beeinflusst wird. Im Gegensatz zur idiopathischen Coxarthrose zeigen sich bei der Rheumatoiden Arthritis an der Hüfte insbesondere in frühen Stadien häufig nur geringfügige osteoblastäre Reaktionen wie Osteophyten und subchondrale Sklerose. Im Spätstadium kommt es zu einer postarthritischen Sekundärarthrose, die alle Arthrosephänomene zeigt und das arthritische Erscheinungsbild überdecken kann.

Usur

Ein typisches Phänomen der Rheumatoiden Arthrits ist die Usur, die lokale erosive Knochendefekte darstellt und durch lokale Aggression der hypertrophen Synovialitis bedingt ist [12]. Sie nimmt ihren Ausgang immer vom Knorpel-Knochen-Übergang, also von jenen Bereichen des Gelenkraumes, die nicht von Knorpel überdeckt sind. Sie unterscheidet sich damit klar von der Geröllzyste, die meist in der Hauptbelastungszone liegt. Die Synovialitis löst einen lokalen Abbau der Kortikalis aus, dringt in den endostalen Raum ein und zerstört die Spongiosa. An der Hüfte kann es typischerweise zu randständigen halbmondförmigen Osteolysen oder zu vermeintlich zentral gelegenen zystenartigen Osteolysen kommen (Abb. 4). Die Usuren können erhebliche Größe annehmen und die mechanische Stabilität des Schenkelhalses gefährden.

Protrusio acetabuli

Die Fossa acetabuli ist nicht überknorpelt und mit lockerem Bindegewebe gefüllt. Die proliferierende Synovialitis kann von hier zwischen die knöcherne Lamina interna und externa des Pfannenbodens usurierend eindringen und den Pfannenboden zerstören. Es kommt zur Protrusion mit zentraler Migration, die nicht selten von einer kranialen Migration des Hüftkopfes begleitet wird. Schließlich können erhebliche knöcherne Azetabulumdefekte resultieren (Abb. 5).

Knochennekrosen

Im Zusammenwirken der Knorpeldestruktion von der Gelenkseite und der Knochendestruktion durch Usuren im endostalen Raum treten fokale Knochennekrosen auf, die vor allem den Hüftkopf betreffen. Sie bleiben meist klein und sind im Röntgenbild nicht sicher zu identifizieren, aber in der Histologie zu erkennen. Es lässt sich am Endzustand der Hüftgelenksdestruktion meist nicht entscheiden, welcher Knochenverlust durch Nekrose und welcher durch usurierende Resorption bedingt ist (Abb. 3).

Zusammenfassend ist das entzündlich rheumatische Hüftgelenk gekennzeichnet von:

periartikulärer Osteopenie

Usuren am Schenkelhals

Usuren am Pfannenboden mit Protrusion

großflächigem Abbau des Gelenkknorpels mit konzentrischer Verschmälerung des Gelenkspaltes

fehlenden oder gering ausgeprägten osteoblastären Reaktionen wie Osteophyten und subchondralen Sklerosen. Erst im Stadium der Sekundärarthrose treten die charakteristischen Arthrosezeichen auf.

Knochennekrosen an Hüftkopf und Acetabulum

Verlaufsformen am Hüftgelenk

Die Manifestation der Rheumatoiden Arthritis an der Hüfte zeigt große Variationen. Auch wenn sich die Verläufe teils überlappen und nicht immer eindeutig abzugrenzen sind, so können vier Subtypen charakterisiert werden:

Dysplastische Form

Bei der juvenilen rheumatischen Arthritis (jcA) kann bei Beteiligung des Hüftgelenkes eine Valgisierung und Lateralisation des Hüftkopfes auftreten, die durch den entzündungsbedingten Wachstumsschub der femoralen Epiphysen bedingt ist. Das radiologische Bild erinnert an eine Dysplasie-Coxarthrose (Abb. 6).

