Übersichtsarbeiten - OUP 04/2018

Individualisierte chirurgische Konzepte zur Behandlung von periazetabulären Knochentumoren

Boris Michael Holzapfel1, 2 Konstantin Horas1, Hans Rechl3, Maximilian Rudert1

Zusammenfassung: Um nach Resektion von periazetabulären Tumoren ein möglichst langes rezidivfreies Intervall nach Resektion und ein möglichst langes krankheitsfreies Gesamtüberleben der Patienten zu gewährleisten, sind tumorfreie Resektionsränder von entscheidender Bedeutung. Hierbei spielt die präoperative Planung und die möglichst detailgetreue Umsetzung der Planung in die intraoperative Realität eine wichtige Rolle. Dieser Prozess kann durch eine 3-dimensionale virtuelle Rekonstruktion des Beckenskeletts sowie durch die Herstellung eines Beckenmodells zur verbesserten haptischen Perzeption erheblich vereinfacht werden. Wegen der relativ komplizierten 3-dimensionalen Anatomie des Beckenskeletts und der dadurch erschwerten intraoperativen Orientierung führten Freihand-Resektionen in der Vergangenheit nicht selten zu schlechten onkologischen Ergebnissen. Eine ungenaue Resektion führte zudem zu einer Passungenauigkeit zwischen knöchernem Absetzungsrand und Prothese, was wiederum das Implantatüberleben negativ beeinflusste. Schon früh wurde deshalb erkannt, dass individualisierte Resektions- bzw. Bohrschablonen die intraoperative Umsetzung des präoperativen Plans i.S. einer sog. Prä-Navigation erheblich erleichtern können. Heutzutage kann durch die Anwendung von Techniken aus dem Bereich des Additive Manufacturing der Herstellungsprozess von Beckenmodellen und Resektionsschablonen beschleunigt und die intraoperative Handhabung so verändert werden, dass möglichst wenig ossäre Landmarken von Weichgewebe befreit werden müssen. Zudem ist es möglich, Prothesen aus Titanlegierungen im 3D-Druckverfahren zu fertigen und gezielt an den Resektionsdefekt anzupassen.

Schlüsselwörter: Becken, periazetabuläre Tumoren, 3D-Druck, Endoprothese, Patienten-spezifisch

Zitierweise
Holzapfel BM, Horas K, Rechl H, Rudert M: Individualisierte chirurgische Konzepte zur Behandlung von periazetabulären Knochentumoren:
OUP 2018; 7: 197–203 DOI 10.3238/oup.2018.0197–0203

Summary: Resection of malignant bone and soft tissue tumours of the pelvis and consecutive endoprosthetic reconstruction of the osseous defect remains a surgical challenge. To ensure a best possible recurrence-free and overall disease-free survival of patients, tumour-free resection margins are of utmost importance. Within this context, preoperative planning and its translation into the surgical setting plays a pivotal role. This process can be facilitated by three-dimensional virtual reconstruction of the osseous pelvis and generation of a pelvic model for enhanced haptic perception. In the past, it was not unusual that free-hand resection resulted in poor oncologic results due to the relatively complex osseous anatomy of the pelvis and the consequently impeded intraoperative orientation. Moreover, inaccurate resection resulted in an inaccuracy of fit between the resection margin and the prosthesis, thereby negatively affecting implant survival. Therefore, individualized osteotomy and drill guides have been introduced to facilitate the translation of the preoperative plan into the intraoperative reality as defined by “pre-navigation”. Nowadays, the application of additive manufacturing techniques makes it possible to accelerate the development of pelvic models and osteotomy guides and tailor these instruments in a way to minimize soft tissue damage. Novel 3D printing techniques enable surgeons to specifically match implant size and morphology with the underlying osseous defect.

