Originalarbeiten - OUP 07-08/2014

Implantatfreie, anatomische MPFL-Plastik
Klinisches Outcome und Patientensicherheit nach einem mittleren Follow-up von 23 MonatenClinical outcome and patient safety with a mean follow-up of 23 months

Bei keinem der Patienten wurde anamnestisch ein Luxationsrezidiv festgestellt. Ebenfalls konnte in den postoperativen Röntgenkontrollen und im weiteren klinischen Verlauf keine intra- oder postoperative Fraktur festgestellt werden. Bei 3 Patienten wurde ein vorderer Knieschmerz über der Kniescheibe angegeben. Dieser trat jedoch nur nach längerer Belastung auf, z.B. beim Joggen über mehrere Kilometer. Hier war die Therapie der Wahl die fortgeführte Krankengymnastik. Es erfolgte dennoch eine Rückkehr in den Sport, wobei 2 Patienten zum Fußball und einer zum Schwimmsport zurückkehrte. Eine Folgeoperation war nicht notwendig. Ein Beugedefizit von ca. 15°–25° wurde zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung bei dem Schwimmsportler festgestellt. Aufgrund der nur geringfügigen, belastungsabhängig bei längeren Laufstrecken auftretenden Beschwerden, erfolgte die Behandlung mittels Krankengymnastik.

Kujala-Score

In unserer Studie lag der präoperative Wert im Median bei 60,6 Punkten. Postoperativ wurde nach mittlerem Follow-up von 18 Monaten ein Median von 95,3 Punkten festgestellt. Dieser mittlere Anstieg im Kujala-Score von durchschnittlich 34,7 Punkten war hochsignifikant (p = 0,0001).

Diskussion

Zahlreiche biomechanische Studien belegen, dass das MPFL der wichtigste passive Stabilisator der Kniescheibe ist [2, 15, 35, 37]. Hierbei ist das MPFL für die Patellaführung während der ersten 30° Knieflexion verantwortlich [2, 14]. Das MPFL ist die einzige Struktur, die in strecknahen Kniepositionen der lateralisierenden Kraft des Quadriceps entgegenwirken kann, da hierbei die Trochlea als stabilisierende Komponente fehlt [35, 37]. In den vergangenen Jahren wurde der Rekonstruktion des MPFL zur Behandlung der patellofemoralen Instabilität eine zunehmende Bedeutung beigemessen. Vor allem Techniken mit autologen Sehnentransplantaten haben zu besseren Ergebnissen bei der patellofemoralen Instabilität geführt [30]. Nachdem die Patienten mit einem mittleren Alter von 17 Jahren ein vergleichsweise junges Patientengut darstellen [16], sollte gerade hier der Einsatz von Fremdmaterialien nicht nur aus Kostengründen so weit als möglich vermieden werden. Bei Patienten mit offenen Wachstumsfugen sind OP-Methoden von besonderem Interesse, die – wie unsere Technik – Schäden an der Wachstumsfuge vergleichsweise sicher vermeidet [20].

Zur Evaluierung des klinischen Outcomes unserer Methode und zum Vergleich der Ergebnisse zu anderen Studien wurde der Kujala-Score erhoben. In vorangegangenen Studien lag der präoperative Score im Durchschnitt bei 50,6 (Range 45–70,8) Punkten. Der durchschnittliche Anstieg lag bei 38,5 (Range 18,4–40) Punkten, wobei der postoperative Score im Durchschnitt bei 89,1 (Range 83–96) Punkten lag [28, 29, 30, 33, 34]. In unserer Studie stieg der Kujala-Score um durchschnittlich 34,7 Punkte von einem präoperativen Median von 60,6 auf 95,3 Punkte postoperativ (p = 0,0001). Mit diesem Ergebnis liegen wir im Vergleich zu den genannten vorangegangenen Studien im oberen Range. Diese Ergebnisse im klinischen Outcome passen zu den Ergebnissen unserer Befragung, wonach alle Patienten im weiteren Verlauf in ihren jeweils zuvor ausgeübten Sport zurückkehren konnten. Auch die subjektive Bewertung, in der alle Patienten sich auch nochmals für diese OP entscheiden würden, entspricht den vergleichsweise guten Ergebnissen im Scoring nach Kujala.

In der Literatur werden verschiedene Komplikationen einer MPFL-Rekonstruktion beschrieben. Zu den häufigeren Komplikationen zählen Rezidivluxationen, Patellafrakturen, ein anteriorer Knieschmerz und eine Kniesteife [4, 9, 24, 31, 36, 40]. In dieser Studie kam es in 3 Fällen zu Komplikationen, die jeweils nicht als schwerwiegend einzuordnen sind. Bei diesen 3 Fällen wurde während der Nachuntersuchung ein belastungsabhängiger anteriorer Knieschmerz berichtet, wobei bei einem dieser 3 Patienten zusätzlich ein geringfügiges Beugedefizit festgestellt wurde. In der Literatur werden für den vorderen Knieschmerz und/oder ein anhaltendes Bewegungsdefizit Häufigkeiten von 30 bis sogar 50 % angegeben [1, 19, 32, 39]. In einer Langzeituntersuchung von Nomura zeigten 2 von 22 Patienten (9,1 %) auch nach ca. 10 Jahren eine anhaltende Kniesteife [29]. In einer anderen Studie von Christiansen und Jacobsen trat bei 4 von 44 Patienten (9,1 %) und in einer weiteren Nachuntersuchung von Nomura et al. bei 2 von 12 Patienten (16,7 %) ein anteriorer Knieschmerz auf [7, 28]. Deutlich höhere Komplikationsraten zeigen hingegen die Studien von Hinton et al. sowie Ahmad et al., wonach nach durchschnittlich 2 Jahren 30–50 % der Patienten einen chronischen, anhaltenden anterioren Knieschmerz aufweisen [1, 19]. Hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens eines vorderen Knieschmerzes und eines Bewegungsdefizits liegen die Ergebnisse unserer OP-Methode somit vergleichsweise gut innerhalb der Streuweite vorangegangener Studien. Zudem ist anzumerken, dass in unserem Patientenkollektiv ein vorderer Knieschmerz nur nach längerer Belastung, z.B. dem Joggen über mehrere Kilometer, beklagt wurde und eine Rückkehr in den Sport dennoch in allen Fällen möglich war. Fithian und Gupta assoziierten den Bewegungsverlust mit einer Entzündung und Narbenbildung im Bereich des Transplantats [17]. Andere Autoren sehen eine Fehlplatzierung des Tunnels als ursächlich für Bewegungsdefizite an [37, 39]. Thaunat und Erasmus gehen hingegen davon aus, dass der Bewegungsverlust mit einer Überspannung des eingebrachten Transplantats zusammenhängt [39]. Durch unsere OP-Technik mit einer Austestung der individuellen Anspannung in Funktion kann das Risiko einer Überspannung des Transplantats vorgebeugt werden. Des Weiteren wird bei unserer Technik die gesamte Länge der Gracilissehne genutzt, sodass das ausgetestete Konstrukt weniger rigide erscheint. Möglicherweise lässt sich hiermit die verminderte Häufigkeit eines vorderen Knieschmerzes und/oder eines Bewegungsdefizits im Vergleich zur Literatur erklären.

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