Übersichtsarbeiten - OUP 05/2022

Leitlinien für die Diagnostik und Behandlung von Arthrosen

In den meisten Leitlinien wird die Anwendung geeigneter Hilfsmittel (Gehhilfen, Bandagen, Orthesen zur Entlastung bei Knie-Arthrose) empfohlen. Bemerkenswert ist es, dass keine der Leitlinien eine explizite Empfehlung oder Ablehnung für das Tragen von Bandagen abgibt. Eine strenge Empfehlung für Einlagen mit seitlicher Fußranderhöhung zur Entlastung des medialen Gelenkraumes bei unikompartimenteller medialer Gonarthrose gibt jedoch allein die AAOS-Leitlinie.

Sonstige mögliche Therapieoptionen (Akupunktur, Röntgen-Bestrahlung, RSO) (Tab. 7)

Akupunktur zählt zu den Methoden der „Alternativmedizin“ und entstammt der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Über das Setzen von Nadeln an bestimmten definierten Leitungsbahnen (Meridianen) sollen diese Punktionen den Energiefluss beeinflussen und damit zu einer Symptomlinderung führen. Alternativ zu Sder Punktion ist es hier auch möglich, punktuell manuellen Druck auszuüben (Akupressur). Auch wenn der Effekt der Akupunktur sicherlich zu einem nicht geringen Teil auf den Placeboeffekt zurückzuführen ist, ist es durchaus möglich, in einzelnen Fällen hier einen Therapieversuch zu unternehmen [9]. Eine generelle Empfehlung im Sinne einer Standardtherapie gibt es jedoch nicht.

Eine Entzündungsbestrahlung (Orthovolttherapie) kann über die Modulation der Entzündungsreaktion im Gelenk zu einer erheblichen Schmerzreduktion beitragen und gilt allgemein als sinnvolle Ergänzung zur Behandlung der schmerzenden Gelenke. Obwohl eine Behandlung mit niedrig dosierter Röntgen- oder Gammastrahlung (s.g. Reizbestrahlung, bzw. die Bestrahlung) zur Behandlung von symptomatischen Arthrosen vielfach mit gutem Erfolg angewandt wird, hat sich bisher keine der hier diskutierten Leitlinien zu dieser Therapieform positioniert [10].

Neben der Behandlung mit Kortikoiden, Hyaluronsäure und PRP ist die Radiosynoviorthese (RSO) ein weiteres intraartikuläres Verfahren. Der im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Terminus RSO (Radio-Synovio-Orthese; Orthese = Wiederherstellung) ist etwas verwirrend, zumal der Begriff Orthese für die entsprechenden Hilfsmittel reserviert ist. Dem Prinzip nach näher kommt daher die Bezeichnung des Verfahrens in der angloamerikanischen Literatur als „radiation synovectomy“. Das Prinzip besteht darin, Beta-Strahler (vorwiegend Yttrium 90 aber auch Rhenium 186 bzw. Erbium 169) in den Gelenkraum zu applizieren. Durch die dabei entstehende Bestrahlung von innen heraus kommt es zu einem Effekt, der einer Synovektomie ähnelt. Hauptsächliche Anwendungsgebiete dieser Behandlung sind aktivierte Arthritiden und könnten nach Auffassung der Nuklearmedizin auch bei aktivierter Arthrose (erhebliche Ergussbildung und Entzündungssymptomatik) angewandt werden [11].

Arthroskopie und sonstige, nicht endoprothetische
Operationen (Tab. 8)

In Bezug auf die Leitlinien muss eingeschränkt werden, dass sich die OARSI und ASR zu diesen Behandlungsoptionen überhaupt nicht äußerten, dass sie ausschließlich nicht-operative Maßnahmen beurteilten.

