Übersichtsarbeiten - OUP 04/2018

Individualisierte Kniegelenkendoprothetik: patientenspezifischer Totalgelenkersatz

Für die Patienten, bei denen aufgrund eines insuffizienten hinteren Kreuzbands und/oder entsprechender Fehlstellung eine kreuzbandersetzende Versorgung gewünscht wird, steht seit 2016 die patientenspezifische kreuzbandersetzende Vollgelenkendoprothese des Kniegelenks (ConforMIS iTotal posterior-stabilized, PS) zur Verfügung. Die Indikationsstellung orientiert sich dabei an der Indikationsstellung zur trikompartimentellen kreuzbandersetzenden Kniegelenkendoprothetik mit Standardimplantaten. Die Vorteile im Vergleich zur Standard-Kniegelenkendoprothetik liegen wie bei der Versorgung mit kreuzbandersetzender Technik in der individuellen Anpassung der Oberflächenanatomie und der damit verbundenen Wiederherstellung der individuellen Kniegelenkkinematik, einschließlich der Wiederherstellung des distalen Femurwinkels. Dieser ist wieder durch individuell unterschiedliche Inlayhöhen medial und lateral realisiert, wobei das posteriorer stabilized Inlay als ein Stück in 3 unterschiedlichen Inlayhöhen geliefert wird. Weiterhin kann mit diesem Implantat regelhaft eine vollständige Abdeckung der kortikalen Oberflächen am Femur und Tibia erreicht werden. Dies stellt insbesondere bei asymmetrischen anatomischen Verhältnissen in puncto Implantatpassform und Wiederherstellung der Kniegelenkkinematik einen Versorgungsvorteil dar. Röntgenbilder einer exemplarischen Versorgung mit patientenspezifischem kreuzbandersetzendem Totalgelenkersatz (ConfirMIS iTotal PS G2TM) sind in Abbildung 2 dargestellt.

Herstellung, Design und
Operationstechnik des
individuellen
Knietotalgelenkersatzes
(iTotal G2 CR/PS)

Sowohl die Implantate als auch die zur Implantation und zur exakten Ausrichtung verwendeten Instrumente werden patientenindividuell anhand einer auf CT-Daten basierenden 3D-Rekonstruktion geplant und dann im 3D-Druckverfahren im CAD-CAM-Design hergestellt [10]. Das Spektrum möglicher Versorgungen beim Vollgelenkersatz am Kniegelenk umfasst die kreuzbanderhaltenden (CR) als auch kreuzbandersetzenden Operationstechniken. Die individuelle Planung erfolgt durch einen Ingenieur, der anhand des CT-Datensatzes zunächst ein 3D-Modell des jeweiligen Kniegelenks einschließlich der Beinachsen herstellt [10]. Anhand dieses Modells wird mithilfe eines Algorithmus die individuelle Oberflächengeometrie berechnet, die Resektionsebenen anhand der mechanischen Beinachse knochensparend ausgerichtet, Implantatdicken berechnet und auch knöcherne Verluste und Osteophyten werden planerisch berücksichtigt. Anhand dieser Maßgaben erfolgt dann das Design der individuellen Implantate und Instrumente, um eine optimale Passform, Abdeckung sowie Komponentenrotation zu ermöglichen, was die Wiederherstellung der natürlichen Kniegelenkkinematik vermittelt [2].

Auf dieser Grundlage wird eine Operationsplanungsskizze (iView 2.0) für die patientenindividuellen Instrumente und Implantate erstellt, die sowohl die Implantat- als auch Instrumentenpositionierung anzeigt sowie auch die resultierenden knöchernen Resektionshöhen an Femur und Tibia, sodass im Sinne einer wahren „measured resection“-Technik jederzeit eine intraoperative Selbstkontrolle bei der Durchführung der Knochenschnitte erfolgen kann [2, 10].

Nach operativem Standardzugang und Meniskektomie erfolgt mit den Instrumenten F1–F3 die distale Femurresektion, die im Falle einer Kondylenasymmetrie als Stufenresektion erfolgt. Dabei ist das F1-Instrument als Bohrschablone auf die Osteophyten designt und vermittelt die Entknorpelungsbohrung. Das F2-Instrument setzt als Bohrschablone auf der kortikalen Oberfläche auf und vermittelt durch ein Aufsetzen des F3-Instrumentes als Resektionsblock die distale Femurresektion sowie durch Bohrungen die Positionierung des Femurresektionsblocks F4. Die Höhen der knöchernen Resektate am distalen Femur medial und lateral können zur Selbstkontrolle mit der Planungszeichnung verglichen werden. Am F3-Instrument sind jeweils +2 und –2 mm Resektionsoptionen zur individuellen Anpassung vorgehalten.

