Übersichtsarbeiten - OUP 01/2016

Hyaluronsäure an der Schulter – hilft das?

Jörg Jerosch1

Zusammenfassung: Der vorliegende Artikel stellt die
momentan zur Verfügung stehenden Studien zur Frage der Viscosupplementation im Bereich des Schultergelenks dar. Hier wird insbesondere auf Studien zurückgegriffen, die auch einen Vergleich zu intraartikulären Kortikoidtherapie sowie zu Placebo erlauben.

Schlüsselwörter: Schulter, Arthrose, Hyaluronsäure

Zitierweise
Jerosch J. Hyaluronsäure an der Schulter – hilft das?
OUP 2016; 1: 015–021 DOI 10.3238/oup.2015.0015–0021

Summary: This article presents the literature about viscosupplementation at the shoulder. This includes prospective placebo controlled papers especially in comparison with the use of intraarticular use of glucocorticoids.

Keywords: shoulder, osteoarthritis, hyaluron acid

Citation
Jerosch J. Hyaluron acid at the shoulder – is this effective?
OUP 2016; 1: 015–021 DOI 10.3238/oup.2015.0015–0021

Einleitung

Die American Adacemy of Orthopaedic Surgeons ist zurückhaltend hinsichtlich der Empfehlung der Viscosupplementation im Bereich des Schultergelenks [1]. Der Empfehlungsgrad der Viscosupplementation wird als limitiert angesehen. In der gleichen Guideline wird ebenso der Empfehlungsgrad der totalen und der Hemischulterarthroplastik als limitiert angesehen bei der Therapie von Patienten mit Schulterarthrose. Dieses mag deutlich machen, wie problematisch derartige Guidelines in der Entstehung und Abfassung sind.

Im Rahmen einer Patientenbefragung von europäischen Patienten aus verschiedenen Ländern (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien) wurde die Effektivität verschiedener Arthrosetherapien aus Sicht von Patienten evaluiert [2]. Hier zeigte sich bei der subjektiven Einschätzung der Patienten, dass unter den konservativen Therapieverfahren die Viscosupplementation mit den höchsten Stellenwert hat. Dieses kommt bei den Leitlinien von wissenschaftlichen Gesellschaften momentan nicht zum Tragen.

Die momentan zur Verfügung stehende Literatur zeigt hier ein etwas anderes Bild, was sich auch in der deutschen Versorgungsrealität wiederspiegelt. Im Folgenden werden die momentan zur Verfügung stehenden relevanten Arbeiten zusammengestellt.

Literaturlage

Silverstein et al. [3] untersuchten die Effektivität der Viscosupplementation bei der symptomatischen Arthrose im Bereich der Schulter. Es wurden 30 konsekutive Patienten mit einer idiopathischen glenohumeralen Arthrose in die Studie inkludiert, bei denen eine konservative Therapie versagte. Die Patienten erhielten 3 Injektionen mit wöchentlichem Abstand von Hyalan G-F 20. Evaluiert wurde anhand einer Visuellen Analogskala für Schmerz des UCLA-Scores, des Simple-shoulder-Test zu Beginn der Studie (Baseline) und nach 1, 3 und 6 Monaten nach der 3. Injektion.

In der Silverstein-Studie kam es zu einer signifikanten Abnahme der Schmerzen nach einem Monat (p < 0,1) und zu einer hochsignifikanten Abnahme nach 3 und 6 Monaten (p < 0,01) (Abb. 1). Ein wichtiger Parameter bei Patienten mit einer Omathrose ist der Nachtschmerz, der häufig zu Schlafstörungen führt. Silverstein und Mitarbeiter konnten zeigen, dass es nach einem Monat zu einer signifikanten (p = 0,1) und nach 3 und 6 Monaten zu einem hochsignifikanten (p < 0,001) zur Verbesserung des Schlafkomforts kam (Abb. 2) [3].

Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die Viscosupplementation eine durchaus sinnvolle Behandlungsmethode bei Patienten mit einer symptomatischen Osteoarthrose ist, bei denen sonstige konservative Therapien versagen. Anhand der Daten war jedoch nicht vorhersagbar, welcher Patiententyp besonders von der Behandlung profitiert. Es fanden sich keine unerwünschten Effekte bei dieser Studie.