Protrusionsform

Usuren der Fovea centralis können zu einer Destruktion der äußeren Kortikalis und der Sponiosa des Pfannenbodens führen. Im weiteren Verlauf bricht der Pfannenboden ein, der Pfannenradius erweitert sich und der Hüftkopf migriert nach zentral-kranial. Dies kann durch den frühzeitigen Epiphysenschluss bei der jcA verstärkt werden, da der Hüftkopf einen kleinen Durchmesser behält (Abb. 7).

Im höheren Lebensalter kann eine Protrusion auch durch den Verlust der knöchernen Architektur im Rahmen der Osteoporose bedingt sein. Kleinere Stressfrakturen am Pfannenboden führen dann zu einer Protrusion des Hüftkopfes und einer zunehmenden Inkongruenz der Gelenkpartner.

Arthrotische Form

Auch bei einer medikamentös gut eingestellten RA und einer befriedigenden Inflammationsregression der Synovialitis kann es im Verlauf zu einer postarthritischen Coxarthrose kommen. Möglicherweise wurde das Gelenk über viele Jahre von arthritischen Schüben betroffen, jedoch ohne eine rasche Destruktion zu erleiden. Daher zeigen sich radiologisch typische Zeichen einer langsamen Arthoseentwicklung, wie man es bei der idiopathischen Coxarthrose findet. Dann sind Osteophyten am Hüftkopf und am Pfannenboden charakteristisch.

Rasch-destruktive Form

Diese Form zeichnet sich durch eine rapide, innerhalb von Wochen bis Monaten auftretende Destruktion des Hüftkopfes aus, ggf. mit zusätzlicher lokalen Erosion des Pfannenbodens (Abb. 8). Möglicherweise ist eine langjährige Kortisonmedikation ursächlich, die zu einer lokalen Perfusionsstörung führt und eine Hüftkopfnekrose bedingt [13]. Ähnliche Verläufe finden sich auch im Rahmen der Rapid-Destructive Hip Disease (RDHD) im höheren Lebensalter. Bei beiden Verläufen lassen sich histologisch massenhaft aktivierte Riesen-Osteoklasten nachweisen, die zu einer Demineralisation und Osteolyse des umliegenden Knochengewebes führen können [14].

Hüftendoprothetische
Versorgung bei der
Rheumatoiden Arthritis

Die Operationsprinzipien der hüftendoprothetischen Versorgung bei der Rheumatoiden Arthritis unterscheiden sich von denen bei der primären Coxarthrose nicht grundlegend. Aber es sind einige wesentliche Besonderheiten zu berücksichtigen.

Präoperative Vorbereitung

In der Vorbereitung zur Operation ist die aktuelle DMARD-Medikation des Patienten unbedingt zu berücksichtigen. Eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) berücksichtigt die aktuelle Literatur [15]: Vor der Implantation einer Hüftendoprothese sollten alle TNF-? Antagonisten 2 Halbwertszeiten pausiert werden. Bei Abatacept, Tocilizumab und Rituximab sollte die Operation am Ende des Intervalls erfolgen. Leflunomid sollte aufgrund des hohen Risikos einer Wundheilungsstörung mittels Cholestyramin ausgewaschen werden. Die Anwendung von Methotrexat und Glukokortikoiden kann perioperativ in unveränderter Dosierung fortgesetzt werden.

In vielen Fällen besteht eine entzündungsbedingte Anämie, die durch einen Eisenmangel verstärkt sein kann. Der Eisenmangel sollte präoperativ ausgeglichen werden. Erythropoietin wird als präoperative Medikation diskutiert, um postoperative Bluttransfusionen zu vermeiden oder zu vermindern.

Präoperative Planung

Der Standard für die Prothesenplanung ist die tiefe Beckenübersichtsaufnahme mit Eichkugel sowie eine Aufnahme nach Lauenstein. Bei ausgedehnten knöchernen Defekten ist die ergänzende Computertomographie (CT) hilfreich, um eine dreidimensionale Darstellung der Knochendefekte zu erreichen. Das Ziel des endoprothetischen Gelenkersatzes ist die Rekonstruktion der individuellen Anatomie unter Berücksichtigung der femoralen und azetabulären Offsets sowie der Beinlänge. Es kann unter Umständen nützlich sein, eine geringer betroffene Gegenseite als Maßstab zu benutzen.

