Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019

Kontinuierliche passive Bewegungstherapie nach operativen Eingriffen am Kniegelenk
Eine Literaturübersicht

Martin Goosmann, Wolfram Mittelmeier, Rainer Bader

Zusammenfassung:

Die kontinuierliche passive Bewegungstherapie (CPM-Therapie) mit CPM-Schienen ist eine
postoperative Standardtherapie am Kniegelenk. In einer Literaturanalyse wurden Studien sowie Übersichtsarbeiten zur CPM in wissenschaftlichen Datenbanken identifiziert und in Bezug auf
deren Wirksamkeit und Behandlungsstandards analysiert. Zehn Arbeiten zur vorderen Kreuzbandplastik und 7 zu knorpelreparativen Eingriffen zeigten ein verbessertes Bewegungsausmaß sowie Reduktion von Schwellung und Schmerz. Für hohe Tibia-Osteotomie und Meniskusnaht fanden sich keine kontrollierten Studien zur postoperativen CPM-Anwendung. Die Studienlage weist zum Teil methodische Defizite und eine Heterogenität in der CPM-Anwendungsdauer auf. Die
analysierten Studien zeigten insgesamt positive Effekte für den Patienten beim Einsatz in oben
genannten Indikationen. Dabei wurde die CPM-Therapie in den analysierten Studien meist nur als Zusatz zu einer intensiven Physiotherapie untersucht.

Schlüsselwörter:
kontinuierliche passive Bewegungstherapie, Kniegelenk, Literaturanalyse,
continuous passive motion (CPM)

Zitierweise:

Goosmann M, Mittelmeier W, Bader R: Kontinuierliche passive Bewegungstherapie
nach operativen Eingriffen am Kniegelenk. OUP 2019; 8: 292–301
DOI 10.3238/oup.2019.0292–0301

Summary: Continuous passive movement (CPM) therapy with specific devices is a standard postoperative therapy for the knee joint. Through a literature analysis of clinical trials and reviews to CPM in scientific databases were identified and analysed with respect to its efficacy and treatment standards. Ten studies for anterior cruciate ligament surgery and 7 for cartilage repair procedures revealed an improved range of motion, reduction of swelling and pain. For high tibial osteotomy and meniscal suture, no controlled studies could be found. The studies demonstrated in part methodical deficits and heterogeneity in the duration of the CPM application. Overall, the analysed studies showed positive effects in patients with the above-mentioned indications. In the analysed studies the CPM therapy was usually examined only as an adjunct to intensive physiotherapy.

Keywords: continuous passive motion therapy, knee joint, literature survey, continuous passive motion (CPM)

Citation: Goosmann M, Mittelmeier W, Bader R: Continuous passive motion (CPM) therapy following surgical interventions on the knee joint. OUP 2019; 8: 292–301. DOI 10.3238/oup.2019.0292–0301

Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock

Einleitung

Die Sicherstellung der frühfunktionalen Mobilisierung stellt einen wesentlichen Schwerpunkt nach operativen Eingriffen an Gelenken dar und trägt maßgeblich zum Therapieerfolg bei [5, 13, 39]. Für die passive Gelenkbewegung werden neben der Physiotherapie häufig motorbetriebene Bewegungsschienen als therapeutisch-rehabilitative Maßnahme verwendet. Die kontinuierliche passive Bewegungstherapie (continuous passive motion therapy; CPM-Therapie) mit einer CPM-Schiene wurde erstmalig von Salter [32] beschrieben und basiert auf der Anwendung einer Bewegungsschiene, in der das affizierte Bein passiv in die definierte Extension und Flexion geführt wird. Die CPM-Schiene wird in der postoperativen Rehabilitation u.a. bei verschiedenen Erkrankungen oder Verletzungen am Knie- und Hüftgelenk eingesetzt. Neben positiven Einflüssen auf die Heilung von Knorpelläsionen und die Gelenkbeweglichkeit hat die CPM-Anwendung auch positive Auswirkungen auf die Wiederherstellung der Gelenkhomöostase nach operativen Eingriffen [25]. Obgleich die CPM-Anwendung in der medizinischen Fachliteratur anerkannt ist [12, 20, 39], existiert derzeit keine Leitlinie einer deutschen Fachgesellschaft zur definierten CPM-Therapie am Kniegelenk.

