Übersichtsarbeiten - OUP 10/2014

Klinische Ergebnisse nach Implantation einer metaphysären inversen Kurzschaftprothese

J. Jerosch1 , M. Manzke1, T. Filler1

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Studie war es,
82 Patienten zu evaluieren, bei denen zwischen 2009 und 2011 84 inverse TESS-Schulterprothesen (Biomet, Deutschland) implantiert wurden.

Material und Methode: Das Durchschnittsalter betrug
72,7 Jahre, es handelte sich um 55 Frauen und 20 Männer, 58-mal war die dominante und 17-mal die nicht dominante Seite betroffen, die durchschnittliche Nachuntersuchungszeit betrug 16,8 Monate. Zur Dokumentation der prä- und postoperativen Schulterfunktion wurden der Constant-Murley-
sowie der DASH-Score verwendet. Die Erhebung der unterschiedlichen Parameter erfolgte durch einen unabhängigen Untersucher.

Ergebnisse: Es konnten signifikante Verbesserungen hinsichtlich der Schulterfunktion, Patientenzufriedenheit und Alltagsbewältigung beobachtet werden. Der Constant-
Murley-Score verbesserte sich von präoperativ 11,6 % auf postoperativ 76,8 %, der DASH-Score von präoperativ 73 auf postoperativ 33,7 und die Gesamtzufriedenheit auf einer VAS betrug 7,3/10. Patienten, die mehrfach aufgrund von Schulterendoprothesen operiert werden mussten, zeigten im
Constant-Murley-Score ein signifikant schlechteres Ergebnis (70,9 %) als Patienten, die nur einmal operiert wurden (81,7 %). Die Studie zeigt erstmals die vermehrte Verwendung von inversen TESS-Schulterprothesen im Revisionsfall. Die Komplikationsrate liegt hinsichtlich anderer Studien mit ähnlichem Patientengut in einem vergleichbaren Bereich.

Fazit und klinische Relevanz: Die metaphysär verankerte
inverse TESS-Schulterendoprothese zeigt vergleichbare
klinische Ergebnisse zu anderen schaftgeführten inversen Systemen.

Schlüsselwörter: inverse Schulterendoprothese, metaphysäre Verankerungen, klinische Ergebnisse

Zitierweise
Jerosch J , Manzke M, Filler T. Klinische Ergebnisse nach Implantation einer metaphysären inversen Kurzschaftprothese.
OUP 2014; 10: 470–479 DOI 10.3238/oup.2014.0470–0479

Purpose: The purpose of the present study was to evaluate
82 patients, which were treated between 2009 and 2011 with 84 inverse TESS total shoulder replacements (Biomet, Deutschland).

Material and Methods: The average are was 72.7 years, 55 were female and 20 male, in 58 shoulder the dominant and in 17 the non-dominat shoulder was involved, the average follow-up was 16.8 months. For the clinical documentation pre- and postoperatively the Constant-Murley- as well as the DASH-Score were used. The evaluation was performed by an independant examiner.

Results: We documented significant improvement concerning the shoulder function, patients satisfaction and ADLs. The Constant-Murley Score increased from preoperatively 11.6 % to 76.8 % postoperativeley, the DASH-Score improved from preoperatively 73 to postoperatively 33.7 and the patients satisfaction was 7.3/10. Patients with multiple operation on their shoulder showed a significant worse Constant-Murley-Score with 70,9 % compoared to those patients who only had a single operation (81.7 %). The rate of complications was comparable to other studies.

Conclusion: The stemless metaphyseal reverse TESS TSR showed comparable clinical results in relation to other reverse systems with a humeral stem.

Keywords: reverse shoulder replacement, metaphyseal fixation,
clinical results

Citation
Jerosch J , Manzke M, Filler T. Clinical results after the implantation of a reverse metaphyseal shoulder replacement.
OUP 2014; 10: 470–479 DOI 10.3238/oup.2014.0470–0479

Einleitung

1983 beschrieben Neer et al. [1] erstmals systematisch die Beschwerden von 26 Patienten mit stark arthrotisch verändertem Humeruskopf und zusätzlichen Rotatorenmanschettendefekten, und prägten den Begriff Defektarthropathie. Ein fehlendes Trauma in der Anamnese von 20 der 26 Patienten ließ Neer auf eher degenerative Defekte der Rotatorenmanschette schließen. Die Patienten beschrieben seit durchschnittlich 10 Jahren starke progressive Schmerzen in der Schulter, welche vor allem nachts und bei Bewegung des Arms ausgeprägt waren. Hinzu kam die Unfähigkeit der Patienten, den Arm zu heben und nach außen zu rotieren. Als Pathomechanismus vermutete Neer mehrere Faktoren. Zu den Wichtigsten gehören: Zum einen kommt es durch eine nicht funktionierende Rotatorenmanschette zu einem Verlust des engen Gelenkspalts und so zu einem erniedrigten Druck der Synovialflüssigkeit, die den Knorpel ernährt. Zum anderen kommt es mit einer zunehmenden Inaktivität sowohl zu Veränderungen an Knorpel und Gelenkkapsel als auch zu osteoporotischen Veränderungen unterhalb des Knorpels. Durch den Humeruskopfhochstand kommt es zu Erosionen des Akromions und des Akromioclavikular-Gelenks.
Sirveaux beschrieb zusätzlich Defekte an den kranialen Anteilen des Glenoids [2]. Es finden sich unterschiedliche Klassifikationen in der Literatur.

Hamada beschrieb 1990 [3] 5 Grade der Defektarthropathie hinsichtlich Veränderungen im a.p.-Röntgenbild. Als ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen den einzelnen Stadien wurde die akromiohumerale Distanz verwendet:

Bei Grad 1 beträgt die akromiohumerale Distanz 6 mm oder mehr,

bei Grad 2 sind es 5 mm oder weniger,

Grad 3 verfügt zusätzlich noch über eine Acetabulisation des Akromions,

bei Grad 4 kommt zusätzlich noch eine Verschmälerung des glenohumeralen Gelenkspalts hinzu,

Grad 5 weist einen zum Teil kollabierten Humeruskopf auf.

Die Klassifikation von Visotsky-Seebauer [4] beinhaltet biomechanische Aspekte. Zum einen das Wandern des Rotationszentrums nach oben und zum anderen die Stabilität des Rotationszentrums. Die endoprothetische Lösung dieser klinischen Probleme besteht in der Implantation einer inversen Prothese. Das Ziel der Studie war es, die klinischen Ergebnisse nach Implantation einer metaphysär verankerten inversen Prothese bei Patienten mit defekter Rotatorenmanschette zu evaluieren.

Material und Methoden

Verwendetes Prothesensystem: Bei dem TESS-System handelt es sich um ein knochensparendes modulares System der Firma Biomet. Der Operateur kann sich je nach Bedarf für eine Hemi-, Total-, Fraktur- und Inversenprothese entscheiden. Zudem strebt das Design möglichst knochensparende Eingriffe an, sodass es möglich ist, die Prothesen ohne Schaft zu implantieren.

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