Übersichtsarbeiten - OUP 02/2021

Hüftimpingement aus der Sicht der evidenzbasierten Medizin
Warum ist die arthroskopische Korrektur der konservativen Therapie überlegen und welche Langzeitfolgen hat das nicht-operative Vorgehen?

Jörg Schröder

Zusammenfassung:
In den letzten Jahren ist das Wissen über präarthrotische Deformitäten des Hüftgelenkes und ihre Behandlung deutlich gewachsen. Das femoroazetabuläre Impingement (FAI) wird heute als wesentliche präarthrotische Deformität und Ursache von bis zu 50 % aller Koxarthrosen gewertet. Die Behandlung des FAI-Syndroms kann mittels konservativer Therapie, Physiotherapie oder einer Operation erfolgen. Unter den operativen Verfahren hat sich die Hüftarthroskopie als Goldstandard etabliert, es fehlten aber lange hochwertige Studien hierzu.
Randomisiert kontrollierte Studien (RCT) zeigen nun, dass Hüftarthroskopie zu einer signifikanten Besserung der Beschwerden führt und dabei der Physiotherapie signifikant (und das Maß des minimal für den Patienten bedeutsamen Unterschiedes überschreitend) überlegen ist. Ob die mit der operativen Korrektur verbundene Verbesserung der Hüftmorphologie langfristig auch das Risiko für eine Arthrose reduziert, kann aus der heutigen Datenlage noch nicht beantwortet werden.
Jüngere Patienten mit einem FAI-Syndrom, positiven klinischen Tests und passendem radiologischen Befund ohne wesentliche Degeneration des Gelenkes sollten im Rahmen der gemeinsamen Therapieplanung über die Möglichkeit der arthroskopischen Korrektur und deren Überlegenheit im Ergebnis beraten werden.

Schlüsselwörter:
FAI, Hüftimpingement, Hüftarthroskopie, Physiotherapie, Evidenz

Zitierweise:
Schröder J: Hüftimpingement aus der Sicht der evidenzbasierten Medizin. Warum ist die arthroskopische Korrektur der konservativen Therapie überlegen und welche Langzeitfolgen hat das nicht-operative Vorgehen?
OUP 2021; 10: 79–84
DOI 10.3238/oup.2021.0079–0084

Summary: In recent years, knowledge about prearthrotic deformities of the hip joint and their treatment has grown significantly. Femoroacetabular impingement (FAI) is now considered a major prearthrotic deformity and cause of up to 50 % of all osteoarthritis hip disease. Treatment for FAI syndrome can be conservative therapy, physical therapy or surgery. Among surgical procedures, hip arthroscopy has established itself as the gold standard, but high-quality studies have been lacking for a long time.
Randomized controlled trials (RCT) now show that hip arthroscopy leads to a significant improvement in symptoms and is significantly superior to physiotherapy alone, exceeding the minimum clinically important difference. Wether the improvement in hip morphology associated with surgical correction also reduces the risk of osteoarthritis in the long-term cannot yet be answered from the current data.
Younger patients with FAI syndrome, positive clinical tests and appropriate radiological findings without significant degeneration of the joint should be advised about the possibility of arthroscopic correction and its superiority in outcome as part of the shared decision-making.

Keywords: FAI, hip impingement, hip arthroscopy, physiotherapy, evidence

Citation: Schröder J: Hip impingement from the perspective of evidence-based medicine. Why is arthroscopic correction superior to conservative therapy and what are the long-term consequences of a non-operative approach?
OUP 2021; 10: 79–84. DOI 10.3238/oup.2021.0079–0084

Jörg Schröder: Unfallkrankenhaus Berlin, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie

Einleitung

Die Arthrose des Hüftgelenkes ist eine Volkskrankheit, das Risiko eine symptomatische Koxarthrose zu entwickeln beträgt ca. 25 % [22] und führt in ca. 10 % der Bevölkerung zur Implantation einer Hüftendoprothese [5]. Dementsprechend gehört diese Operation zu den am häufigsten in Deutschland durchgeführten Eingriffen.