Sehr hilfreich zur Beurteilung der Knochenmasse ist die präoperative Knochendichtemessung in DXA-Technik und ggf. die Einleitung einer spezifischen anti-osteoporotischen Therapie nach aktueller DVO-Leitlinie [16]. Aktuelle Studien verdeutlichen, dass auch bei Patienten mit einer RA, genauso wie in der Allgemeinbevölkerung, eine Osteoporose unterdiagnostiziert und unterbehandelt ist [17]. Gerade im Fall einer elektiven Operation kann eine präoperative Therapie bereits innerhalb von wenigen Monaten zu einer signifikanten Verbesserung der Knochenqualität führen. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der wachsenden Anzahl an hochpotenter anti-osteoporotischer Medikamente [18].

Intraoperative Besonderheiten

Das rheumatisch destruierte Gelenk bietet besondere Herausforderungen durch Knochendefekte, Malposition/Malformation der Gelenkkörper und die Osteopenie. Die Verankerung von Prothesenschaft und -pfanne ist aufgrund der häufig deutlich komprimierten Knochenstabilität schwieriger und fordert ggf. zusätzliche Maßnahmen. Pfannenprotrusion und Frakturen des Pfannenbodens erschweren die korrekte Positionierung des Pfannenimplantates. Insgesamt sollte daher bei der RA die Indikation zum endoprothetischen Gelenkersatz frühzeitig gestellt werden, um Situationen mit ausgedehnten Destruktionen zu vermeiden. Schonende und knochensparende Präparationtechnik ist selbstverständlich, bei der RA aber noch einmal bedeutungsvoller, weil es sich vielfach um junge Patienten handelt, die noch eine Wechseloperation zu erwarten haben. Es gilt somit bei der Erstversorgung eine lange Standzeit mit geringem Knochenverbrauch zu erreichen.

Knochenstruktur/Osteopenie

Die verminderte mechanische Knochenqualität bei der Rheumatoiden Arthritis ist als wesentliche Herausforderung bei der Implantation einer Hüftendoprothese anzusehen. Im Falle einer juvenilen RA und Sekundärarthrose im frühen Erwachsenalter findet sich häufig nur eine geringe Verminderung der Knochendichte, nach langjährigem Erkrankungsverlauf und vor allem langjähriger Kortisontherapie kann diese jedoch zu schweren Formen einer Osteoporose führen [19]. Rheumapatienten zeigen auch eine erhöhte Anzahl an hüftgelenksnahen Frakturen verglichen zur Normalbevölkerung [20].

Pfannenrekonstruktion

Am Azetabulum des rheumatisch destruierten Gelenks findet sich häufig eine Schwächung des dorsalen Pfannenrands und eine Steilstellung der Pfanneneingangsebene, vergleichbar mit einer schweren Dysplasiecoxarthrose [21]. Eine Protrusion des Azetabulums medialisiert das Drehzentrum und vermindert das physiologische Offset [22]. Dann kann die Rekonstruktion des ursprünglichen Drehzentrums und die gewünschte Inklination der Pfanne in 40°–45° eine Herausforderung sein. Die Eingangsöffnung zur Pfanne ist manchmal kleiner als der tiefere Pfannendurchmesser (Abb. 7).

Folgende Ziele sind zu erreichen:

Korrektur der Pfanneneingangsebene

Wiederherstellung des azetabulären Drehzentrums

Stabilisation des Pfannenbodens und Wiederherstellung eines tragfähigen Pfannenlagers

Neben der generellen Knochendichtemessung finden sich insbesondere bei der Protrusionsform und der Destruktionsform eine lokal stark erhöhte Knochenresorption bedingt durch die Osteoklasten-Aktivierung. Dies muss insbesondere bei der Pfannenpräperation beachtet werden, um eine zu tiefe Fräsung oder eine Azetabulumfraktur beim Einschlagen einer Press-Fit Pfanne zu vermeiden.