Blaine und Mitarbeiter [4] untersuchten Patienten mit anhaltenden Schulterschmerzen auf Grund einer glenohumeralen Arthrose, einer Rotatorenmanschettenruptur und/oder einer adhäsiven Kapsulitis, bei denen die konservative Therapie versagt hatte. Es handelt sich hierbei um eine doppelblinde randomisierte und placebokontrollierte Studie. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder

  • a) 5 intraartikuläre Injektionen von Sodium Hyaluronat im wöchentlichen Abstand;
  • b) 3 Injektionen von Sodium Hyaluronat gefolgt von 2 intraartikulären Injektionen von Kochsalz in wöchentlichem Abstand sowie
  • c) 5 Injektionen mit Kochsalz in wöchentlichem Abstand.

Als primärer Outcome-Parameter wurde eine Schmerzverbesserung 13 Wochen nach Beginn der Therapie anhand einer 100-mm Visuellen Analogskala definiert. Ein sekundärer Outcome-Parameter war der Effekt nach 26 Wochen.

221 Patienten fanden sich in Gruppe a, 218 Patienten in Gruppe b und 221 Patienten in der Kontrollgruppe c (Tab. 1). Es zeigte sich zu fast allen Zeitpunkten eine signifikante bzw. hochsignifikante Verbesserung bei Arthrosepatienten der VAS sowohl bei 5 Injektionen als auch bei 3 Injektionen (Abb. 3), jedoch nicht bei Patienten mit einer Rotatorenmanschettenruptur oder einer adhesiven Kapsulitis (Abb.4). Auch in dieser Studie fanden sich keine unerwünschten Ereignisse.

Die Ergebnisse der Studie lassen jedoch keinen klaren Schluss auf das optimale Therapieregime (3 oder 5 Injektionen) mit Sodium Hyaluronat zu. Das Dosisregime, das am Kniegelenk (in diesem Falle 5 Injektionen) gilt, lässt sich nicht 1:1 auf die Schulter übertragen.

Brander und Mitarbeiter [5] untersuchten in einer prospektiven Studie die Effektivität und Sicherheit der Viscosupplementation bei der glenohumeralen Arthrose. 36 Patienten mit einer moderaten oder stark ausgeprägten glenohumeralen Arthrose mit Schmerzen > 40 auf der Visuellen Analogskala und dem Versagen einer 3-monatigen Standard-Therapie wurden in die Studie integriert. Es wurden 2 Injektionen von jeweils 2 ml Hyalan G-F 20 unter fluoroskopischer Kontrolle und Arthrografie im Abstand von 2 Wochen injiziert. Keine weitere neue Therapie war erlaubt während dieser Studie. Analgetika wurden 24 Stunden vor Studienbeginn abgesetzt. Das mittlere Alter der Patienten betrug 67 Jahre (Range 36 bis 88), 60 % waren weiblich, 7 Patienten hatten eine kernspintomografisch gesicherte komplette Rotatorenmanschettenruptur, 8 Patienten eine partielle oder intratendinöse Ruptur. Die meisten Patienten hatten eine fortgeschrittene Arthrose im Kellgren-Lawrence-Stadium III/IV. Innerhalb des Untersuchungszeitraums von 6–26 Wochen kam es zu einer signifikanten Reduktion des Schmerzes (p < 0,01) (Abb. 5). Auch in dieser Studie fanden sich keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse oder „pseudoseptische“ Reaktionen. Die Studie von Brander und Mitarbeiter [5] legt nahe, dass eine Serie von 2 intraartikulären Injektionen von Hyalan G-F 20 zu einer sicheren Schmerzreduktion bei Patienten mit glenohumeraler Arthrose führt, selbst wenn ein Defekt im Bereich der Rotatorenmanschette vorhanden ist. Dieser Effekt ist über 6 Monate nachweisbar. Die Behandlung führte ebenfalls zu einer Verbesserung der schulterspezifischen Lebensqualität und Funktion. Die Autoren schlussfolgern, dass eine Injektion mit Hyalan G-F 20 durchaus im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts derartiger Patienten indiziert ist.