In den letzten Jahren ist das Wissen über präarthrotische Deformitäten des Hüftgelenkes und ihre Behandlung deutlich gewachsen. Auch wenn es schon früh Hinweise gab, dass eine Vielzahl der vermeintlich primären Koxarthrosen auf eine Veränderung des Kopf-Hals-Überganges oder milde Dysplasien zurückzuführen ist [13], wurde insbesondere den anatomischen Veränderungen am Schenkelhals lange wenig Beachtung geschenkt (Abb. 1). Erst mit der Etablierung des biomechanischen Konzeptes des femoroacetabulären Impingements (FAI) als dynamischer intraartikulärer Konflikt durch Reinhold Ganz hat sich dies verändert [24]. Beim FAI kommt es zu einem frühzeitigen intraartikulären pathologischen Kontakt zwischen Pfannenrand und Schenkelhals, abhängig vom Mechanismus bzw. Lokalisation der Morphologie wird hierbei eine sogenannte CAM- und eine Pincer-Variante sowie ein Mischbild aus beiden unterschieden.

Beim CAM-Impingement führt eine fehlende Konkavität oder sogar Konvexität des Kopf-Hals-Überganges, insbesondere bei Beugung und Innenrotation zu einer Scherwirkung auf den korrespondierenden azetabulären Knorpel (Abb. 2a). Beim Pincer-Impingement verursacht ein verfrühter linearer Kontakt zwischen einem vorstehenden Pfannenrand und dem Schenkelhals eine Kompression des chondrolabralen Komplexes (Abb. 2b). Das wiederholte Impingement führt zu chondrolabralen Schäden, die als Ursache der im Verlauf auftretenden Schmerzen des FAIs angesehen werden.

Insbesondere das CAM-Impingement wird heute als präarthrotische Deformität gewertet [16, 17]. Es wird geschätzt, dass sich bis zu 50 % aller Koxarthrosen als Folge eines FAIs entwickeln [3]. Dabei ist die Prävalenz der FAI-Morphologie mit ca. 20 % in der Bevölkerung hoch, allerdings entwickeln weniger als 25 % der Betroffenen Beschwerden im Sinne eines FAI-Syndroms. Dieser Begriff spiegelt die zentrale Rolle der Symptome für die Relevanz dieser Pathologien wieder.

Für eine Diagnose des Hüftimpingements ist die Trias aus Beschwerden, positiven klinischen Tests und passendem radiologischen Befund erforderlich [11].

Das primäre Behandlungsziel bei symptomatischen Patienten liegt in der Reduktion von Schmerzen und Verbesserung der Funktion des Gelenks, dies kann durch eine konservative Therapie, eine Physiotherapie oder eine Operation erfolgen.

Eine konservative Therapie des FAI beinhaltet u.a. eine Aufklärung/Schulung bezüglich der Problematik, eine Verhaltensmodifikation und Modifikation der körperlichen Aktivität als auch ein beobachtendes Abwarten. Eine physiotherapeutische Behandlung zielt u.a. auf eine Verbesserung der Hüft-/Rumpfstabilität, der neuromuskulären Kontrolle, Kraft, Beweglichkeit und Verbesserung von Bewegungsabläufen ab. Bei der Operation steht die Korrektur der ursächlichen Morphologie zur Reduktion des verfrühten Kontaktes zwischen Pfannenrand und Schenkelhals als auch die Therapie der chondrolabralen Sekundärschäden im Vordergrund. Dies ist mit der Hoffnung verbunden, neben einer effektiven Reduktion der Beschwerden und Verbesserung der Beweglichkeit auch die Geschwindigkeit der Knorpel- und Gelenksschäden und damit das Risiko für einen künftigen Gelenksersatz zu reduzieren. Unter den operativen Optionen hat sich die Arthroskopie aufgrund der Minimalinvasivität, der niedrigeren Komplikationsrate, der schnelleren Rehabilitation und der besten Datenlage als Goldstandard etabliert [19].

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