Originalarbeiten - OUP 07-08/2012

Kurzschaft ist nicht gleich Kurzschaft –
Eine Klassifikation der Kurzschaftprothesen
Short stems are different –
A classification of short stem designs

Ein weiteres Charakteristikum der empfohlenen Operationstechnik ist, dass bei varischen Hüften die Prothese in der Regel deutlich kleiner ist als bei valgischen Hüften. Dieses liegt daran, dass bei varischen Hüften die Resektion deutlich oberhalb des Isthmus des Schenkelhalses erfolgt und der Isthmus der limitierende Durchmesser für die Prothesengröße ist (Abb. 8).

Ziel ist es also, einen sogenannten Isthmus-Wedge in „Fit and Fill“-Technik im Schenkelhals zu erreichen. Dieses erlaubt dann auch die gute Rekonstruktion von Offset und Beinlänge. Bei einer zu tiefen Resektion oder bei einer gewollt tiefen Resektion bei einer valgischen Hüfte, wird ein metaphysialer/diaphysialer „Fit and Fill“ erreicht, was bei valgischen Hüften durchaus gewünscht wird, bei Standardhüften jedoch zu einer Reduktion des Offsets und des CCD-Winkels führt (Abb. 9, 10).

Um nach der 90/90 Osteotomie dieses Verankerungsprinzip zu erreichen, erfolgt die Eröffnung des Schenkelhalsmarkraumes im posterolateralen Quadranten (Abb. 14).

Wird die Eröffnung zentral oder sogar medial durchgeführt, stößt die Prothese lateral an der Kortikalis an und es wird kein ausreichender „Fit and Fill“ erreicht. Die Eröffnung des Markraums mit einem ausreichend langen Löffel, der mit der stumpfen Seite zur lateralen Kortikalis geneigt ist (Abb. 15), verhindert das Anlegen einer Via falsa. Anschließend wird der Markraum mit einer Ahle über diesen bereits eröffneten Bereich vorbereitet (Abb. 16).

Es erfolgt dann das graduelle Erweitern des Prothesenbettes im Schenkelhals mit den Impaktoren. Hierbei ist darauf zu achten, dass ein Aufraspeln des Schaftes für ein zementfreies Standardsystem ein völlig anderes Vorgehen ist als das Impaktieren des spongiösen Schenkelhalsanteils. Wenn man mit einer Raspel den Femurmarkkanal eröffnet, erreicht man in der Regel die auch vorher vorgesehene Prothesengröße. Dieses spürt man u.a. am Klang der Raspel. Ein weiteres Aufraspeln ist dann in der Regel nicht mehr möglich.

Dies ist anders bei der Impaktion der Spongiosa des Schenkelhalses. Hier hat man durchaus auch schon einmal das Gefühl, dass auch ein Impaktor, der eine Größe kleiner ist als ausgemessen, schon stabil verankert ist. In dieser Phase der Operation muss man sich ein wenig Zeit lassen, um den spongiösen Knochen die Möglichkeit zu geben, nachzugeben. Falls es nicht möglich ist, die vorher gewählte Prothesengröße als Impaktor einzubringen, dann sollte man intraoperativ röntgen. In der Regel ist man dann deutlich zu varisch eingegangen. Ist der definitive Impaktor bis zur entsprechenden Tiefe eingebracht, erfolgt eine Probereposition. Hier werden dann nochmal Beinlänge und Offset sowie Stabilität überprüft.

Fixationsprinzip bei
Schenkelhals-teilerhaltenden Kurzschäften

Häufig wird bei den Kurzschaftprothesen lediglich auf eine 2-dimensionale Fixation im ap-Röntgenbild abgehoben. Hier wird festgehalten, dass die Prothese am medialen Kalkar und an der lateralen Femurkortikalis abstützt. Dieses ist nicht das Konstruktionsprinzip bei den Schenkelhals-teilerhaltenden Prothesen. Hierbei ist es das Prinzip, dass primär eine Fixation, wie bei Standard-Langschaftprothesen (posterior-anterior-posterior) die Stabilität sichert (Abb. 17,18). Dies führte dazu, dass auch bei völlig falscher, deutlich zu tiefer Resektion, aber einem ausreichenden „Fit and Fill“, die Stabilität gegeben ist (Abb. 19).

