Originalarbeiten - OUP 07-08/2012

Kurzschaft ist nicht gleich Kurzschaft –
Eine Klassifikation der Kurzschaftprothesen
Short stems are different –
A classification of short stem designs

J. Jerosch1

Zusammenfassung: Die zurzeit auf dem Markt
befindlichen Hüftkurzschäfte unterscheiden sich
erheblich und lassen sich differenzieren in Schenkelhals-
erhaltende, teilerhaltende und resezierende Systeme. Hierdurch ergeben sich erhebliche Unterschiede in der Indikationsbreite, dem Anwendungsbereich und der OP-Technik. Schenkelhals-resezierende Systeme erlauben eine Rekonstruktion der patientenspezifischen Biomechanik über die Modularität oder eine große Zahl von Prothesenkonfigurationen. Schenkelhals-erhaltende Systeme sind sehr eingeschränkt in der Indikationsbreite. Schenkelhals-teilerhaltende Systeme benötigen eine angepasste OP-Technik, sind dann jedoch in der Lage, eine erhebliches Spektrum abzudecken.

Schlüsselwörter: Hüfte, Kurzschaftprothesen, Klassifikation

Abstract: The presently available short stem designs show significant differences and can be differentiated in neck
containing, partial containing and neck resection designs. This has an influence on the indication, the use as well as on the surgical technique. Neck resecting systems allow the reconstruction of patient specific anatomy with modular designs or a huge number of different implant configurations. Neck retaining systems only have a limited indication. Neck partial retaining systems need an adopted surgical technique, however, they can cover a huge spectrum of
patients.

Keywords: hip, shorts stem designs, classification

Einleitung

Die Indikationsstellung zum endoprothetischen Ersatz des Hüftgelenkes wird zunehmend erweitert. Da die Baby-Boomer Generation zunehmend in das Endoprothesenalter kommt, wird die Zahl der Endoprothesen noch steigen (Abb.1).

Man geht von einem Anteil von etwa 20% Patienten aus, die jünger als 60 Jahre alt sind. Für diese Patienten, bei denen unter Umständen mehrer Revisionsoperationen erwartet werden, sind sogenannte Kurzschaftprothesen primär entwickelt worden. Die Nachfrage bei diesem Prothesentyp steigt erheblich; gleichzeitig sinkt das Interesse am Oberflächenersatz erheblich, insbesondere auch wegen der Diskussion der Metall-Metall Gleitpaarung.

Es werden eine Vielzahl von Systemen unter dem Begriff Kurzschaftprothesen subsummiert; die Unterschiede sind jedoch zum Teil erheblich hinsichtlich der Verankerungsprinzipien, der anatomischen Orientierung sowie des Ausmaßes des Knochenresektion. Es gibt unterschiedliche Versuche, die Kurzschaftsysteme zu kategorisieren. So wird versucht, kurze anatomische Systeme von kurzen gebogenen oder kurzen Gradschaftsystemen zu unterscheiden. Im Folgenden wird eine Klassifikation vorgestellt, die sich an der Resektionsebene orientiert.

Schenkelhals-erhaltende
Systeme

Bei Schenkelhals-erhaltenden Systemen erfolgt eine unmittelbar subkapitale Resektion. Das Implantat wird mit unterschiedlichen Verankerungstechniken im Schenkelhals platziert. Dieses hat den Vorteil, dass noch mehr Knochen am proximalen Femur erhalten bleibt. Hierdurch erkauft man sich jedoch einige Einschränkungen. Die Versorgung von Patienten mit einem CCD-Winkel unter 125° ist kaum möglich. Da jedoch der mittlere CCD-Winkel bei Patienten, die eine Hüftendoprothese benötigen, nur etwa 125° beträgt, fallen viele Patienten schon durch diese Limitierung heraus [1]. (Abb. 2).

Daneben spielt die Knochenqualität bei Schenkelhals-erhaltenden Systemen auch eine entscheidende Rolle. Patienten mit schlechter Knochenqualität scheiden hier ebenfalls aus.

Auch können Antetorsion oder femorales Offset kaum beeinflusst werden. Dies ist bei Dysplasiehüften mit größter Schaftantetorsion ein Problem, da bei diesen Hüften die Antetorsion nicht reduziert werden kann. Bei Patienten mit einer Lateralisation des Pfannenrotationszentrums kann der Verlust des Offsets bei Medialisation des Rotationszentrums der Pfanne nicht kompensiert werden.

Im Folgenden einige typische Beispiele für Schenkelhals-erhaltende Systeme:

Die CUT-Schenkelhalsprothese wird rein im Schenkelhals verankert (Abb. 3). Die Spongiosa sowie der Trochanter major bleiben zur Krafteinleitung und Kraftübertragung erhalten. Der Prothesenkörper stützt sich medial an die Kortikalis und der distal gebogene Prothesenteil lateral an der Kortikalis ab [2].

Auch bei der Spiron Schenkelhals-Schraubenprothese bleibt der Schenkelhals vollständig erhalten (Abb. 4). Durch die Schraubenstruktur und das selbstschneidende Gewinde ist ein kraftkontrolliertes Implantieren der Prothese möglich und es wird ein fast vollständiger Prothesen-Knochen-Kontakt erreicht. Die Primärstabilität der Prothese wird durch den konischen Grundkörper erwartet.

Das Silent Implantat (DePuy) wurde in einer kleinen Serie ab 2003 implantiert (Abb.5). Von Seiten des Herstellers wird Wert darauf gelegt, dass es sich um eine Prothese für ein ausgewähltes Patientenklientel handelt (Indikationen, Knochenqualität, biologisch junge Patienten), die OP-Technik anspruchsvoll ist (Positionierung) und dass es ein dezidiertes Ausbildungsprogramm für Anwender gibt.

Schenkelhals-teilerhaltende Systeme

Die Schenkelhals-teilerhaltenden Systeme zeichnen sich durch eine variable Resektionshöhe aus. Je nach CCD-Winkel erfolgt dann eine hohe subkapitale, mittlere oder tiefe Resektion (Abb. 6). Dieses hat den großen Vorteil, dass man über das Ausmaß des Knochenerhaltes Offset und Beinlage rekonstruieren und die Modularität des Implantates selber gering halten kann.

Bei einer normalen Hüfte erfolgt eine Resektion in etwa in der Mitte des Schenkelhalses parallel zur Kopf-Hals- Ebene (Abb. 7, 11).

Bei der valgischen Hüfte erfolgt tiefe Resektion in Relation zur Fossa piriformis, was zu einen valgischen CCD Winkel und einem geringen Offset führt (Abb. 7, 12). Bei der varischen Hüfte ist eine hohe subkapitale Resektion notwendig, um das bei diesen Hüfte in der Regel hohe Offset rekonstruieren zu können (Abb. 7, 13).

Anders als bei der konventionellen Technik, bei der der Trochanter minor die Referenz darstellt, ist bei Schenkelhals-teilerhaltenden Prothesen, die Fossa piriformis der Referenzpunkt. Dies aus 2 Gründen:

1. Bei den meisten minimal invasiven Operationszugangstechniken ist der Trochanter minor gar nicht mehr visuell oder palpatorisch erreichbar.

2. Bei Einhaltung der Operationstechnik mit der 90/90 Resektion und der hohen subkapitalen Resektion bei varischen Hüften, der Mid-Neck-Resektion bei Standardhüften und der tiefen Resektion in der Fossa piriformis bei valgischen Hüften, ist die Distanz zum Trochanter minor nahezu immer konstant (Abb. 7).

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