Übersichtsarbeiten - OUP 10/2014

Klinische Ergebnisse nach Implantation einer metaphysären inversen Kurzschaftprothese

Vergleicht man die Ergebnisse vor allem der letzten 4 aufgezählten Studien, so liegen die klinischen Ergebnisse unserer Studie in einem ähnlichen Bereich. Weiterhin konnten unsere Untersuchungen zeigen, dass auch mit dem TESS-Schultersystem Patienten, die nach Implantation einer Schulterprothese erneut operiert werden mussten, ein signifikant schlechteres Ergebnis erzielten. Es handelt sich um die erste Studie mit inversen TESS-Schulterprothesen, die eine größere Revisionsgruppe analysiert. Bis dato gibt es nach unserer Kenntnis nur eine weitere Studie, die isoliert inverse TESS-Prothesen untersuchte. Bezüglich der Fallzahl konnte keine andere Studie gefunden, die mehr Patienten mit TESS-Schulterprothesen in die Studie einschließen konnte.

Lockerungen des Glenoids traten in unserer Studie in 8 % der Fälle auf. In der Literatur findet sich eine Lockerungsrate von 0–8 % [6, 14, 15, 10, 16, 17, 18, 8, 2, 13, 10], beobachtet bei 41 Patienten; 3 Glenoidlockerungen (7,1 %), welche durch Revision mit einer Hemiprothese versorgt wurden. Holcomb et al. [17] untersuchten 14 Patienten nach, die nach Versagen der Basisplatte am Glenoid erneut mit einer inversen Prothese versorgt wurden. In 2 Fällen (14 %) musste aufgrund einer erneuten Dislokation ein 2. Mal mit einer inversen Prothese revidiert werden. Das klinische Ergebnis vor der ersten Dislokation und nach Revision unterschied sich nicht signifikant, kein Patient war mit dem Ergebnis im letzten Follow-up unzufrieden. Frankle et al. [16] mussten bei 7 von 60 Patienten (12 %, durchschnittlich 21 Monate postoperativ) 8 Revisionen durchführen. Alle zeigten keine knöcherne Einheilung der Basisplatte am Glenoid. Zwei Patienten wurden aufgrund von Mangel knöcherner Substanz am Glenoid und Infektionen zu Hemiprothesen umgewandelt. Vorausgehend wurden sie 6 Wochen mit intravenöser Antibiotikagabe und Implantation eines Antibiotikaspacers versorgt. Die anderen 5 Patienten erhielten erneut eine inverse Prothese, wovon sich bei einem erneut die Basisplatte lockerte, er wurde mit einer dritten inversen Prothese versorgt. Vier dieser 5 Patienten bewerteten ihr Ergebnis als exzellent, einer als gut. Die beiden Patienten mit Hemiprothese werteten ihr Ergebnis als gut und befriedigend. Ballas et al. [6] berichteten bei 56 inversen TESS-Prothesen 3 Revisionen aufgrund Glenoidlockerung (5,4 %). Zwei Patienten wurden erneut mit einer inversen Prothese versorgt, wobei eine autologe Beckenkammtransplantation nötig war. Beim dritten Patienten wurde aufgrund des schlechten Gesundheitszustands die Prothese nur entfernt. Mit einem durchschnittlichen Follow-up von 69,6 Monaten (Spannweite 60–121 Monate) beobachteten Guery et al. [19] zu einem frühen Studienzeitpunkt 3 Glenoide, bei welchen sich die Schrauben lösten. Zwei davon wurden ohne Wechsel gefestigt. Bei dem Dritten war die lockere Schraube mit einer lockeren Basisplatte vergesellschaftet und so musste die ganze Prothese neu gewechselt werden. Bei einem 4. Patienten lockerte sich das Glenoid und musste in eine Hemiprothese umgewandelt werden.

Insgesamt konnte 4-mal eine Lockerung der humeralen Komponente beobachtet werden (5,3 %). Diese Lockerungen stehen jedoch immer in einem speziellen Kontext. Zunächst traten Lockerungen nur auf, wenn kein zusätzlicher Schaft implantiert wurde. In 2 Fällen war die humerale Knochensubstanz bereits beeinträchtigt (durch: Humeruskopfnekrose, Oberflächenersatz Revision, Fraktur mit nachfolgender Interimsprothese). Bei einem Patienten wurde die Lockerung bereits unmittelbar postoperativ festgestellt und die Revision erfolgte am nächsten Tag. Hier handelt es sich um ein Problem der Primärstabilität. Ein Patient stürzte auf die Prothese. Nach einer Revision durch Schaftverlängerung blieben alle Patienten bezüglich der humeralen Komponente unauffällig. Zumstein et al. [5] geben für inverse Prothesen eine Lockerungsrate der humeralen Komponente von 1,3 % an. Kadum et al. [20] beobachteten bei 49 Patienten mit TESS-Prothesen eine humerale Lockerung bei einer inversen Prothese nach posttraumatischer Arthrose. In den andern Studien mit TESS-Prothesen wurden keine humeralen Lockerungen beschrieben [6, 21, 22, 20, 23,]. Häufig besitzen diese Studien jedoch ein nicht so breites Indikationsspektrum, welches Einfluss auf die Knochensubstanz des proximalen Humerus hat. Einschränkend für die Aussagekraft kommen oftmals kleine Fallzahlen hinzu.

Fazit und klinische Relevanz

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die metaphysär verankerte inverse TESS-Schulterendoprothese vergleichbare klinische Ergebnisse zu anderen schaftgeführten inversen Systemen zeigt. Bei schlechter proximaler Knochensubstanz ist jedoch eine Schaftverlängerung zu empfehlen.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch

Abteilung für Orthopädie,
Unfallchirurgie und Sportmedizin

Johanna Etiennne Krankenhaus

Am Hasenberg 46, 41452 Neuss

J.Jerosch@ak-neuss.de

Literatur

1. Neer CS 2nd, Craig EV, Fukuda H. Cuff-tear arthropathy. The Journal of bone and joint surgery American 1983; 65: 1232–1244

2. Sirveaux F, Favard L, Oudet D, Huquet D, Walch G, Mole D. Grammont inverted total shoulder arthroplasty in the treatment of glenohumeral osteoarthritis with massive rupture of the cuff. J Bone Joint Surg [Br] 2004; 86-B: 388–395

3. Hamada K, Fukuda H, Mikasa M, Kobayashi Y. Roentgenographic findings in massive rotator cuff tears. A long-term observation. Clinical orthopaedics and related research 1990; 254: 92–96

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