Übersichtsarbeiten - OUP 02/2016

Karpometakarpale Luxationsfrakturen

Zur Darstellung von Luxationsfrakturen sollte eine vollständige nativ-radiologische Untersuchung der Mittelhand mit angrenzender Handwurzel in 3 Standardebenen (dorsopalmar, lateral, schräg) erfolgen. Die Schrägaufnahme empfiehlt sich als Semisupinations-Aufnahme (45° Supination) für den 4. und 5. Strahl und als Semipronations-Aufnahme (45° Pronation) für den 2. und 3. Strahl [19]. Insbesondere ein streng seitliches Röntgenbild, in dem auf eine parallele Darstellung der karpometakarpalen Gelenkflächen geachtet wird, ist zur Beurteilung von basisnahen Frakturen und Luxationsfrakturen von Bedeutung [17].

Ergibt sich in der konventionellen Bildgebung der V.a. eine karpometakarpale Luxationsfraktur, sollte sich hieran eine weiterführende Diagnostik im Sinne einer CT anschließen. Aber auch bei einer nativradiologisch bereits diagnostizierten Verletzung sollte eine CT-Untersuchung mit Rekonstruktionen in sagittaler und frontaler Ebene durchgeführt werden. Anhand der CT kann das vollständige Verletzungsausmaß beurteilt werden und eine präoperative Planung erfolgen [20].

Therapieoptionen

Behandlungsziel karpometakarpaler Luxationsfrakturen ist die Wiederherstellung einer schmerzfreien Beweglichkeit der betroffenen Hand. Hierfür ist die anatomische Wiederherstellung der Gelenkfläche von Bedeutung, um das Risiko einer posttraumatischen Arthrose zu minimieren.

Nichtdislozierte Frakturen ohne Luxation im Karpometakarpalgelenk können konservativ behandelt werden [3]. Hierfür ist eine Ruhigstellung in einer Unterarmgipsschiene empfohlen, deren distales Ende bis zu den Köpfen der Mittelhandknochen reicht. Eine Ruhigstellung der Grundglieder der Finger mit einschließender Schiene in „Intrinsic-Plus“-Stellung mit Beugung der Finger-Grundgelenke halten wir nicht für indiziert. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass unverletzte Anteile der Hand nicht in die Ruhigstellung mit eingeschlossen werden, um eine Beübung zu ermöglichen. Regelmäßige radiologische Nachuntersuchungen sind ratsam, um sekundäre Dislokationen frühzeitig zu diagnostizieren. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass nicht oder verzögert erkannte sekundäre Dislokationen mit schlechten funktionellen Ergebnissen einhergehen [21]. Insgesamt sind die stabilen Frakturen selten, die konservative Therapie stellt daher die Ausnahme dar.

Viel häufiger sind instabile Frakturen und Luxationen mit oder ohne Frakturen. Neben diesen stellen Frakturen mit intraartikulärer Stufenbildung und offene Frakturen eine Indikation zur operativen Versorgung dar [22].

Zu unterscheiden ist hierbei das geschlossene oder offene operative Vorgehen: Ein geschlossenes Vorgehen ist bei isolierter Luxation möglich. Frische Luxationen lassen sich besser reponieren als Luxationen älterer Genese. Zur Reposition sollte unter ständigem Längszug des betroffenen Strahls ein moderater Druck über der Basis des Mittelhandknochens von dorsal nach palmar ausgeübt werden. Nach erfolgreicher Reposition unter Bildwandler-Kontrolle wird das Repositionsergebnis durch eine temporäre Arthrodese durch Kirschner-Drähte gesichert. Die Arthrodese kann hierbei direkt durch axial eingebrachte Drähte erfolgen (direkte Arthrodese) oder alternativ durch Transfixierung des betroffenen an den unmittelbar benachbarten Mittelhandknochen (indirekte Arthrodese). Drähte in axialer Richtung stabilisieren gut gegenüber dorsalen Kräften, die queren Drähte gut gegen axiale Kräfte. Obwohl keine grundsätzlichen Empfehlungen zur Drahtplatzierungen gegeben werden können, hat sich das Einbringen eines axialen Drahts in Kombination mit 2 Transfixationsdrähten in der klinischen Routine etabliert (Abb. 1).

Bei Luxationsfrakturen können Fragmente, unabhängig von ihrer Größe, die geschlossene Reposition behindern. Die offene Darstellung erlaubt zudem die Rekonstruktion intraartikulärer Stufen und die Reposition karpaler Frakturfragmente. Zur Retention können in Abhängigkeit von der Größe der Fragmente neben Kirschner-Drähten auch Schrauben und Platten genutzt werden. Kleinere nicht retinierbare Fragmente sollten nicht direkt fixiert, sondern indirekt über die Arthrodese stabilisiert werden. Die offene Reposition dient hierbei dem Herauslösen von in das Gelenk eingeschlagenen Fragmenten. Größere Fragmente, insbesondere im Bereich der Handwurzel, können nach anatomischer Reposition mittels Schrauben stabilisiert werden (Abb. 2). Mini-Platten sind bei größeren extraartikulären Fragmenten indiziert. Unabhängig von der Stabilität der Osteosynthese der Fragmente ist in der Regel die temporäre K-Draht-Arthrodese zur Sicherung des Repositionsergebnisses notwendig. Die Drähte sollten hierbei unter Hautniveau gekürzt werden, um das Risiko von drahtassoziieren Infektion zu reduzieren. Die Infektionsrate von K-Drähten an der Hand wird mit ca. 6 % der Fälle angegeben. Zwar handelt es sich mehrfach um oberflächliche Wundinfekte, jedoch treten tiefe Infekte mit der Notwendigkeit weiterführender operativer Maßnahmen immerhin noch in bis zu 3 % der Fälle auf [23]. Insbesondere bei Patienten mit mangelnder Compliance scheint dieses Risiko weiter erhöht zu sein.

In Abbildung 3 wird ein solcher Fall dargestellt, bei dem nach karpometakarpaler Luxation und Versorgung mit einer K-Draht-Osteosynthese ein schwerwiegender Infekt mit Keimnachweis eines Staphylococcus aureus und eines Enterococcus faecalis auftrat. Nach Entfernung der K-Drähte erfolgten ausgiebige Debridements. Trotz Einbringen einer PMMA-Minikette und parenteraler antibiotischer Abdeckung mittels Cephazolin breitete sich der Infekt weiter aus, sodass letztlich der gesamte Carpus einschließlich der Basen der Metacarpalia IV und V sowie der Strecksehnen D2 bis D5 entfernt werden mussten. Nach vorübergehender Ruhigstellung mit einem Fixateur externe und dem Einlegen eines Zementspacers erfolgte die Deckung eines größeren streckseitigen Weichteildefekts durch einen gefäßgestielten Radialislappen. Bei reizlosen Wundverhältnissen wurde dann die definitive Arthrodese mit einer dorsalen Platte und Interposition eines größeren Beckenkammspans durchgeführt. Eine Rekonstruktion der Strecksehnen wollen wir erst nach gesicherter Wundheilung nach ausgeheiltem Infekt durchführen. Der Patient wünschte zum jetzigen Zeitpunkt keine erneute Operation. Deshalb ist zurzeit die Funktion des Handgelenks und der Finger noch stark eingeschränkt.

Lediglich bei den extraartikulären Mittelhandbasisfrakturen ohne Luxation kann nach Stabilisierung mit einer Platte und klinisch stabilem Karpometakarpal-Gelenk auf eine Arthrodese verzichtet werden.

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