Bereits in der Vor-Arthroskopie-Ära wurde vereinzelt über Versuche berichtet, Arthrotomien an arthrotischen Kniegelenken durchzuführen, mit dem Ziel alle offensichtlichen Pathologien wie Osteophyten, eingerissene Menisken, freie Gelenkkörper, veränderte Synovia zu entfernen und gleichzeitig die Gelenkflächen zu glätten. Magnuson bezeichnete dieses Vorgehen als „housecleaning“. Mit der Etablierung der Arthroskopie als operative Methode, insbesondere durch die Vereinfachung infolge der Videoarthroskopie, nahm zwischen den 80er-/90er Jahren des letzten Jahrhunderts die Zahl an arthroskopischen Gelenk-Debridements enorm zu. Eine arthroskopische „Gelenk-Toilette“ war zeitweise Standardmethode bei der Behandlung von Gonarthrosen. Für andere Gelenke, insbesondere für die Hüfte war dieser Trend hingegen nicht zu beobachten. Bezüglich des Hüftgelenkes lag dies sicherlich daran, dass diese Methode wesentlich aufwendiger ist und nur in ausgewählten Zentren in größeren Zahlen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse waren meistens nur kurzfristig oder gar nicht zu beobachten. Ausgelöst durch die Studie von Mosely, aber auch der anderer Arbeitsgruppen wurde dieses Vorgehen ab 2010 zunehmend kritisch beurteilt [12, 13]. In Deutschland führte dies dazu, dass der GBA am 27.11.2015 empfahl, die Arthroskopie des Kniegelenks bei Gonarthrose zukünftig aus dem Leistungsverzeichnis der gesetzlichen
Krankenkassen zu streichen (https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/591/).

Allerdings kann die Methode Arthroskopie weiter bei speziellen Indikationen auch bei der Behandlung von Gonarthrosen angewandt werden. Dies betrifft vor allem symptomatische, konservativ nicht zu behandelnde Meniskusrisse, das Entfernen freier Gelenkkörper oder mechanisch störender Osteophyten bzw. auch eine arthroskopische Synovektomie bei erheblicher Reizbildung im Gelenk. Letztere Maßnahme erbringt bessere Ergebnisse als wiederholte Cortisoninjektionen bzw. eine RSO. Außerdem spielt die Arthroskopie bei der Behandlung fokaler Knorpelschäden im Rahmen einer „Früharthrose = early OA“ eine große Rolle [14–17].

Als Alternative zum unikompartimentellen Gelenkersatz besteht, entsprechend den Empfehlungen der Gonarthrose-Leitlinie der DGOOC als auch der AAOS, bei jüngeren Patienten die Möglichkeit einer Korrektur der Beinachse durch Osteotomie. Genaue Kriterien für die Indikation zu dieser Maßnahme im Vergleich zur Schlitten-Endoprothese werden jedoch nicht vorgegeben.

Nur eine Leitlinie (AAOS) führt als weitere, gelenkerhaltende Operation eine Denervierung des Kniegelenkes als mögliche Behandlungsoption an. Eine generelle Empfehlung für dieses Verfahren kann daher nicht gegeben werden.

Für die gelenkerhaltende operative Behandlung der Koxarthrose gibt die deutsche Leitlinie der DGOOC folgende Empfehlungen. Hierzu wird jedoch eingeschränkt, dass dies nur bei Früharthrosen, nicht jedoch im Fall einer fortgeschrittenen Arthrose erfolgen sollte:

ein symptomatisches femoroacetabuläres Impingement (FAI); sollte in Übereinstimmung mit dem Expertenrat des AGA Hüft- Komitee behandelt werden: starker Konsens.

eine symptomatische Labrumläsion sollte operativ therapiert werden: mehrheitliche Zustimmung

bei geeigneter Indikation sollten symptomatische Knorpelschäden bei leichten Formen der Früharthrose therapiert werden: Konsens

bei osteochondralen Defekten des Hüftkopfes kann eine Defektauffüllung durch Spongiosa indiziert sein: Konsens

Fazit für die Praxis

Die vorgestellten Leitlinien für die Arthrose-Behandlung widerspiegeln derzeitigen Kenntnisstand in Bezug auf die Diagnostik und Therapie der Erkrankungen. Im Hinblick auf die hohe Heterogenität aus den Ergebnissen der internationalen Studien zeigen sich zwischen den einzelnen Leitlinien Unterschiede in Bezug auf die Wertigkeit. Damit sind die Leitlinien für den jeweiligen Therapeuten eine sinnvolle Orientierungshilfe, allerdings keineswegs ein Dogma.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5