Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Konservative und operative Behandlung der rheumatischen Gonarthritis

Christoph Biehl, Alexander Hiob, Ulrich Thormann, Christian Heiß

Zusammenfassung:

Die rheumatoide Arthritis (RA) führt nahezu immer zu einer Einbeziehung des Kniegelenks in das Krankheitsgeschehen. Gleichzeitig sind entzündlich destruierte Kniegelenke der häufigste Grund für Einschränkungen der sozialen Teilhabe. Therapeutisch gilt es, frühzeitig mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern. Ein Stadien-adaptiertes Konzept und perioperatives Management inkludieren lokale konservative und operative Versorgungsmöglichkeiten, ohne die Gesamtsituation des Patienten aus dem Blick zu verlieren.

Schlüsselwörter:
konservative Therapie, Kniegelenk, Kniechirurgie, rheumatoide Arthritis, Komplikationsregister

Zitierweise:

Biehl C, Hiob A, Thormann U, Heiß C: Konservative und operative Behandlung der
rheumatischen Gonarthritis. OUP 2019; 8: 139–143

DOI 10.3238/oup.2019. 0139–0143

Summary: Rheumatoid arthritis (RA) always includes the knee in the progression of the disease. At the same time, inflammatory destroyed knees are the most frequent reason for a deterioration of social participation. Therapeutically, it is important to take appropriate countermeasures at an early stage. A stage adapted concept for treatment and perioperative management includes local conservative and operative care options without losing sight of the overall situation of the patient.

Keywords: conservative treatment, knee, knee surgery, rheumatoid arthritis, register of complications

Citation: Biehl C, Hiob A, Thormann U, Heiß C: Conservative and operative treatment in rheumatoid gonarthritis. OUP 2019; 8: 139–143
DOI 10.3238/oup.2019. 0139–0143

Für alle Autoren: UKGM Gießen, Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie – Operative Notaufnahme

Einleitung

Rheumatische Erkrankungen manifestieren sich in über 90 % am Kniegelenk. Destruierte Gelenke führen zu schweren Beeinträchtigungen in der Mobilität der Betroffenen. Schwellungszustände, die auf einer proliferierenden Synovialis mit Verdickung der Kapsel und Ergussbildung beruhen, sind für Patienten und Therapeuten leicht erkennbar. Sie sind aber keine zwingende Voraussetzung für eine aktive Gonarthritis.

Neben artikulärer Gewebsvermehrung kann es sekundär auch zu Abflussstörungen der Venen und Lymphgefäße kommen, die zu peripheren Ödemen führen.

Die entzündlich veränderte Synovia schädigt das Gelenk zum einen direkt, in dem sie durch pannöse Überwucherung und infiltratives Wachstum zur Destruktion des Knorpels und der Bandstrukturen führt. Zum anderen schädigt sie durch chondrodestruktive Enzyme (z.B. Metalloproteasen) indirekt die Gelenkflächen.

Eine anhaltende Entzündungsaktivität im Knie sollte innerhalb von 6 Wochen durch einen orthopädisch-rheumatologisch versierten Kollegen weiter abgeklärt werden, um langfristige negative Folgen für das Gelenk zu vermeiden. Scheinbar reizarme Kniegelenke können gleichfalls destruieren, da die Fortschritte der medikamentösen Therapie die aktiven Prozesse unterbindet. Die bei den internistischen Rheumatologen verbreitete Kontrolle mittels DAS28 beinhaltet nicht alle Gelenke, insbesondere scheinbar unauffällige Befunde an Sehnen und Gelenken entziehen sich so der Verlaufsdiagnostik. Da das DAS28 nicht alle Gelenke und insbesondere keine Sehnenpathologien oder eben auch blande erscheinende Gelenke erfasst, werden diese durch die orthopädisch-rheumatologischen Jahresuntersuchung (ORJ) erfasst und in das Therapiekonzept einbezogen [10]. Die ausführliche Untersuchung umfasst neben Begleiterkrankungen und Allergien auch eine genaue Auflistung der rheumatologischen medikamentösen Therapie [13, 17].

Therapiekonzept

Dem stadienartigen Verlauf der rheumatoiden Arthritis sollte ein praktikables Therapiekonzept gegenüberstehen, das konservative und operative Versorgungen am Kniegelenk berücksichtigt und den individuellen Besonderheiten Rechnung trägt [3, 14]. Dem Therapeuten obliegt es, diese entsprechend seinem Kenntnisstand anzupassen und die potenziellen Risiken sorgsam mit dem Benefit abzuwägen [18, 19]. Am Kniegelenk können Probleme und Komplikationen aufgrund der eingeschränkten Kompensationsmöglichkeiten durch die meist ebenfalls betroffenen Nachbargelenke früher und ausgeprägter auftreten als bei Arthrotikern.

Aufgrund der eingangs geschilderten Problematik einer direkten und indirekten Schädigung durch eine persistierende Synovialitis sollte die radikale Entfernung der entzündlich veränderten Schleimhaut erfolgen. Das Therapiekonzept berücksichtigt Alter und Anspruch des Betroffenen und das Ausmaß der Schädigung.

In frühen Stadien ohne klinische Schäden ist die Reduktion der entzündlichen Synovia und die Verhinderung einer erneuten Inflammation das primäre Ziel. Bei Kindern und Jugendlichen kann dies mithilfe einer konservativen Therapie erfolgen. Zentraler Baustein ist hier die physikalische Therapie mit gleichzeitiger Schulung im Gelenkschutz von Patient und Eltern. Häufig ist die rheumatologische Basistherapie nur unzureichend vorhanden. Für die problemlose Teilhabe am sozialen Leben ist gerade bei Kindern und Jugendlichen auch eine dezidierte Beratung in Hinblick auf sportliche und andere Freizeitbetätigungen erforderlich. So sollten Alternativen zu kniegelenkbelastenden Sportarten empfohlen werden (z.B. Eisschnelllauf vs. Eishockey).

Neuere Studien empfehlen eine frühzeitige Abklärung psychischer Begleitprobleme, da Rheumatiker hier relativ stärker beeinträchtigt sind als vergleichbare Kollektive von Arthrotikern [16]. Es liegt am Einfühlungsvermögen der Ärztin/des Arztes dies anzusprechen, um gezielte Hilfe einleiten zu können. Aus falscher Scham und Unsicherheit wird sich leider meist auf das organische Leiden beschränkt.

Liegt eine Oligoarthritis vor, so sind neben der Krankengymnastik abschwellende Maßnahmen, wie Kryotherapie und Sonophorese, additiv möglich. Die intraartikuläre Applikation von Kortikoiden wird zunehmend kritisch gesehen. Selbst lokale Gaben erhöhen zum einen die Gefahr einer Sekundärinfektion bei immunmodulierten Patienten. Zum anderen scheinen auch geringe Dosen Kortison langfristig negative Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel zu haben. Im Tiermodel lässt sich bei jungen Ratten nach Kortisongabe eine Osteomalazie nachweisen [1].

Bei persistierenden Synovialitis sollte auch oder insbesondere bei Jugendlichen eine operative arthroskopische Entfernung diskutiert werden. Die Altersgrenzen für die sich anschließende oder als Alternative geeignete primäre Radiosynoviorthese (RSO) hat sich in den letzten Jahren nach vorne verlagert. Das ist sicherlich auch dem Fehlen einer Alternative nach dem Verbot der chemischen Synoviorthesen geschuldet [2, 5, 6].

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