Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021
Hüftendoprothetik bei entzündlich rheumatischer Gelenkdestruktion
Zur Quantifizierung der radiologischen Veränderungen an der Hüfte kann bei der Rheumatoiden Arthritis die Einteilung nach Larsen verwendet werden, wenngleich diese Einteilung in der Praxis eher an peripheren Gelenken Anwendung findet. In der Larsen-Einteilung werden typische radiologische Phänomene berücksichtigt, die sich auch bei der Manifestation an der Hüfte finden lassen. Sie sind auch für die operative Versorgung im Rahmen der Hüft-TEP-Implantation von Bedeutung.
Osteopenie
Die gelenknahe entzündliche Osteopenie ist ein typisches frühes arthritisches Kollateralphänomen, das sich auch an der Hüfte manifestiert [10], allerdings oft nicht in der Deutlichkeit wie es z.B. an den Händen der Fall ist. Die Demineralisation kann hierbei scharf oder unscharf strukturiert, gleichmäßig oder fleckig und subchondral oder metaphysär lokalisiert sein (Abb. 3). Als Ursache werden Beeinträchtigungen des Knochenstoffwechsels mit Aktivierung von lokalen Osteoklasten durch Entzündungszellen der Synovialis angesehen [11]. Sie führt zu einer gesteigerten Knochenresorption in der Nähe des entzündeten Gelenkes. Die Osteopenie kann auch den Schenkelhals betreffen und zu einer pathologischen Schenkelhalsfraktur führen.
Zerstörung des Knorpels
Die destruktiven Wirkungen auf das Knorpelgewebe spiegeln sich im Röntgenbild wider. Als typisches Zeichen findet sich eine konzentrische, das gesamte Gelenk betreffende
Gelenksspaltverschmälerung (Abb. 3–4.), wohingegen sich bei der idiopathischen Coxarthrose häufig nur eine supero-laterale, zentrale oder inferior-mediale Gelenkspaltverschmälerung zeigt, die durch mechanische Faktoren wie den CCD-Winkel und die Antetorsion oder Retrotorsion des Schenkelhalses und die Pfannenkonfiguration beeinflusst wird. Im Gegensatz zur idiopathischen Coxarthrose zeigen sich bei der Rheumatoiden Arthritis an der Hüfte insbesondere in frühen Stadien häufig nur geringfügige osteoblastäre Reaktionen wie Osteophyten und subchondrale Sklerose. Im Spätstadium kommt es zu einer postarthritischen Sekundärarthrose, die alle Arthrosephänomene zeigt und das arthritische Erscheinungsbild überdecken kann.
Usur
Ein typisches Phänomen der Rheumatoiden Arthrits ist die Usur, die lokale erosive Knochendefekte darstellt und durch lokale Aggression der hypertrophen Synovialitis bedingt ist [12]. Sie nimmt ihren Ausgang immer vom Knorpel-Knochen-Übergang, also von jenen Bereichen des Gelenkraumes, die nicht von Knorpel überdeckt sind. Sie unterscheidet sich damit klar von der Geröllzyste, die meist in der Hauptbelastungszone liegt. Die Synovialitis löst einen lokalen Abbau der Kortikalis aus, dringt in den endostalen Raum ein und zerstört die Spongiosa. An der Hüfte kann es typischerweise zu randständigen halbmondförmigen Osteolysen oder zu vermeintlich zentral gelegenen zystenartigen Osteolysen kommen (Abb. 4). Die Usuren können erhebliche Größe annehmen und die mechanische Stabilität des Schenkelhalses gefährden.
Protrusio acetabuli
Die Fossa acetabuli ist nicht überknorpelt und mit lockerem Bindegewebe gefüllt. Die proliferierende Synovialitis kann von hier zwischen die knöcherne Lamina interna und externa des Pfannenbodens usurierend eindringen und den Pfannenboden zerstören. Es kommt zur Protrusion mit zentraler Migration, die nicht selten von einer kranialen Migration des Hüftkopfes begleitet wird. Schließlich können erhebliche knöcherne Azetabulumdefekte resultieren (Abb. 5).
