Informationen aus der Gesellschaft - OUP 06/2013

Leidenschaft für das gemeinsame Fach
61. Jahrestagung thematisierte auch Zukunft von Orthopädie und Unfallchirurgie

Therapieziele beim Kind sind das Aufhalten der Progredienz, Verbesserung der Organfunktion und Rumpfstabilität und ein Vermeiden des Kollapsing Spine. Extern steuerbare Implantate seien Erfolg versprechend, unterstrich Hell.

Revival
des Zements

Mit dem „State oft the Art“ der Hüftendoprothetik befassten sich die Teilnehmer im gleichnamigen Syposium. Einen Überblick über Unterschiede der wesentlichen Kurzschaftsysteme im Markt gab Jerosch. Seit 30 Jahren gibt es solche Systeme. Unterschieden wird dabei in Schenkelhals-erhaltende, teilerhaltende und resezierende Systeme. Erhaltende Systeme zeichnen sich durch eine metaphysäre Fixation aus und erlauben keine Kompensation anatomischer Variationen, während resezierende Systeme eine geringe Anpassungsmöglichkeit an anatomische Variationen erlauben. Jeroschs Fazit: Die Systeme unterscheiden sich erheblich – nicht nur bezüglich der Resektionshöhe, sondern auch mit Blick auf die Verankerungsprinzipien.

Prof. Dr. Michael Morlock (TUHH Hamburg) betrachtete die Frage der Gleitpaarungen aus Sicht des Ingenieurs. Sein prägnantes Fazit: Inzwischen funktioniert jede Paarung; entscheidend für die Standzeit bzw. die Größe des Abriebs ist eher die Ausrichtung der Prothese: Ist sie falsch, kommt es zu erheblichem Abrieb. Einzig die Paarung Metall/Metall sei „tot“.

„Warum eigentlich nicht mal wieder zementieren?“, fragte PD Dr. Matthias Gebauer (Hamburg) in seinem Vortrag. Ziel der Versorgung sei immer die „forgotten hip“ mit einer lebenslangen Standzeit. Bei der Betrachtung der internationalen Register müsse man Länderspezifika berücksichtigen. So werde in Australien weniger, in Schweden mehr zementiert – mit entsprechenden Folgen für die Expertise der Operateure. Uneingeschränkt bestätigt sei aber, dass bei älteren Patienten (älter als 70 Jahre) mehr Revisionen bei unzementierten Hüften auftreten. Gebauer betonte, die zementierte Endoprothetik habe nach wie vor einen eindeutigen Stellenwert, es müssten aber die Verankerungstechnik und die Implantatwahl passend zur individuellen Anatomie und Knochenqualität erfolgen.

OP-Trainingskurse
für Assistenten

Am Kongressdonnerstag startete man bereits früh mit den OP-Trainingskursen für die Assistenten. Unter Führung von erfahrenen Operateuren übte der Nachwuchs Eingriffe praktisch am Modell-Gelenk oder am Sägeknochen, durchgeführt in Kleingruppen. Im Angebot waren Kurse zur Hüftendoprothetik, Schulterendoprothetik, Schulterarthroskopie und Kniearthroskopie. Das OP-Training stieß auf große Resonanz.

Ein besonderes Anliegen des Kongresspräsidenten waren die Special Lectures. Beim ersten Vortrag diskutierten Vertreter aus Politik und Gesundheitswesen die gesundheitspolitische Position der großen Parteien und der Krankenversicherung Baden-Württemberg.

Ulrike Flach, Mitglied des Deutschen Bundestages, FDP, erklärte, dass noch über Jahre Reformprozesse notwendig seien, um das Gesundheitssystem auf einen zufriedenstellenden Status zu heben. Nachdem die aktuelle Regierung vor 4 Jahren ein Defizit in Milliardenhöhe übernommen habe, sei die aktuelle Situation ein Erfolg – mit dem Höhepunkt der Abschaffung der Praxisgebühr in diesem Jahr. Lothar Riebsamen, für die CDU im Deutschen Bundestag, stimmte nicht ganz zu: „Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine vernünftigere Lösung diskutiert hätten, bevor die Eigenbeteiligung ersatzlos gestrichen wurde.“ Riebsamen hält, ebenso wie Flach, die Änderungen im Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) sowie im Versorgungsstrukturgesetz für „zielführend“.

Alle Referenten lehnten die Bürgerversicherung zugunsten der zweigliedrigen Versorgung ab. „Mit diesem System ist eine exzellente Versorgung gewährleistet, daher muss es bleiben“, forderte Flach. Riebsamen fügte hinzu, dass bei einer Einheitsversicherung aus dem Zwei- ein Fünf-Klassen-System würde, betrachte man alle nötig werdenden Zusatzversicherungen. Neben geplanten Maßnahmen für die kommende Legislaturperiode, wie die Steuerung der Krankenhausbedarfsplanung auf Bundesebene, würden den Krankenhäusern kurzfristig 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Aus diesem Budget sollen unter anderem über die Vereinbarung hinaus geleistete Operationen bezahlt und Maßnahmen im Zuge des Infektionsschutzgesetzes finanziert werden.

Deutliche Worte
aus der Politik

Der Vorsitzende der KV Baden-Württemberg, Dr. Norbert Metke, fand deutliche Worte für den politischen Wandel in den vergangenen Jahren. „Seit langer Zeit werden die Ärzte nicht mehr von den Regierenden verunglimpft“, sagte Metke. Die Handlungen der rot-grünen Regierung nannte er „schikanöse Regresspolitik“. Mit dem AMNOG seien die Ärzte deutlich entlastet worden, da die Medikamentenpreise bei gleichen Richtgrößen gesunken seien. Außerdem sei das Risiko eines Arzneimittelregresses um circa 90 % gesunken. Für „Translational Research 1 und 2“ konnten führende Grundlagenforscher auf dem Gebiet der Neuroanatomie und Neurophysiologie gewonnen werden. Sie diskutierten Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung ihrer Ergebnisse am Patienten mit erfahrenen Schmerztherapeuten in der orthopädischen Praxis. Am letzten Kongresstag beendete das Thema „Konservative Orthopädie in Europa“ die Reihe.

Auch wenn der Auserwählte nicht anwesend war, so konnte er doch die Mitglieder für sich gewinnen: Prof. Dr. Thomas Horstmann, Chefarzt Orthopädie, Traumatologie, Sportmedizin der Klinik Medical Park Bad Wiessee St. Hubertus, ist während der in Baden-Baden stattgefundenen VSOU-Mitgliederversammlung zum Kongresspräsidenten für das Jahr 2015 gewählt worden. Horstmann ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und hat die Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Physikalische Medizin und Manuelle Therapie. Während seiner Zeit in Tübingen hat er das dortige Hüftschul-Institut und das Gelenkschul-Institut zur Ausbildung von Physiotherapeuten, Sportlehrern und Übungsleitern gegründet.

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