Übersichtsarbeiten - OUP 02/2021

Hüftimpingement aus der Sicht der evidenzbasierten Medizin
Warum ist die arthroskopische Korrektur der konservativen Therapie überlegen und welche Langzeitfolgen hat das nicht-operative Vorgehen?

International stieg in den letzten Jahren die Fallzahl der Hüftarthroskopien exponentiell an. Auch die Zahl der Publikationen hierzu wuchs stark, erreichte jedoch nur einen niedrigen Evidenzgrad [21]. Daher fehlte bisher belastbare Level-I-Evidenz, die die Ergebnisse der arthroskopischen Korrektur und eine Überlegenheit gegenüber der konservativen Therapie/Physiotherapie bestätigen konnte.

Um diese Lücke zu schließen, wurden randomisiert kontrollierte Studiendesigns (RCT) erarbeitet, die konservative Strategien evaluieren [1, 14], zweiarmig konservative mit operativen Strategien vergleichen [12, 18, 23, 25] als auch die Wirksamkeit der Operation an sich mittels Scheinoperationen [26] oder Lavage-Operationen [2] evaluieren und von denen inzwischen erste Ergebnisse vorliegen. Studienlage

Vergleich arthroskopische
Korrektur vs. Physiotherapie

Zu dieser Fragestellung liegen aktuelle Ergebnisse von 3 RCT vor: 2 Multicenterstudien aus dem UK und 1 Single-Surgeon-Studie von Militärangehörigen in den USA. In den 3 RCTs wurden insgesamt 650 Patienten in die beiden Arme randomisiert (323 Arthroskopie, 327 Physiotherapie) und mit einem mittleren Follow-up von 11,5 Monaten und einer Follow-up Rate von 90 % kontrolliert. Da auch in den Metaanalysen dieser 3 RCTs Patienten der arthroskopischen Gruppe bzgl. der Hüftgelenksscores ein signifikant besseres Outcome als die der konservativen Gruppe zeigen [7, 9, 10, 28] besteht hierzu Level-1a-Evidenz. Im Folgenden sollen die aktuellen Studien kurz vorgestellt werden:

UK FASHIoN (Feasibility of Arthroscopic Surgery for Hip Impingement compared with Non-operative care) [12]

In dieser 2018 publizierten Studie wurden 348 Patienten (171 Arthroskopie, 177 Physiotherapie) mit einem mittleren Alter von 35,3 Jahren eingeschlossen. Bei den Patienten bestanden seit 37–40 Monaten Beschwerden, die ausgewertete Follow-up Untersuchung fand 12 Monate nach der Randomisierung mit einem Follow-up von 92 % statt.

Die arthroskopische Operation erfolgte entsprechend der Präferenz der Operateure, die geplante Korrektur der Morphologie wurde intraoperativ durch radiologische und/oder arthroskopisch visualisierte dynamische Kontrolle kontrolliert und das Erreichen eines adäquaten Ergebnisses durch eine internationale Expertengruppe bewertet.

Das in dem konservativen Arm verwendete Physiotherapieregime mit einer personalisierten hüftzentrierten Behandlung wurde zuvor in einer internationalen Konsensuskonferenz entwickelt und getestet [29], um den Patienten die bestmöglichste konservative Therapie im Rahmen der nationalen Möglichkeiten des National Health Service (NHS, UK) anzubieten.

Nach Evaluation von Schmerz, Funktion und Beweglichkeit durch zuvor speziell geschulte Physiotherapeuten wurde in diesem Programm zum einen eine Patientenschulung, zum andern ein Übungsprogramm erlernt und als Heimübungsprogramm begleitet fortgeführt. Hauptfaktoren des Programmes waren Individualisation, Fortschritt und Überwachung. Bei einer entsprechenden Schmerzsymptomatik bestand in diesem Arm zudem die Möglichkeit einer radiologisch gestützten intraartikulären Steroidinjektion, um das Übungsprogramm zu unterstützen.

Die im operativen Arm postoperativ verordnete Physiotherapie umfasste nur etwa die Hälfte der Behandlungseinheiten des konservativen Arms.

Die Autoren schlussfolgern, dass 12 Monate nach dem Einschluss der Patienten beide Gruppen profitieren, nach einer Hüftarthroskopie aber signifikant bessere Ergebnisse als nach bester konservativer Therapie erreicht werden. Dabei überschritt die Differenz den minimal für den Patienten bedeutsamen Unterschied (Minimum Clinically Important Difference, MCID) für den verwendeten und international anerkannten Hüftscore iHot-33.

Anzumerken ist bei dieser herausragend designten Studie, dass die Differenz der beiden Arme zwar kleiner als erwartet ausfiel, aber das Design Risikofaktoren für das Erreichen eines guten operativen Ergebnisses inkludiert. So wurden Patienten bis zu einem Alter von 60 Jahren, bis zu einem Tönnis-Score von ? 1, einem LCE Winkel > 20° und ohne Begrenzung der Beschwerdedauer eingeschlossen. Ein zunehmendes Alter > 40 Jahre, ein Tönnis-Score von ?1, eine (Borderline-)Dysplasie und längere präoperative Beschwerden > 6 Monate sind bekannte Risikofaktoren für das Erreichen eines guten postoperativen Outcomes [6, 20, 27]. Zudem wirkten eine große Zahl an operativen Zentren (n = 23 mit 27 Operateuren) mit, was zwar ein realistisches Abbild der medizinischen Versorgung außerhalb hochspezialisierten Zentren sicherstellt, aber potentiell auch die Ergebnisqualität beeinflusst.

Die weiteren Ergebnisse der Studie nach 2, 3, 5 und 10 Jahren werden zeigen, ob der Vorteil der Hüftarthroskopie bestehen bleibt und ob sich die Prozedur als kosteneffizient erweist.

Zudem wird mit dem Start der Australian FASHIoN Studie [23] bei gleichem Protokoll in einem unabhängigen Kollektiv ein zusätzlicher Fokus auf Knorpelveränderungen im dGEMRIC-MRT und auf funktionelle Aspekte gelegt sowie ein direkter Vergleich oder das Poolen der Ergebnisse möglich.

FAIT (Femoroacetabular Impingement Trial) [25]

In diese 2019 publizierte Studie wurden randomisiert 222 Patienten (112 Arthroskopie, 110 Physiotherapie) mit einem mittleren Alter von 36,2 Jahren eingeschlossen. Die ausgewerteten Daten wurden 8 Monate nach der Randomisierung mit einem Follow-up von 85 % erhoben.

Zu diesem Zeitpunkt profitierten beide Gruppen von der jeweiligen Therapie, die Patienten mit arthroskopischer Korrektur des FAI zeigten aber auch hier wieder signifikant bessere Ergebnisse als die allein physiotherapeutisch behandelten Patienten, u.a. im iHOT, NAHS, HAGOS, UCLA, OHS und EQ-5D. Auch hier überschritt die Differenz der beiden Arme im HOS ADL den minimal für den Patienten bedeutsamen Unterschied (minimum clinically important difference, MCID). Operativ behandelte Patienten erreichten mehr als doppelt so häufig den „Patient Acceptable Symptomatic State (PASS)“ (HOS ADL > 87 Punkte, 48 % Arthroskopie, 19 % Physiotherapie) oder ihr erwartetes Ergebnis nach 8 Monaten (HOS ADL, 31 % vs. 15 %).

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