Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019

Kontinuierliche passive Bewegungstherapie nach operativen Eingriffen am Kniegelenk
Eine Literaturübersicht

Ziel dieser Literaturübersicht war es, den Effekt einer CPM-Anwendung am Kniegelenk in der postoperativen Rehabilitationsphase bei ausgewählten Erkrankungen und Verletzungen zu untersuchen. Während dieser Literaturanalyse ließen sich 10 klinische Studien (darunter 8 RCTs) zur CPM-Anwendung nach einer vorderen Kreuzbandplastik und 7 klinische Studien (darunter keine RCTs) zur CPM-Anwendung nach knorpelreparativen Eingriffen in den durchsuchten Datenbanken finden (Abb. 1). Zudem konnten 6 systematische Reviews zu der Thematik gefunden werden. Darüber hinaus konnten keine klinischen Studien und keine systematischen Reviews erfasst werden, die explizit eine CPM-Anwendung nach einer hohen Tibia-Osteotomie und nach einer Naht des Innen- bzw. Außenmeniskus als Gegenstand einer klinischen Studie hatten (Abb. 1).

Nachfolgend werden entsprechend die einzelnen Ergebnisse der durchgeführten Literaturanalyse zu 2 Indikationen einer postoperativen CPM-Therapie am Kniegelenk dargestellt und diskutiert:

  • 1. vordere-Kreuzbandplastik (VKB-Plastik) und
  • 2. knorpelreparative Eingriffe (Tab. 1 und 2).

Vordere Kreuzbandplastik

Zehn Arbeiten (darunter 8 RCTs) und 2 Reviews zur CPM-Anwendung nach einer operativen Versorgung des rupturierten vorderen Kreuzbands mittels Kreuzbandplastik konnten in die vorliegende Literaturanalyse eingeschlossen werden. Die Studienlage zeigt, dass die CPM-Anwendung nach VKB-Plastik kein erhöhtes Bandlaxitätsrisiko mit sich brachte [21, 27], die Schwellung reduzierte [42], das Bewegungsausmaß verbesserte [4, 42], die Medikation verringerte [22, 40, 42], die Propriozeption nicht verbesserte [9] und den Krankenhausaufenthalt verkürzte [40]. Drei Studien zeigten keine Unterschiede [7, 26, 31].

Die aufgeführten klinischen Studien weisen zum einen eine geringe Fallzahl auf und zum anderen wurde in keiner Studie eine Poweranalyse durchgeführt, um vorab eine aussagekräftige Stichprobengröße zu ermitteln. Eine systematische Analyse bzw. Darstellung von Drop-outs und der Compliance der Patienten im Sinne der Publikationsleitlinien nach aktuellen Consort-Kriterien [24] erfolgte zum damaligen Zeitpunkt nicht. Daher lassen sich aus den vorliegenden Studien nur bedingt Rückschlüsse auf ein anwendungsbedingtes Verletzungsrisiko der Patienten durch die CPM-Anwendung im Akutkrankenhaus oder in der Häuslichkeit ziehen.

Des Weiteren war nur bei Richmond et al. der Statistiker verblindet [27]. Bei den anderen Studien könnte eine Verzerrung sowohl in der Selektion der Patienten als auch in der Berichterstattung vorliegen. Somit könnte diesen Studien möglicherweise ein Fehler zweiter Art zugrunde liegen. Eine Verblindung der Studienteilnehmer und der Therapeuten war aufgrund der Interventionsart nicht möglich und wurde daher nicht weiter berücksichtigt. Bedingt durch die vornehmlich in den 1990er-Jahren durchgeführten Studien entspricht die hierbei durchgeführte statistische Analyse nicht den heutigen Standards. Eine Kovarianzanalyse mit Adjustierung für den Faktor Baseline hätte z.B. eine Alphafehler-Kumulierung bzw. einen Fehler erster Art ausschließen können.

Die Dauer der CPM-Anwendung von bis zu 24 Stunden täglich in den internationalen Studien [40] führt dazu, dass die Ergebnisse nur schwer auf das übliche Anwendungsszenario in Deutschland übertragbar sind, mit weitaus geringerer täglicher Anwendungsdauer. Einzig eine international publizierte Studie von Yates et al. [42] spiegelt ansatzweise den deutschen Therapiestandard der CPM-Anwendung in der Häuslichkeit wider.

Basierend auf dieser Literaturanalyse, ist die therapeutische Wirksamkeit der CPM-Anwendung nach VKB-Plastik für die Parameter Bewegungsausmaß [4, 42], Schwellung [42] und Bandlaxitätsrisiko [21, 27] zu erkennen, wobei die oben genannten methodischen Defizite in den vorliegenden Studien die Beurteilung des Nutzens der CPM-Anwendung nach VKB-Plastik nach aktuellem Wissensstand erschweren. Diese Aussagen gehen einher mit den Ergebnissen internationaler Reviews [36, 41].