Bei kleineren Pfannendefekten und bei moderater Protrusion kann es ausreichen, eine Pfannenbodenplastik mittels autologer Knochenspongiosa aus dem resezierten Hüftkopf durchzuführen, bei größeren Defekten unter Hinzunahme von allogener gefriergetrockneter Knochenspongiosa [23, 24]. Größere Stücke von 8–10 mm zeigen ein bessere Integration als Knochenmehl [25, 26] . Zudem sollten fettige Anteile möglichst entfernt werden, weil sie das Verwachsen der Transplantatspongiosa bremsen. Möglich ist die Auffüllung mittels Spongiosa bei intaktem Pfannenboden. Bei ausgeprägten Formen der Protrusion ist auch die Verwendung von autologen oder allogenen Knochenscheiben möglich, die den Raum zwischen letzter Fräsung und Azetabulumgrund ausfüllen [27]. In jedem Fall sollte der Pfannenrand bei der Fräsung erhalten bleiben. Für die meisten Press-Fit Pfannen ist ein Implantat-Knochen-Kontakt von 60 % notwendig, um eine primärstabile Verankerung zu erreichen. Dies gelingt in der Primärsituation bei der RA in der Regel.

Für größere kavitäre Defekte eignet sich die Einteilung nach Paprosky, wie sie für die Revisionssituation verwendet wird [29]. Bei segmentalem Defekt der Hauptbelastungszone am dorsokranialen Pfannenrand, die bei der rheumatischen Destruktion häufiger vorkommt, kann die Verwendung von metallischen Augmenten (Wedges) sinnvoll sein, um das Rotationszentrum zu kaudalisieren (Abb. 9). Solange die anteriore und posteriore Wand erhalten ist, zeigten auch bei größeren kavitären Defekten Pfannen aus trabekulärem Metall gute Ergebnisse [30]. Bei großen zentralen sowie dorsokranialen Pfannenranddefekten sind in der Regel strukturelle metallische Augmente notwendig. Es kommen hochporöse Pressfitpfannen zur Anwendung, welche unter das metallische Augment eingebracht werden können [31–33]. Hiermit kann das Rotationszentrum anatomisch rekonstruiert werden. Bei noch ausgedehnteren Defekten kann womöglich kein stabiles Implantat-Knochen-Interface mit Pressfitpfannen erzielt werden. In diesem Fall muss eine Abstützschale mit zusätzlichem Pfannenaufbau mittels allogener Knochenspongiosa verwendet werden. Ebenso kommen Pfannendachschalen bei größeren Pfannenbodenperforationen oder bei Azetabulum-Frakturen mit Beckendiskontinuität zur Anwendung [34]. Diese Situationen sind in der Primärversorgung eher eine Ausnahme.

Prinzipiell ist auch die Verwendung von zementierten Pfannen möglich. Durch eine gute Implantationstechnik können gute Ergebnisse mit langen Standzeiten erreicht werden. Kleinere Defekte am Pfannenrand können mittels Zement ausgefüllt werden, auch ist hier eine Kompensation von ausgedünntem dorsalen Pfannenrand wie bei der dysplastischen Form durch den Zement möglich. In der Literatur finden sich ältere Studien mit höheren Raten aseptischer Lockerungen, die in neueren Studien und Registerdaten mit moderner Zementiertechnik nicht mehr beschrieben werden [35, 36]. Für größere Defekte eignet sich eine Zementauffüllung nicht.

Schaftversorgung

Bei der Schaftversorgung muss ebenfalls der verminderten Knochenqualität Rechnung getragen werden. Auch im Bereich der Metaphyse und des Schenkelhalses wurde eine gestörte Knochenarchitektur nachgewiesen [37, 38]. Dennoch zeigen sich auch bei der RA gute Ergebnisse mit der zementfreien Verankerung [36, 39–41]. Es liegen vor allem Ergebnisse von diaphysär verankerten Prothesentypen vor. Bei jüngeren Patienten mit gut erhaltener Knochensubstanz können jedoch aus Sicht der Autoren durchaus auch Kurzschaftprothesen mit metaphysärer Verankerung verwendet werden (Abb. 10). Einige Studien zeigen zufriedenstellende Ergebnisse bei der RA, es fehlen jedoch noch die Langzeitdaten [42]. Eine 6-wöchige Entlastung an Unterarmgehstützen kann in Betracht gezogen werden [42].