Keywords: pelvis, periacetabular tumours, 3D printing,
endoprosthesis, patient-specific

Citation
Holzapfel BM, Horas K, Rechl H, Rudert M: Individualized surgical concepts for the of periacetabular bone tumors
OUP 2018; 7: 197–203 DOI 10.3238/oup.2018.0197–0203

1 Orthopädische Klinik König-Ludwig Haus, Julius-Maximilians Universität Würzburg

Einleitung

Primäre osteogene oder weichteilige Sarkome des Beckens können aufgrund ihrer in der Regel guten Weichteildeckung zum Zeitpunkt der Diagnose bereits enorme Ausmaße aufweisen. Zudem erschwert die unmittelbare Nähe dieser Tumoren zu viszeralen Organen oder neurovaskulären Strukturen eine weite Resektion in sano. Diese Tatsache führt dazu, dass die Resektion von ossären Tumoren am Becken für den behandelnden Chirurgen immer noch eine große Herausforderung darstellt. Für das Erzielen eines adäquaten onkologischen Outcomes im Sinne eines möglichst langen revisionsfreien bzw. krankheitsfreien Patientenüberlebens sind hierbei tumorfreie Resektionsränder von entscheidender Bedeutung [3]. Ein marginaler bzw. sogar intraläsionaler Resektionsstatus führt dabei gehäuft zu Lokalrezidiven, wobei andererseits eine zu exzessive Resektion von Knochengewebe zu Problemen bei der endoprothetischen Rekonstruktion führen kann. Cartiaux et al. konnten in diesem Zusammenhang unter in vitro Bedingungen zeigen, dass die Freihand-Resektion am Becken trotz 3-dimensionaler Bildgebung und Planung äußerst ungenau sein kann [2]. In ihrer Untersuchung wurden 4 erfahrene Chirurgen gebeten, an Beckenmodellen nach vorheriger 3-dimensionaler virtueller Planung, tumortragende Abschnitte zu markieren und anschließend mit einem Sicherheitsabstand von 10 mm (± 5 mm) zu resezieren. Die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Resektion entsprechend dieser Vorgaben lag jedoch lediglich bei 52 % [2]. Die Genauigkeit der Resektion und damit auch die Passgenauigkeit der rekonstruktiven Maßnahme kann durch die Navigation erheblich erhöht werden [8].

Das Konzept der Prä-Navigation als eine von vielen Anwendungsmöglichkeiten der Computer-assistierten Orthopädischen Chirurgie (computer-assisted orthopaedic surgery, CAOS) hat mittlerweile einen festen Stellenwert in der Behandlung von Patienten mit primären oder sekundären ossären Tumoren des Beckens. Hierbei werden präoperativ bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) eingesetzt, um eine 3-dimensionale virtuelle Rekonstruktion des betroffenen Beckenabschnitts bzw. ein polymeres Modell des Beckens zu generieren. Mit den so erstellten Modellen können Resektionsebenen simuliert und Operationsschritte geplant werden. Die Prä-Navigation bietet in diesem Zusammenhang im Vergleich zur intraoperativen Navigation entscheidende Vorteile. Es kann durch die Herstellung und spätere intraoperative Anwendung von Resektionsschablonen nicht nur die Genauigkeit der Resektion erhöht werden, sondern auch eine Passungenauigkeit zwischen knöchernem Absetzungsrand und Patienten-spezifischer Prothese verhindert werden. Während bei intraoperativer Navigation der Resektion von Beckentumoren zumeist Standardprothesensysteme (off-the-shelf products) Verwendung finden, kann bei der Prä-Navigation die zu implantierende Prothese so individualisiert angefertigt werden, dass knöcherner Absetzungsrand und Implantat perfekt zueinander passen und die Fixationsfläche sowie die Möglichkeit zur Schraubenfixierung möglichst groß sind [9]. Im Vergleich zur bildgesteuerten intraoperativen Navigation führt die Pränavigation nicht zu einer wesentlichen Verlängerung der Operationszeit.

Historischer Rückblick

SEITE: 1 | 2 | 3