Arzt und Recht - OUP 10/2013

Informationspflichten des Arztes nach dem Patientenrechtegesetz

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einleitung

Das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (das sogenannte Patientenrechtegesetz) vom 20.02.20131 enthält neben den Regelungen über Aufklärung und Einwilligung des Patienten (vgl. ArztR 2013, S. 117 ff.) in einem neu gefassten § 630c BGB Regelungen über die Informationspflichten des Behandelnden. Die in dieser Form erstmals ausdrücklich durch Gesetz von den Aufklärungspflichten abgegrenzten Vorgaben werfen gleichermaßen die Frage auf, ob die gesetzliche Kodifizierung mit einer Änderung der bisher von der Rechtsprechung entwickelten Rechtslage einhergeht.

Zum Regierungsentwurf war bereits festzustellen, dass er der bisherigen Rechtsprechung in Arzthaftpflichtsachen entspricht, sodass eine wesentliche Änderung der Rechtslage nicht zu erwarten war. Dies hat sich bewahrheitet – der nunmehr veröffentlichte Gesetzestext weicht kaum vom Regierungsentwurf und von der bisherigen Rechtslage ab.

An dieser Stelle soll insbesondere der nach Auffassung des Autors einzig wesentliche Diskussionspunkt vertieft und eine erste Einschätzung hierzu gegeben werden. Auf die übrigen unwesentlicheren Neuerungen wird jedoch ebenfalls unter Berücksichtigung der möglicherweise zu erwartenden Handhabung des neuen Gesetzestextes eingegangen.

Wesentlicher Diskussionspunkt: Selbstbelastungspflicht mit allen Konsequenzen?

Grenzen der Informationspflicht

Die gesetzliche Regelung der Informationspflichten führte während des Gesetzgebungsprozesses in einem Punkt zu wilden Spekulationen. Beispielsweise im Deutschen Ärzteblatt konnte man lesen, dass „im politischen Windschatten einer harmlos klingenden Kodifizierung des geltenden Rechts äußerst heikle Details verabschiedet werden sollen“. Ärztinnen und Ärzte sollen „Kollegen strafrechtlich überführen“ und selbst unter einen „Geständniszwang“ gesetzt werden.

Stein des Anstoßes war die Entwicklung des neuen § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB:

„Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.“

Fraglich ist, welche Änderungen der Rechtslage dieser verkündete Wortlaut nun tatsächlich mit sich bringen könnte:

  • 1. Bereits bisher hatten Ärztinnen und Ärzte die Pflicht, den Patienten zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren über eigene oder fremde Behandlungsfehler zu informieren (sogenannte therapeutische Aufklärung).
  • 2. Vermeintlich neu und entsprechend streitig ist die Pflicht, den Patienten bereits auf Nachfrage hierüber zu informieren.

a. Entsprechend der bisherigen Rechtslage ist davon auszugehen, dass Ärztinnen und Ärzte auf allgemeine Nachfrage des Patienten nach Umständen der Behandlung diese sämtlich mitteilen müssen, auch wenn die Umstände die Annahme eines eigenen Behandlungsfehlers oder eines Behandlungsfehlers eines ärztlichen Kollegen begründen.

Will der Patient beispielsweise allgemein den Verlauf einer Operation mitgeteilt bekommen, so hat er Anspruch auf Mitteilung sämtlicher Vorkommnisse während der Operation. Ärztinnen und Ärzte dürfen nicht solche Vorkommnisse „weglassen“, die einen Behandlungsfehler darstellen (könnten). Selbstverständlich können sie sich jedoch jeglicher Wertung enthalten. Die Ärztin/Der Arzt würde demnach auf eine solch allgemeine Nachfrage lediglich die Tatsachen des Operationsverlaufes wertungsfrei „nacherzählen“.

b. Fraglich ist jedoch, ob die konkrete Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers auf Grundlage des Patientenrechtegesetzes beantwortet werden muss. Nach bisheriger Rechtslage war dies nicht so, sodass der Patientin/dem Patienten eine insofern „unergiebige“ (aber selbstverständlich wahrheitsgemäße) Antwort gegeben werden konnte.

Klar ist, dass nach dem neuen Gesetzestext nun auch konkretere Fragen betreffend Behandlungsfehler beantwortet werden müssen.

Gleichwohl sind Ärztinnen und Ärzte nach Auffassung des Autors auch durch den neuen Gesetzeswortlaut nicht dazu verpflichtet, ein Geständnis abzulegen oder einen ärztlichen Kollegen zu denunzieren. Auf die Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, kann nach wie vor mit wertungsfreien Tatsachenangaben (und allenfalls der eigenen Bewertung) geantwortet werden.

Die Informationspflicht ist nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich auf Umstände und somit auf Tatsachen beschränkt. Schlüsse oder Wertungen, ob ein Behandlungsfehler tatsächlich vorliegt, sind nicht umfasst.

Für diese Annahme spricht neben dem an sich schon eindeutigen Wortlaut („Umstände ... über diese ...“) die Gesetzesbegründung der Bundesregierung: Die Bundesregierung weist darauf hin, dass § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB an die bislang schon geltende Rechtsprechung anknüpft. Auch die Bundesregierung beschränkt in dem Fall, dass der Patient den Behandelnden ausdrücklich nach etwaigen Behandlungsfehlern befragt, die Pflicht des Behandelnden zur wahrheitsgemäßen Antwort lediglich auf einzelne „Umstände“. Hierbei müsse er lediglich die Gefahr hinnehmen, eigene Behandlungsfehler oder die eines Dritten „offenbaren“ zu müssen. Die ausdrückliche Bejahung eines Behandlungsfehlers (Wertung) wird somit nicht gefordert.

Des Weiteren spricht für diese Annahme die Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren: Im Referentenentwurf aus dem Justiz- und Gesundheitsministerium war anfänglich noch die Pflicht vorgesehen, „den Patienten über erkennbare Behandlungsfehler zu informieren“. Dies ist nunmehr in dem oben zu lesenden Gesetzestext abgeschwächt („Umstände ... über diese ...“) worden. Ärztinnen und Ärzte müssen gerade nicht (wie ursprünglich vorgesehen) über Behandlungsfehler informieren, sondern lediglich über Umstände, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen.

Vor diesem Hintergrund relativiert sich die Befürchtung eines Geständniszwangs oder einer Überführungspflicht. Nach hiesiger Auffassung braucht auch weiterhin die Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers nicht beantwortet werden. Ärztinnen und Ärzte müssen lediglich die Umstände der Behandlung konkretisieren. Hierbei können sie sich zum einen mit gutem Grund auf die Umstände beschränken, die entsprechend der gesetzlichen Dokumentationspflicht aus medizinischen Gründen festgehalten werden müssen (§ 630f Abs. 2 BGB). Zum anderen können sie auf die Umstände, die ihrer Verteidigung gegen Behandlungsfehlervorwürfe dienlich sind, hinweisen bzw. an vor-/mitbehandelnde ärztliche Kolleginnen und Kollegen verweisen. Jedenfalls sollte die gegebene Auskunft dokumentiert werden.

Verwertung der Informationen

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