Übersichtsarbeiten - OUP 02/2016

Karpometakarpale Luxationsfrakturen

Carina Büren1, Tim Lögters1, Sebastian Gehrmann1, Joachim Windolf1

Zusammenfassung: Karpometakarpale Verletzungen des 2. bis 5. Strahls sind selten, gehen jedoch mit einer deutlichen Einschränkung der Handfunktion einher, wenn sie nicht zeitnah und adäquat behandelt werden. Neben der nativ-radiologischen Untersuchung der Mittelhand in 3 Ebenen empfiehlt sich immer auch die Durchführung einer CT-Untersuchung zur Darstellung des Verletzungsausmaßes und Planung des weiteren Vorgehens. Die seltenen nicht-dislozierten stabilen Frakturen können konservativ in einer Gipsschiene behandelt werden. Die meisten Verletzungen sind jedoch
instabil und sollten operativ stabilisiert werden. Isolierte Luxationen können geschlossen, die Luxationsfrakturen sollten jedoch offen reponiert werden. Die temporäre Arthrodese wird mit Kirschner-Drähten durchgeführt. Die Fixierung größerer Fragmente, insbesondere am Carpus, gelingt gut mit Hilfe von Zugschrauben. Dieser Behandlungsalgorithmus führt mehrheitlich zu guten klinischen Ergebnissen, wobei die Patienten stets auf ein erhöhtes Risiko einer symptomatischen posttraumatischen Arthrose hingewiesen werden sollten.

Schlüsselwörter: Karpometakarpale Luxationsfraktur, Reposition, Osteosynthese

Zitierweise
Büren C, Lögters T, Gehrmann S, Windolf J. Karpometakarpale
Luxationsfrakturen.
OUP 2016; 2: 088–093 DOI 10.3238/oup.2015.0088–0093

Summary: Carpometacarpal (CMC) fracture dislocation to the second to fifth CMC joint are rare, but coexist with a
significant reduction in hand function, if not promptly and adequately treated. A thin slice CT scan is always recommended for detailed fracture pattern characterization and further planning. Conservative and operative therapy options are available. Here, the open surgical approach seems to be the method of choice.

Keywords: carpometacarpal fracture dislocation, relocation, osteosynthesis

Zitierweise
Büren C, Lögters T, Gehrmann S, Windolf J. Carpometacarpal
fracture dislocations.
OUP 2016; 2: 088–093 DOI 10.3238/oup.2015.0088–0093

Einleitung

Karpometakarpale Luxationsfrakturen sind seltene Verletzungen und machen weniger als 1 % aller Handverletzungen aus. Prinzipiell können alle karpometakarpalen Gelenke betroffen sein, am häufigsten betroffenen sind allerdings der 4. und 5. Strahl [1]. Sowohl in der klinischen Untersuchung als auch der nativ-radiologischen Bildgebung können diese schnell übersehen werden. Dies liegt zum einen an der Seltenheit der Verletzung selber, und zum anderen an der Überlagerung der Basen der Mittelhandknochen in der seitlichen und schrägen Röntgenaufnahme [2]. Ziel der Behandlung ist die anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche, um eine uneingeschränkte Greiffunktion zu ermöglichen [3]. In der Mehrzahl der Fälle sind karpometakarpale Frakturen instabil mit einer nicht zu akzeptierenden Dislokation, sodass in der Regel eine operative Therapie indiziert ist und die konservative Therapie lediglich in Einzelfällen durchgeführt werden sollte [4].

Anatomie und
Unfallmechanismus

Das typische Verletzungsmuster kann auf die Anatomie zurückgeführt werden. Die Mittelhandknochen und karpometakarpalen Gelenke sind von einem stabilen Bandapparat umgeben [5, 6]. Sowohl die palmaren als auch dorsalen Bänder zwischen den Basen der Mittelhandknochen und der distalen Handwurzel können als dynamische Befestigungen angesehen werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Stabilität von radial nach ulnar abnimmt [7, 8]. Deshalb ist das Bewegungsausmaß in den ulnarseitigen Gelenken deutlich höher als in den radialseitigen. Insbesondere wird der 2. Mittelhandknochen durch die knöcherne Artikulation mit dem Os trapezium, dem Os trapezoideum und der Basis des 3. Mittelhandknochens stabilisiert. Des Weiteren setzen die Sehnen M. extensor carpi radialis longus und des M. extensor carpi radialis brevis dorsal an den Basen des 2. und 3. Mittelhandknochens an und verleihen dieser Region somit noch ein höheres Maß an Stabilität. Aufgrund dessen treten Luxationsfrakturen im Bereich des 2. und 3. Mittelhandknochens nur sehr selten auf [9]. Im Gegensatz dazu ist die ligamentäre Verankerung der 4. und 5. Mittelhandknochen als mobiler anzusehen. Aufgrund dessen ist diese Region empfindlicher gegenüber Verletzungen. Die Hälfte aller Verletzungen der karpometakarpalen Gelenke betrifft den 5. Strahl [10].

Aufgrund der Anatomie zeigen sich die Luxationsfrakturen meist mit Dislokation des distalen metakarpalen Fragments nach proximal-dorsal [11–13]. In seltenen Fällen ist auch eine Dislokation nach palmar beschrieben [14]. Eine Besonderheit zeigt sich am 5. Mittelhandknochen. Durch den Zug der Sehne des M. extensor carpi ulnaris am ulnaren Fragment und den stabilisierenden Bändern zwischen dem radialen Fragment des 5. Mittelhandknochens zum 4. Mittelhandknochen, wird das ulnare Fragment mitunter weit nach proximal disloziert. Analog zur Bennet-Fraktur am ersten Mittelhandknochen wird diese Luxationsfraktur als „Baby Bennett“ oder „mirrored Bennett fracture“ beschrieben [15, 16].

Karpometakarpale Luxationsfrakturen entstehen meist durch direkten axialen Anprall. Hierzu zählen Faustschläge (54 %), Verkehrsunfälle (23 %) und Stürze (14 %) [6]. Ein genauer, einzelner Pathomechanismus kann für karpometakarpale Luxationsfrakturen nicht beschrieben werden [17, 18]. Yoshida et al. zeigen in ihrer Studie, dass selbst unter kontrollierten Bedingungen unterschiedliche Verletzungsfolgen und Frakturmuster entstehen [6]

Diagnostisches Vorgehen

Die Patienten berichten in der Anamnese häufig von einem direkten Anprall, insbesondere bei körperlichen Auseinandersetzungen. Zu bedenken ist hierbei, dass die Wahrnehmung des Patienten für das Unfallereignis in diesen Fällen mitunter sehr unterschiedlich sein kann. In der Inspektion ist zumeist eine Schwellung über dem dorsalen Handrücken vorhanden. In der klinischen Untersuchung besteht ein Druckschmerz über der betroffenen Region und es zeigt sich eine Bewegungs- und Krafteinschränkung der Hand. Insbesondere basisnahe Frakturen und Luxationsfrakturen gehen mit einer augenscheinlichen Fehlstellung einher. Hierbei sollte vor allem auf Rotationsabweichungen geachtet werden. Zur Beurteilung bittet man den Patienten, einen Faustschluss durchzuführen. Das Abweichen oder sogar Überkreuzen des Fingers ist typisch für eine Verletzung des Mittelhandknochens. In Streckstellung spricht das Abweichen der Nagelebene des betroffenen Fingers für eine Rotationsfehlstellung.

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