Knochennekrosen
Im Zusammenwirken der Knorpeldestruktion von der Gelenkseite und der Knochendestruktion durch Usuren im endostalen Raum treten fokale Knochennekrosen auf, die vor allem den Hüftkopf betreffen. Sie bleiben meist klein und sind im Röntgenbild nicht sicher zu identifizieren, aber in der Histologie zu erkennen. Es lässt sich am Endzustand der Hüftgelenksdestruktion meist nicht entscheiden, welcher Knochenverlust durch Nekrose und welcher durch usurierende Resorption bedingt ist (Abb. 3).
Zusammenfassend ist das entzündlich rheumatische Hüftgelenk gekennzeichnet von:
periartikulärer Osteopenie
Usuren am Schenkelhals
Usuren am Pfannenboden mit Protrusion
großflächigem Abbau des Gelenkknorpels mit konzentrischer Verschmälerung des Gelenkspaltes
fehlenden oder gering ausgeprägten osteoblastären Reaktionen wie Osteophyten und subchondralen Sklerosen. Erst im Stadium der Sekundärarthrose treten die charakteristischen Arthrosezeichen auf.
Knochennekrosen an Hüftkopf und Acetabulum
Verlaufsformen am Hüftgelenk
Die Manifestation der Rheumatoiden Arthritis an der Hüfte zeigt große Variationen. Auch wenn sich die Verläufe teils überlappen und nicht immer eindeutig abzugrenzen sind, so können vier Subtypen charakterisiert werden:
Dysplastische Form
Bei der juvenilen rheumatischen Arthritis (jcA) kann bei Beteiligung des Hüftgelenkes eine Valgisierung und Lateralisation des Hüftkopfes auftreten, die durch den entzündungsbedingten Wachstumsschub der femoralen Epiphysen bedingt ist. Das radiologische Bild erinnert an eine Dysplasie-Coxarthrose (Abb. 6).
Protrusionsform
Usuren der Fovea centralis können zu einer Destruktion der äußeren Kortikalis und der Sponiosa des Pfannenbodens führen. Im weiteren Verlauf bricht der Pfannenboden ein, der Pfannenradius erweitert sich und der Hüftkopf migriert nach zentral-kranial. Dies kann durch den frühzeitigen Epiphysenschluss bei der jcA verstärkt werden, da der Hüftkopf einen kleinen Durchmesser behält (Abb. 7).
Im höheren Lebensalter kann eine Protrusion auch durch den Verlust der knöchernen Architektur im Rahmen der Osteoporose bedingt sein. Kleinere Stressfrakturen am Pfannenboden führen dann zu einer Protrusion des Hüftkopfes und einer zunehmenden Inkongruenz der Gelenkpartner.
Arthrotische Form
Auch bei einer medikamentös gut eingestellten RA und einer befriedigenden Inflammationsregression der Synovialitis kann es im Verlauf zu einer postarthritischen Coxarthrose kommen. Möglicherweise wurde das Gelenk über viele Jahre von arthritischen Schüben betroffen, jedoch ohne eine rasche Destruktion zu erleiden. Daher zeigen sich radiologisch typische Zeichen einer langsamen Arthoseentwicklung, wie man es bei der idiopathischen Coxarthrose findet. Dann sind Osteophyten am Hüftkopf und am Pfannenboden charakteristisch.
Rasch-destruktive Form
Diese Form zeichnet sich durch eine rapide, innerhalb von Wochen bis Monaten auftretende Destruktion des Hüftkopfes aus, ggf. mit zusätzlicher lokalen Erosion des Pfannenbodens (Abb. 8). Möglicherweise ist eine langjährige Kortisonmedikation ursächlich, die zu einer lokalen Perfusionsstörung führt und eine Hüftkopfnekrose bedingt [13]. Ähnliche Verläufe finden sich auch im Rahmen der Rapid-Destructive Hip Disease (RDHD) im höheren Lebensalter. Bei beiden Verläufen lassen sich histologisch massenhaft aktivierte Riesen-Osteoklasten nachweisen, die zu einer Demineralisation und Osteolyse des umliegenden Knochengewebes führen können [14].