Übersichtsarbeiten - OUP 01/2023

Lumbaler Bandscheibenvorfall

Die Operation eines lumbalen BSV ist die häufigste Operation an der Wirbelsäule. Die geschätzte Inzidenz wird in Deutschland mit 150/100.000 pro Jahr angegeben [3, 23]. Nicht die Bildgebung, sondern die klinische Symptomatik entscheidet darüber, ob eine Indikation für eine Operation besteht. Das MRT zeigt aber, was operiert werden kann [1–3, 14]. Absolute Indikation für eine Operation besteht nur bei wenigen Patienten. Die Leitlinien [1, 2] nennen vor allem das Kaudasyndrom mit Paraparese, Blasen- und Mastdarmstörungen, die auf eine Kaudakompression zurückzuführen sind, progrediente und akut aufgetretene funktionell relevante Paresen vom Kraftgrad ? 3/5 (Tab. 4) und unerträgliche Schmerzen, da die Mobilitätseinschränkung eine konservative Therapie nicht zulässt [1–2, 14]. Bei einem nachgewiesenen BSV soll bei radikulärer Symptomatik, adäquatem Befund und konsequent durchgeführter konservativer Therapie sowie ausbleibender Besserung bzw. Verschlechterung der klinischen Symptomatik unter konservativen Maßnahmen innerhalb eines Zeitrahmens von 6–12 Wochen ein chirurgisches Vorgehen überprüft werden, um einer Chronifizierung der Beschwerden vorzubeugen [1–3]. In einer randomisierten kontrollierten Studie von Peul et al. mit 283 Patienten wurden diese entweder früh operiert oder konservativ therapiert. Im Verlauf von 2 Jahren glichen sich die Ergebnisse der beiden Gruppen in Bezug auf die Schmerzen immer weiter an, bis kein signifikanter Unterschied zwischen operativ und konservativ behandelten Patienten bestand. 20 % der Patienten in beiden Gruppen berichteten über ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis nach 2 Jahren [3, 19]. Die Erholung der neurologischen Ausfälle (Lähmung, Gefühlsstörung) zeigt keine eindeutige zeitliche Korrelation zwischen Auftreten der Symptome, operativer Beseitigung der mechanischen Kompression des Nervengewebes und der Erholung der Funktion [3, 23], wobei im klinischen Alltag festzustellen ist, dass sich Schmerzen nach der Nukleotomie sofort, Paresen sich schnell und besser zurückbilden, je früher der BSV operiert wird. Sensibilitätsstörungen verbleiben jedoch sehr häufig. Die meisten BSV sind innerhalb des Spinalkanals (intraspinal) lokalisiert und komprimieren den traversierenden Spinalnerven, 10–15 % treten intra-/extraforaminal (extraspinal) auf und komprimieren den austretenden Spinalnerven [1–2]. Unterschiedliche Lokalisation des BSV und mögliche Sequestrierung bestimmen die segmentabhängige Symptomatik und können Einfluss auf die Wahl der Operationstechnik haben. Zur Verfügung stehen herkömmliche „offene“ mikrochirurgische Operationstechniken mit Mikroskop und endoskopische Techniken. Die mikrochirurgische Operationstechnik bietet für BSV, bei denen der endoskopische Zugang aus technischen oder anatomischen Gründen limitiert ist,
einen schonenden Zugangsweg [3, 7, 10–11, 15–16, 20, 27]. Insgesamt ergeben Operationen bei lumbalen BSV gute Ergebnisse, wobei die Fokussierung auf den Beinschmerz wesentlich zu sein scheint [1–3]. Die Rezidivrate wird in der Literatur mit 18–27 % angegeben [1–3].

Es besteht Übereinstimmung darüber, dass ein lumbaler (Massen-)Vorfall mit dem Auftreten einer Kaudasymptomatik eine akute, notfallmäßige operative Therapie nach sich ziehen sollte. Insbesondere für eine bessere Erholung der vegetativen Funktionen (Blase, Darm und Potenz) ist ein möglichst kurzes Zeitfenster vom Auftreten der Symptome bis zur Operation von < 48 Stunden wichtig [1–3, 23]!

Die Wahl des operativen Verfahrens hängt im Wesentlichen von der Lokalisation des BSV ab und von der Erfahrung und Präferenz des jew. Wirbelsäulenchirurgen mit den unterschiedlichen Operationstechniken.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadressen

Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie

Klinikum Fichtelgebirge

Schillerhain 1–8

95615 Marktredwitz

Dr. med. Inge Unterpaintner

Prof. Dr. med. Alexander Schuh

Sektion für Muskuloskelettale

Forschung

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