Danach erfolgt die Tibiaresektion die mit dem T1-Instrument vermittelt wird. Nach Entknorpelung der Ansatzpunkte des T1-Instrumentes wird dieses mit dem extramedullärem Ausrichtstab auf die Tibiaoberfläche aufgebracht und an der Tibiavorderkante ausgerichtet. Es stehen 2 Optionen zur Verfügung, zum einen ein T1–Resektionsblock mit fixiertem 5°-Slope und ein T1-Resektionsblock mit individuell anatomischem Slope, wobei aus kinematischen Gründen nicht mehr als 10°-Slope angeboten werden. Die Autoren haben sehr gute Erfahrungen mit der Versorgung mit dem 5°-Slope-T1-Instrument gesammelt. Die Höhen des knöchernen Resektats an der Tibia jeweils medial vorne und hinten als auch lateral vorne und hinten können zur Selbstkontrolle mit der Planungszeichnung verglichen werden. Am T1-Instrument sind jeweils +2 und –2 mm Resektionsoptionen zur individuellen Anpassung vorgehalten.

Die 2 nächsten Operationsschritte dienen der Balancierung von Streck- und Beugelücke. Dabei wird mit dem T2-Instrument in Kniegelenkstreckung die Strecklücke balanciert. Das T2-Instrument ist bei einer Kondylenasymmetrie am distalen Femur als Stufenblock gefertigt. Mittels Entfernung von etwaigen Randosteophyten am distalen Femur und Tibia können somit Feinanpassungen an der Strecklücke erfolgen. Sind symmetrische Verhältnisse im Bereich der Strecklücke erreicht, wird das Kniegelenk in 90°-Beugestellung gebracht und mit dem T3-Instrument die Beugelücke balanciert. Bei asymmetrischen Verhältnissen im Bereich der posterioren Kondylen ist das T3-Instrument asymmetrisch konfiguriert. Nun wird der Femurresektionsblock F4 auf die initial mit dem F2-Block generierten Bohrlöcher gepinnt. Der F4-Block hat eine Außenrotationsmöglichkeit von 5°, sodass zusammen mit dem T3-Block in 90°-Beugestellung eine symmetrische Beugelücke generiert werden kann. Ist die Beugelücke balanciert, wird der F4-Block endgültig fixiert und die abschließende Femurresektion erfolgt mittels Abkantschnitten anterior, posterior und schräg anterior. Mit dem Block F5 erfolgen die finalen Abkantschnitte schräg posterior. Bei der kreuzbandersetzenden Technik wird mit dem Block F6 abschließend die Resektion der modularen Box für den Zapfen des posterior-stabilized Inlays vorgenommen.

Sind alle Knochenschnitte erfolgt, können die Probekomponenten aufgebracht werden und die Probereposition mit kinematischer Testung kann erfolgen. Bei der kreuzbanderhaltenden Technik stehen 2 verschiedene Inlayhöhen medial (6 und 8 mm) und 3 Inlayhöhen lateral (A, B und C) zur Anpassung zur Verfügung. Bei der kreuzbandersetzenden Technik werden 3 posterior-stabelized Probeinlays verschiedener Höhe jeweils medial und lateral vorgehalten. Mit der Entfernung restlicher Osteophyten und Weichteilrelease können finale Feinanpassungen – falls erforderlich – durchgeführt werden. Sind optimale kinematische Voraussetzungen gegeben, kann die Rotationsausrichtung der Tibiakomponente mit dem Block T4 erfolgen. Durch Anlegen an die posterolaterale Tibiakante und Einrotieren zur Tibiavorderkante, passt sich das T4-Instrument ideal an die kortikale Resektionsoberfläche der Tibia an. Nach Pinfixierung erfolgt die entsprechende Zubereitung mit Vertiefungsbohrer und Kreuzschlitzmeißel. Nun können – falls erforderlich – nochmals Probekomponenten und Probeinlays ideal getesteter Höhen auf Wunsch eingebracht und getestet werden. Ist ein Patellarückflächenersatz erforderlich, kann dieser in konventioneller Technik erfolgen. Hierfür sind Schablonen und Probepatellae mit 2 mm Größenunterschieden vorhanden. Nach anschließender Testung kann die Zubereitung des Implantatlagers und die finale Zementierung der Implantate sowie das Einbringen der/des finalen Inlays erfolgen [2].

Ergebnisse zum individuellen Vollgelenkersatz (ConforMIS iTotal CR G2)

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