Noel und Mitarbeiter [6] untersuchten den Effekt der Viscosupplementation bei der Osteoarthrose bei Patienten mit einer intakten Rotatorenmanschette. Es handelte sich um eine prospektive Multicenter-Studie. Es wurden Patienten eingeschlossen mit einem Schmerz von 40 und 90 auf der Visuellen Analogskala. Eine erste Injektion von 2 ml Hyalan G-F 20 wurde unter fluoroskopischer Kontrolle appliziert. Eine 2. Injektion nach 1, 2 oder 3 Monaten wurde verabreicht bei adäquatem Ansprechen bezüglich der Schmerzreduktion. Das primären Evalutationskriterium war ein VAS-Schmerz-Score 3 Monate nach der ersten Injektion. Eine weitere Nachuntersuchung erfolgte nach 6 Monaten. Die Patientencharakteristika sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Die Noel-Studie zeigte eine Reduktion des Schmerzes auf der Visuellen Analogskala schon ab dem 7. Tag, am ausgeprägtesten jedoch nach 2 Monaten. Der Unterschied war statistisch hoch signifikant (p < 0,01) (Abb. 6). Auch in dieser Untersuchung fanden sich keine ernsthaften Komplikationen. Zehn Patienten berichteten über milde bis moderate Schmerzen im Bereich der Injektionsstelle. Die Autoren schlussfolgerten, dass 1 oder 2 intraartikuläre Injektionen mit Hyalan G-F 20 bei Patienten mit einer Schulterarthrose und intakter Rotatorenmanschette eine sinnvolle, sichere und effektive Methode darstellt.

Raman und Mitarbeiter [7] untersuchten die Effektivität der intraartikulären Viscosupplementation bei Patienten mit einer Osteoarthrose im Bereich der Schulter im Rahmen einer prospektiven Studie bei 100 Patienten. Insgesamt wurden 105 Gelenke mit Arthrose injiziert mit 2 ml Hyalan G-F 20. Optional erfolgte eine weitere Injektion von Hyalan G-F 20 nach 3 und 6 Monaten. Die Nachuntersuchungszeiten waren 6 Wochen, 3, 6 und 12 Monate mit einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 9 Monaten (Range 3–13 Monate). 79,7 % der Patienten erhielten eine Injektion mit Hyalan G-F 20, 10,2 % eine weitere Injektion mit Hyalan G-F 20 nach 3 Monaten und 9,1 % eine 2. Injektion von Hyalan G-F 20 nach 6 Monaten. Es zeigte sich eine signifikante Reduktion des Schmerz-VAS nach 6 Wochen, 3 Monaten, 6 Monaten und 12 Monaten (Abb.7).

Colen et al. [8] untersuchten in einer Metaanalyse die Effektivität der Viscosupplementation im Bereich der Schulter (Abb. 8). Nach einem sorgfältigen Review-Prozess wurden insgesamt 8 Studien in diese Metaanalyse inkludiert (Tab. 3). Hierbei kamen unterschiedliche Hyaluronsäuren zur Anwendung (Hyalgan, Synvisc, Supartz).

Im Rahmen dieser Metaanalyse wurde die Effektgröße mit der entsprechenden Standardabweichung für die Verwendung von Hyaluronsäure-Placebo und Kortikosteroide aufgezeichnet. Für die Hyaluronsäure konnten Colen und Mitarbeiter [8] eine Effektgröße von etwa 2 nach 6 Wochen, 12 Wochen und 26 Wochen darstellen (Abb. 9); für die Placebo-Therapie eine Effektgröße von etwa 1,5 (Abb. 10) und für die Kortikoidtherapie eine Effektgröße, die nur nach 6 Wochen bei 1 lag, danach unter 0,5 (Abb. 11).

Die Autoren schlussfolgerten, dass Hyaluronsäure- und Kortikoidinjektionen gut toleriert werden und lokale Reaktionen an der Schulter vergleichbar sind mit den Reaktionen im Bereich der Hüfte und des Kniegelenks. Ernsthafte unerwünschte Effekte wurden in den Studien, die im Review enthalten sind, nicht dargestellt. Die Kortikoidinjektion war effektiv in den meisten klinischen Studien. Es wurde jedoch vor regelmäßigen Kortikoidinjektionen gewarnt, da es zu einem Schaden der Kollagenmatrix im Bereich der Sehnen und Ligamente aufgrund von wiederholten Kortikoidinjektionen kommen kann.

