Übersichtsarbeiten - OUP 02/2021

Hüftimpingement aus der Sicht der evidenzbasierten Medizin
Warum ist die arthroskopische Korrektur der konservativen Therapie überlegen und welche Langzeitfolgen hat das nicht-operative Vorgehen?

Patienten mit operativer Therapie erreichten zudem postoperativ eine höhere Beweglichkeit und weniger Schmerzen in der Flexion als Patienten mit Physiotherapie. Dies ist in Zusammenhang mit den oft beim Sitzen oder Treppensteigen beklagten Schmerzen beim FAI von besonderer Relevanz für das Outcome [15].

Im Vergleich zur FASHION Studie sind die Unterschiede zwischen den Armen etwas deutlicher, dies könnte u.a. an den restriktiveren Einschlusskriterien bezüglich der radiologischen Degeneration (FAIT: Kellgren & Lawrence-Score (K&L) ? 1 vs. FASHION: Tönnis-Score ? 1) liegen. Auch diese Kohorte wird weiter verfolgt, so dass klinische und MRT-Ergebnisse nach 3 Jahren den mittelfristigen Vergleich der beiden Therapiearme ermöglichen.

Two-year outcomes after arthroscopic surgery compared to physical therapy for femoracetabular impingement [18]

Diese 2018 publizierte, kleinere randomisierte Single-Surgeon-Studie aus einem Militärkrankenhaus soll der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben. Es wurden hier 78 Patienten (38 Arthroskopie, 40 Physiotherapie) mit einem mittleren Alter von 30,1 Jahren eingeschlossen. Das Follow-up in dieser Gruppe betrug 95 % nach 24 Monaten. Im Ergebnis verbesserten sich beide Gruppen, hier konnte der Vorteil der operativen Gruppe aber keine statische Signifikanz erreichen. Die Studie weist aber aufgrund der niedrigen Fallzahl, des besonderen Patientenklientels (91 % US-Militärangehörige im aktiven Dienst) und einer hohen Cross-over Rate wesentliche Schwächen auf [8]. Insbesondere das Crossover von 70 % der in die Physiotherapiegruppe randomisierten Patienten in den operativen Arm ist bemerkenswert. Somit verblieben in der Physiotherapiegruppe nur 11 Patienten und damit nur 35 % der zuvor in der Poweranalyse berechneten erforderlichen Fallzahl. Die Autoren selbst schlussfolgern dementsprechend, dass größere multizentrische Studien erforderlich seien, um eine definitive Aussage treffen zu können. Diese liegen nun mit den zuvor vorgestellten FASHIoN und FAIT-Studien vor.

Vergleich arthroskopische Korrektur vs. Lavage:

Mit der 2021 publizierten Arbeit „Femoroacetabular Impingement Randomised controlled Trial (FIRST)” [2] liegt eine weitere wesentliche, zu der wachsenden Evidenz in der hüftgelenkserhaltenden Chirurgie beitragende RCT vor. Die Fragestellung dieser Arbeit zielte auf die Relevanz der arthroskopischen Korrektur der FAI-Morphologie und damit auf die Relevanz des Pathomechanismus ab.

Diese Fragestellung ist im Hinblick auf die hohe Inzidenz von radiologisch nachweisbarer FAI-Morphologie in asymptomatischen Anteilen der Bevölkerung relevant.

FIRST (Femoroacetabular Impingement Randomised controlled Trial) [2]

In der 2021 publizierten verblindeten, multizentrischen, randomisiert kontrollierten Studie wurden 220 Patienten mit einem symptomatischen FAI in eine Gruppe mit oder ohne Korrektur der FAI-Morphologie randomisiert und diesbezüglich Patienten, Untersucher und statistische Analyse über die Dauer der gesamten Untersuchung verblindet (jeweils 110 Patienten). Der restliche arthroskopische Eingriff mit Lavage, Traktion, Kapsulotomie und befundabhängiger Behandlung chondrolabraler Schäden erfolgte identisch in beiden Gruppen. Beide Arme profitierten signifikant im Hinblick auf Schmerz und Funktion durch die Operation und die Adressierung nozizeptiv relevanter Strukturen. In der Gruppe ohne Korrektur der FAI-Morphologie zeigte sich jedoch nach 24 Monaten eine signifikant höhere Reoperationsrate (8/105 vs. 19/104 Revisionen) aufgrund von Schmerzen (55,6 %) bzw. Reruptur des chrondrolabralen Komplexes (40,7 %).

Damit liefert die Level-I-Studie Evidenz, dass die Korrektur der FAI-Morphologie ein wichtiger Teil der Operation ist, um das Risiko für ein Rezidiv der Schmerzsymptomatik und als auch das Risiko für die Entwicklung einer Arthrose zu reduzieren [2].

Diskussion

Es besteht inzwischen Level-1-Evidenz für die Wirksamkeit der Hüftarthroskopie beim FAI-Syndrom. Die arthroskopische Korrektur führt 12 Monate nach Randomisierung zu einer signifikanten Besserung der Beschwerden und der Lebensqualität, dabei ist sie einer alleinigen physiotherapeutischen Behandlung signifikant und in einem Maße überlegen, das den minimal für den Patienten bedeutsamen Unterschied überschreitet.

Auch für die Verbesserung der Morphologie des Gelenkes im Rahmen der operativen Intervention liegt Level-1-Evidenz vor. Ob die arthroskopische Korrektur auch langfristig eine Verbesserung der Prognose bezüglich der Entwicklung einer Arthrose bewirkt, kann aufgrund der noch fehlenden Datenlage aktuell nicht vorhergesagt werden. Für eine prophylaktische Behandlung von beschwerdefreien Patienten mit einer FAI-Morphologie gibt es daher aktuell keine Indikation [4].

Nach aktuellem Stand des Wissens erscheint es sinnvoll, Patienten mit Symptomen möglichst früh zu identifizieren und zunächst einem limitierten physiotherapeutischen Therapieversuch zu unterziehen, da eine lange präoperative Beschwerdedauer das Outcome negativ beeinflusst [20]. Sollten sich hierunter anhaltende Beschwerden zeigen, ist zu prüfen, ob eine Indikation zur arthroskopischen Korrektur besteht und im Rahmen der gemeinsamen Therapieplanung den Patienten über diese Möglichkeit und deren Überlegenheit im Ergebnis zu beraten.

Nicht alle Patienten profitieren aber von einer arthroskopischen Operation und/oder der Physiotherapie. Beim operativen Vorgehen spielen hierfür die Indikationsgrenzen (Alter, Degeneration in konventioneller und MRT-Bildgebung, Übergewicht) eine wichtige Rolle. Weiterhin ist die sorgfältige Evaluation der azetabulären Konfiguration bezüglich einer Dysplasie oder Retroversion erforderlich, da diese häufig begleitend eine CAM-Morphologie aufweisen, primär aber die Indikation zur Beckenosteotomie (in Kombination mit einer Korrektur des Kopf-Hals-Überganges) geprüft werden muss (Abb. 3).

Schlüssel für ein erfolgreiches Outcome ist damit neben einer frühzeitigen Diagnosestellung die Wahl der richtigen Indikation für den richtigen Patienten. Hierin liegt aber die Crux, da beim FAI aktuell noch unklar ist, welche Patienten von welcher Therapiestrategie am meisten profitieren. Für die operative Therapie wurden die genannten Risikofaktoren identifiziert, die berücksichtigt werden sollten. Die konservative und physiotherapeutische Behandlungen behalten daher einen festen Stellenwert in der individuellen Behandlung des FAI-Syndroms.

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