Im Folgenden einige Beispiele für schenkelhals-teilerhaltende Prothesen

Bei dem C.F.P.- (Collum Femoris Preserving) Schaft handelt es sich um den ursprünglich von Francesco Pipino in Italien 1978 entwickelten Schaft. Dieser ist seit 1999 in Deutschland im Einsatz und wird von der Firma Link vertrieben (Abb. 20). Der Schaft ist ein metadiaphysär verankerter zementfreier Hüftschaft, wahlweise mit und ohne Kragen. Die Prothese ist aus Titan gefertigt. Aufgrund der reduzierten Knochenresektion werden der Schenkelhals und die proximale Spongiosa erhalten. Der C.F.P.-Schaft ist anatomisch geformt.

Die Nanos-Hüftprothese (S&N) ist seit 2004 im Einsatz (Abb. 21). Es handelt sich ebenfalls um einen knochenerhaltenden, metaphysär verankerten, zementfreien Hüftschaft ohne Kragen aus einer Titanschmiedelegierung. Der Prothesenschaft ist leicht gebogen und im Querschnitt trapezförmig. Die Form unterstützt die Primärstabilität und die proximale Krafteinleitung. Der Prothesenschaft soll rein metaphysär im Schenkelhals verankert werden.

Der Minihip-Schaft (Corin) ist seit 2007 im Einsatz (Abb. 22). Bei der Prothesenentwicklung wurde aufgrund von CT-Daten von Patienten, die eine Hüftendoprothese erhalten haben, ein Kurzschaftdesign mit Erhalt des Schenkelhalses konzipiert [1] . Das vor allem im medialen Bereich abgerundete Design soll die femursprengende Wirkung anderer Doppelkonusprothesen (langer Setzpunkt) reduzieren. Ziel des Designs war eine metaphysäre Schenkelhals-füllende Verankerung mit möglichst optimaler Krafteinleitung und -übertragung bei gleichzeitiger Rekonstruktion der individuellen Anatomie des Patienten, ohne dass ein modulares Systeme notwendig wird.

Die COLLO-MIS ist eine Neuentwicklung der Firma LIMA (Abb. 23). Der CCD-Winkel liegt bei 135°. Dieses führt zu einer begrenzten Reproduzierbarkeit der anatomischen Verhältnisse. Es gibt 9 Größen und die Halslänge nimmt proportional zur Schaftlänge zu. Der Schaft ist als Konus (8°) geformt.

Schenkelhals-resezierendes System

Die Proxima-Prothese (Depuy) ist eine Weiterentwicklung der Stanmore-Prothese, bei welcher intraoperativ der proximale Femur ausgemessen wird und dann eine individuelle proximal Mark-raum-füllende Prothese erstellt wurde (Abb. 24). Bei der Proxima-Prothese wird dieses Konzept weiter verfolgt. Aufgrund des Designs ist jedoch ein großer Verlust der proximalen Spongiosa gegeben; auch wird der Trochanter major ausgehöhlt. Beides ist für spätere Revisionen eher nachteilig.

Die Zuganker-Prothese wurde von Nguyen entwickelt (Abb. 25). Sie hat ähnliche Nachteile wie die Proxima-Prothese. Der Mayo-Schaft (Fa. Zimmer) ist der „Klassiker“ unter den metadiaphysär verankerten Systemen und seit 1985 im Einsatz. Langzeitergebnisse liegen bereits vor (Abb. 26). Die Mayo-Prothese ist ein knochen-erhaltender, proximal verankerter, zementfreier Hüftschaft ohne Kragen. Die Prothese ist aus Titan gefertigt. Der Schaft hat eine doppelte Keilform (konisches Design in 2 Ebenen) sowohl in anterior/posteriorer Richtung als auch in medial/lateraler Richtung. Die leicht abgewinkelte Schaftspitze dient der Ausrichtung der Prothese und nicht der Fixierung. Die Multi-Punkt-Verankerung stellt das zentrale Merkmal des Designs dar. Dieses basiert auf der Vorstellung, dass bei ungleichen Femurgeometrien dennoch eine primäre Stabilisation zu erzielen ist. Ein Nachsinken der Prothese wird so theoretisch verhindert; der klinische Alltag zeigt jedoch auch gegenteilige Erfahrungen.

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