Bei älteren Patienten und Patienten mit bekannter Osteoporose besteht die Indikation für eine zementierte Schaftverankerung. Es ist zu beachten, dass auch jüngere Patienten mit jahrelanger Kortisontherapie ein hohes Risiko für eine Osteoporose aufweisen. Im Zweifelsfall sollte eine präoperative Knochendichtemessung in Betracht gezogen werden. Bei starker Reduktion der Knochenmasse sollte auch beim jüngeren Patienten ein zementierter Schaft erwogen werden, um intraoperative Frakturen bei Verwendung eines zementfreien Implantats zu vermeiden [43].

Bei juveniler RA ist zu beachten, dass ggf. Spezialimplantate notwendig sind, insbesondere bei den dysplastischen Formen mit einer pathologischen Antetorsion des Schenkelhalses. Hier können Konusschäfte mit frei wählbarer Rotation notwendig werden [44]. Kleine Größen müssen bevorratet sein!

Synovialektomie

Beim Ersatz des Hüftgelenkes erübrigt sich meist die Frage, ob zusätzlich eine Synovialektomie durchzuführen ist, weil meist – schon kontrakturbedingt – eine vollständige Resektion der fibrösen Kapsel und mit ihr des Synovialgewebes notwendig wird. Wichtig ist es, auf ventrale Arthrocelen zu achten bzw. auf eine Verbindung des Gelenkraumes mit der Bursa iliopectinea. Die Verbindung sollte ggf. breit eröffnet werden, um einen Flüssigkeitsverhalt in der Bursa zu verhindern (Abb. 11).

Zugang

Die Zugänge zum Hüftgelenk unterscheiden sich beim Rheumatiker nicht gegenüber der Versorgung bei der primären Coxarthrose. Es kommen der anteriore (Smith-Peterson-Zugang), der anterolaterale (Watson-Jones-Zugang), der transgluteale (Bauer-Zugang) sowie der dorsale Zugang (Moore-Zugang) zum Einsatz. Alle Zugänge weisen in neueren Studien exzellente Ergebnisse auf [45]. Bei der Wahl des Zuganges sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden: ein möglichst geringes Muskel,- und Weichteiltrauma, ein niedriges Risiko für neurovaskuläre Komplikationen und eine optimale Implantatpositionierung. Vor diesem Hintergrund erscheint der transgluteale Zugang, bei dem der M.gluteus medius inzidiert wird, von Nachteil zu sein [46]. In jüngerer Zeit ist ein Trend zu minimal-invasiven Zugängen zu erkennen. Dabei erscheint insbesondere der anteriore Zugang, der das Intervall zwischen dem M.tensor fasciae latae und dem M.sartorius nutzt, Vorteile zu bieten [47–49]. Dennoch lassen sich in neueren Studien mittelfristig keine eindeutigen Vorteile nachweisen. Früh postoperativ zeigten einigen Studien ein besseres funktionelles Outcome, das ein Jahr postoperativ häufig nicht mehr nachweisbar war [50, 51]. Zudem zeigen Studien auch, dass eine schlechte Exposition zu höheren Komplikationsraten führen können [52, 53]. Insbesondere besteht eine Gefahr für eine Fehlpositionierung der Prothesenkomponenten.

War in älteren Studien vor allem der dorsale Zugang mit höheren Luxationsraten assoziiert, so lässt sich in neueren Studien diesbezüglich häufig kein signifikanter Unterschied zu anderen Zugängen nachweisen [55, 56].