Obwohl der Unterschied zwischen der intraartikulären Viscosupplementation und Placebo gering war, zeigte sich eine Effektivität der intraartikulären Viscosupplementation während der ersten 6 Monate bei Patienten mit einer glenohumeralen Arthrose. Die Autoren schlussfolgerten, dass die intraartikuläre Viscosupplementation eine sinnvolle Maßnahme ist bei der Therapie von Patienten mit einer glenohumeralen Arthrose (Empfehlungsgrad A). Die Injektionsbehandlung mit Glucocorticoid hatte eine geringere Effektivität (Empfehlungsgrad B).

Im Rahmen eines Expertenkongresses auf dem 2. Deutschen Arthrosekongress 2012 wurde anhand der seinerzeit vorliegenden Literatur ein Algorithmus für den Einsatz der Viscosupplementation im Bereich des Schultergelenks erarbeitet [9] (Abb. 12).

Klinische Relevanz

Die Literaturempfehlungen gehen dahin, dass die intraartikuläre Viscosupplementation bei Patienten mit einer Osteoarthrose an der Schulter eine effektive und sichere Therapie ist, um Schmerzen zu reduzieren.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof.Dr.med.Dr.h.c. Jörg Jerosch

Chefarzt Klinik für Orthopädie,
Unfallchirurgie und Sportmedizin

Johanna-Etienne-Krankenhaus

Am Hasenberg 46

41462 Neuss

j.jerosch@ak-neuss.de

Literatur

1. Izquierdo R, Voloshin I, Edwards S et al. American academy of orthopaedic surgeons clinical practice guideline on: The treatment of glenohumeral joint osteoarthritis. J Bone Joint Surg Am. 2011; 93: 203–5

2. Posnett J, Dixit S, Oppenheimer B, Kili S, Mehin N. Patient preference and willingness to pay for knee osteoarthritis treatments. Patients preference and adherence 2015; 9: 733–744

3. Silverstein E, Leger R, Shea KP. The use of intra-articular hylan G-F 20 in the treatment of symptomatic osteoarthritis of the shoulder: a preliminary study. Am J Sports Med. 2007; 35: 979–85

4. Blaine T, Moskowitz R, Udell J et al. Treatment of persistent shoulder pain with sodium hyaluronate: a randomized, controlled trial. A multicenter study. J Bone Joint Surg Am. 2008; 90: 970–9

5. Brander VA, Gomberawalla A, Chambers M, Bowen M, Nuber G. Efficacy and safety of hylan G-F 20 for symptomatic glenohumeral osteoarthritis: a prospective, pilot study. PM R. 2010; 2: 259–67

6. Noël E, Hardy P, Hagena FW et al. Efficacy and safety of Hylan G-F 20 in shoulder osteoarthritis with an intact rotator cuff. Open-label prospective multicenter study. Joint Bone Spine. 2009; 76: 670–3

7. Raman et al. NOF Amsterdam, 2009: Persönliche Mitteilung

8. Colen S, Geervliet P, Haverkamp D, Van Den Bekerom MP. Intra-articular infiltration therapy for patients with glenohumeral osteoarthritis: A systematic review of the literature. Int J Shoulder Surg. 2014; 8: 114–21

9. Schulz A, Jerosch J. Injektionsbehandlungen an der Schulter. OUP 2013; 2: 66–68

10. Kwon YW, Eisenberg G, Zuckerman JD. Sodium hyaluronate for the treatment of chronic shoulder pain associated with glenohumeral osteoarthritis: a multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled trial. J Shoulder Elbow Surg. 2013; 22: 584–94

11. Leardini G, Perbellini A, Franceschini M, Mattara L: Intra-articular injections of hyaluronic acid in the treatment of painful shoulder. Clin Ther. 1988; 10: 521–6

12. Merolla G, Sperling JW, Paladini P, Porcellini G. Efficacy of Hylan G-F 20 versus 6-methylprednisolone acetate in painful shoulder osteoarthritis: a retrospective controlled trial. Musculoskelet Surg. 2011; 95: 215–24

13. Valiveti M, Reginato AJ, Falasca GF: Viscosupplementation for degenerative joint disease of shoulder and ankle. J Clin Rheumatol. 2006; 12: 162–3

Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

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