Neben den hier dargestellten klinischen Studien sind derzeit nur 2 internationale Überblicksartikel publiziert, die die CPM-Anwendung nach einer VKB-Plastik thematisieren. Smith und Davies schlossen 8 klinische Studien (Evidenzlevel I, II und III) [7, 9, 13, 21, 22, 31, 40] und Wright et al. [7, 13, 21, 22, 27, 31, 40] 6 klinische Studien (Evidenzlevel I und II) in ihre Analysen ein (die im Review von Smith und Davies [36] zitierte Arbeit von Rigon et al. [28] lag nur als Abstract vor und wurde daher für die systematische Literaturanalyse nicht berücksichtigt). Die Übersichtsarbeiten von Smith und Davies und Wright et al. [36] sind narrative Reviews und präsentieren ihre Fragestellungen mittels des PICO-Modells [34]. Darüberhinaus wird nur von Smith und Davies [36] das Verzerrungsrisiko der eingeschlossenen Studien umfangreich beurteilt. Zusammenfassend zeigen beide Reviews methodische Defizite in den vorliegenden Studien auf und konstatieren studienlagenbedingt keine eindeutige Überlegenheit der CPM-Anwendung nach VKB-Plastik gegenüber der Physiotherapie. Eine umfangreiche Metaanalyse ist aufgrund der veralteten Studienlage nur schwer zu realisieren, da die Berichterstattung nicht mehr den heutigen Standards entspricht.

Es sollten daher entsprechende RCTs, die auf Basis einer Poweranalyse angelegt sind, durchgeführt werden, damit eindeutige Aussagen zum Nutzen der postoperativen CPM-Therapie abgeleitet werden können. Zudem mangelt es aktuell an einem einheitlichen Behandlungspfad und an Studien, die an die deutsche Versorgungslandschaft angelehnt sind. Zukünftige Studien sollten neben der passiven Bewegungstherapie auch aktive Bewegungstherapien mit physiotherapeutischen Behandlungen nach deutschem Standard im Akutkrankenhaus und in der Häuslichkeit untersuchen bzw. gegenüberstellen. Ferner wäre es sinnvoll, eine Kontrollgruppe ohne CPM-Anwendung in zukünftigen Studien zu berücksichtigen. Dies ist jedoch aus ethischen Gesichtspunkten in Deutschland nur schwer umsetzbar, da damit den Patienten eine klinisch etablierte und anerkannte postoperative Behandlung verwehrt werden würde.

Knorpelreparative Eingriffe

Sieben klinische Studien (darunter keine RCTs) und 3 Reviews zur CPM-Anwendung nach knorpelreparativen Eingriffen konnten in die vorliegende Literaturanalyse eingeschlossen werden. Die aktuelle Studienlage zeichnet sich durch eine große Heterogenität aus. Die vorliegenden Studien zeigen, dass die CPM-Anwendung nach knorpelreparativen Eingriffen eine gute Defektfüllung [1, 2, 10, 18, 33], gute Ergebnisse in den Fragebögen zur Kniestabilität [2, 38], zur Aktivität [2, 23, 38], zur Lebensqualität [23, 38] und zur Funktionalität [23] mit sich brachte und den Schmerz [1, 38] und die Schwellung reduzierte [38]. Die Studien sind jedoch gekennzeichnet durch fehlende Angaben zur Randomisierung, Patientenallokation und Verblindung [1, 2, 10, 18, 23, 24, 33], aber auch zur durchgeführten statistischen Analyse [1, 2, 10, 18, 33]. Bedingt durch diese unvollständige Darstellung der Studien lassen sich zusätzliche Verzerrungen nicht ausschließen. Des Weiteren resultierten die Knorpelschäden der eingeschlossen Patienten aus Unfällen und traten in Kombination mit einem Kreuzband- bzw. Meniskusriss [2] oder einer Fraktur der Patella [18] als auch aus primären Knorpelschäden der lateralen sowie medialen Femurkondylen bzw. der Patella auf [23], was die Vergleichbarkeit des Patientenkollektivs und Rückschlüsse auf den therapeutischen Nutzen erschwert. Darüberhinaus unterscheiden sich die Patienten innerhalb einzelner Studien auch in der Größe der Defektareale und der jeweiligen Lokalisation der Knorpeldefekte. Nur 2 Studien [10, 33] richteten sich nach den Vorgaben zur Vereinheitlichung von Knorpelschäden der International Cartilage Repair Society (ICRS) [6]. Die Interpretation der Ergebnisse wird in 3 Studien [1, 2, 18] dadurch eingeschränkt, dass die jeweiligen Messungen nicht mit allen Patienten durchgeführt wurden. Demnach wurde auf eine Intention-to-treat-Analyse [27] mit imputierten Datensätzen verzichtet.

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