Prinzipiell ist auch bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis ein geringes Weichteiltrauma von Vorteil, jedoch ist aufgrund der häufig verminderten Knochenqualität sowie der teils ausgeprägten Destruktion der Pfanne eine optimale Exposition von großer Wichtigkeit. Ebenfalls sollte die Exposition eine gute Übersicht für eine vollständige Synovialektomie bieten. Daher sollten minimal-invasive Zugänge nur mit Bedacht und bei Patienten ohne stärkere Gelenkdestruktion angewendet werden. Anhand der aktuellen Studienlage lässt sich schlussfolgern, dass das wichtigste Kriterium für die Wahl des Zuganges die Erfahrung des Operateurs darstellt.

Ergebnisse nach
endoprothetischem
Gelenkersatz

Neuere Studien zeigen sehr gute Ergebnisse für den endoprothetischen Gelenkersatz an der Hüfte bei der RA [35, 57]. Wurde in älteren Studien vor allem deutlich erhöhte Raten an Luxationen, Infektion und auch aspetischen Lockerungen berichtet, lassen sich diese in neueren Studien nicht mehr nachweisen. Es besteht jedoch auch in diesen Studien ein Trend zu moderat erhöhten Luxationsraten und Infektionsraten im Vergleich zu Arthrosepatienten [58]. In einer großen Metaanalyse wurde ein etwa 2-fach erhöhtes Luxationsrisiko anhand der aktuellen Studienlage errechnet [59]. Als Ursache für die erhöhten Luxationsraten werden u.a. die verminderte Muskelkraft bei Rheumakranken sowie die nicht ausreichende Rekonstruktion des azetabulären Drehzentrums bei einer Protrusionsform diskutiert [59]. Aus Sicht der Autoren rechtfertigen diese moderat erhöhten Luxationsraten nicht den generellen Einsatz von tripolaren Pfannensystemen bei der RA, jedoch kann die Verwendung im Einzelfall unter Beachtung der Patienten individuellen Risikofaktoren in Betracht gezogen werden.

In Bezug auf die Rate an periprothetischen Infektionen nach Hüft-TEP Implantation bei RA ist die Studienlage nicht einheitlich. Während einige Studien und Registerdaten keine signifikant erhöhte Rate berichten [60], so zeigen andere teils deutlich erhöhte Raten [6, 58, 61]. Als Ursachen für die erhöhten Infektionsraten werden die systemischen Wirkungen der Grunderkrankungen und die immunsuppressive Therapie, insbesondere die Verwendung von Biologika, diskutiert. Auch wenn es diesbezüglich Hinweise für Wundheilungsstörungen und erhöhte Infektionsraten gibt [62], so ist die Studienlage insgesamt noch nicht ausreichend, um eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen. Die aktuellen Leitlinienempfehlungen zur Medikationspause, insbesondere bei Biologika und Leflunomid stellen eine Vorsichtsmaßnahme dar.

Bezüglich des postoperativen Funktions- und Schmerzniveaus ist die Studienlage ebenfalls nicht eindeutig. Aktuelle Studien demonstrieren einerseits eine sehr gute Verbesserung des gelenkspezifischen Scores (Oxford Hip Score) sowie der Lebensqualität [63, 64], andererseits bleiben auch hier die Ergebnisse leicht hinter denen von Arthrosepatienten zurück.

Sind die Standzeiten sowie die funktionellen Ergebnisse bei der Primärimplantation sehr zufriedenstellend, so sind sie im Revisionsfall deutlich schlechter. Es finden sich nur sehr wenige Studien für Patienten mit einer RA, jedoch zeigen sie hohe Raten an erneuten Revisionen [65, 66]. Sind bei der Primärimplantation die zementierte und zementfreie Versorgungen gleichwertig, so scheinen zementfreie Verfahren in der Revisionssituation die besseren Ergebnisse zu liefern [67]. Dies kann vor allem auf die starke Sklerose des Knochens bei einer Lockerung zurückgeführt werden, die keine ausreichende Verankerung des Zements erlaubt.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag
finden Sie auf:
www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

Priv.Doz. Dr. Tobias Schmidt

Klinik für Orthopädie
und Unfallchirurgie

Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift

Hamburger Str. 41

21465 Reinbek

tobias.schmidt@krankenhaus-reinbek.de

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