Operative Eingriffe am Kniegelenk sind von großer sozioökonomischer Relevanz. So wurden in Deutschland im Jahr 2015 beispielsweise 43.946 arthroskopische Refixationen und Plastiken am Kapselbandapparat des Kniegelenks (OPS 5–813) durchgeführt. Im gleichen Jahr erfolgten 261.700 arthroskopische Operation am Gelenkknorpel und an den Menisken (OPS 5–812) und 30.818 Umstellungsosteotomien (OPS 5–781) [37].

Das Ziel dieser Literaturübersicht war es, die verfügbaren klinischen Studien zu sichten. Dabei wurden speziell die randomisierten kontrollierten Studien (randomized controlled trials; RCTs) sowie die nicht-randomisierten kontrollierten Studien (Non-RCTs) und Übersichtsartikel zur CPM-Anwendung bei verschiedenen Erkrankungen und Verletzungen des Kniegelenks analysiert, um Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der CPM-Anwendung zu ziehen. Für die Literaturübersicht wurden klinische Studien mit postoperativer CPM-Therapie am Kniegelenk nach folgenden operativen Eingriffen berücksichtigt:

vordere Kreuzbandplastik (VKB-Plastik),

hohe Tibia-Osteotomie,

Naht des Innen- bzw. Außenmeniskus und

knorpelreparativen Eingriffen.

Material und Methode

Die Datenbanken „Embase“, „PubMed“, „MEDLINE“, „ScienceDirect“ und „Cochrane Liberary“ wurden nach Originalarbeiten im Zeitraum vom Mai 2017 bis Juni 2017 durchsucht. Darüberhinaus wurden der Vollständigkeit halber die Bibliografien der identifizierten Studien durchsucht.

Die Fragestellung wurde mittels der PICO-Methode festgelegt [34]. Die Participants (Population) waren Männer und Frauen nach den oben benannten Eingriffen am Kniegelenk. Die Intervention umfasste die CPM-Anwendung sowohl im stationären als auch im häuslichen Umfeld. Die Comparison (Vergleichsintervention) umfasste jegliche physiotherapeutische Behandlung bzw. aktive Bewegungsprogramme sowie die Anwendung aktiver Bewegungsschienen. Als Outcome (Zielgröße) wurden jegliche Variablen mit signifikanten Interventionseffekten herangezogen.

Die Suchbegriffe für die Recherche ergaben sich aus den jeweiligen Indikationen zur CPM-Therapie und der Wortkombinationen „continuous passive motion“, „CPM“ und „rehabilitation“. Die Ausschlusskriterien umfassten nicht englischsprachige Arbeiten sowie Studien, deren Gegenstand nicht die explizite CPM-Anwendung bei den genannten Indikationen darstellte. Zusätzlich wurde gezielt nach deutschsprachigen Studien recherchiert. Dafür wurden zusätzlich in der Suchfunktion bei google.scholar.de die Spracheinstellungen auf Deutsch gesetzt.

Die Studienqualität wurde mittels Cochrane Collaboration’s Risk of Bias Tool von 2 unabhängigen Personen (RJ, FF) beurteilt. Mittels dieser Studienbewertung kann das Risk of Bias (Verzerrung) beurteilt werden. Demnach kann den Studien ein geringes Verzerrungsrisiko zugesprochen werden, wenn alle Kriterien zutreffen. Eine moderate Verzerrung liegt vor, wenn ein oder mehrere Kriterien nur teilweise erfüllt werden. Ein hohes Risiko für Verzerrung lässt sich belegen, wenn ein oder mehrere Kriterien nicht erfüllt werden [14].

Ergebnisse und Diskussion

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5