Übersichtsarbeiten - OUP 04/2021

Management der Gonarthrose
Die Rolle von Kortison und Hyaluron

Muss es immer erst eine systemische Behandlung sein, oder besser gleich intraartikulär lokal?

Ist eine intraartikuläre Injektion mit Kortison beliebig oft wiederholbar und soll diese zusammen mit einem Lokalanästhetikum erfolgen?

Wann ist die intraartikuläre Injektion von Hyaluronsäure (noch) sinnvoll?

Sind Hyaluronsäuren vergleichbar bzw. austauschbar?

Wie viele Injektionen sind erforderlich?

Wie verfahren wir bei Risikopatienten?

Im Folgenden wird versucht, diese Fragen praxisnah zu beantworten und Empfehlungen für die tägliche Behandlung von Gonarthrosepatienten jenseits von Ein- und Ausschlusskriterien klinischer Studien mit einem Fokus auf Kortikosteroide und Hyaluronsäuren zu geben.

Intraartikuläre Kortikosteroide

Ziel einer intraartikulären Injektion von Kortikosteroiden ist, eine vorhandene Synovitis +/- Gelenkerguss zu adressieren. In der täglichen Praxis hat sich eine Injektion von z.B. 40 mg Triamcinolon zum Teil in Kombination mit einem Lokalanästhetikum etabliert. Dabei ist die Kombination mit einem Lokalanästhetikum aufgrund der potentiellen Chondrotoxizität durchaus kritisch zu sehen. Die zur Verfügung stehenden Substanzen unterscheiden sich in nicht-kristalline Präparate wie z.B. Dexamethason und kristalline Substanzen wie z.B. Triamcinolon. Kristalline Glukokortikoide weisen gegenüber den nicht-kristallinen eine längere Wirkdauer auf, können jedoch eine kristallinduzierte Synovitis auslösen.

Da eine Arthrose zumindest partiell auf ein entzündliches Geschehen zurückzuführen ist, liegt es nahe, dem anti-inflammatorischen Effekt auch eine chondro-protektive Wirkung zuzuordnen, diese Theorie wird sogar durch Nachweis von verminderten CTX-II Konzentrationen, einem Biomarker für die Knorpeldegradation, 3 Wochen nach einer Injektion von 40 mg Triamcinolon vs. Baseline gestützt [14]. Jedoch zeigt eine längerfristige Untersuchung (RCT), in der Triamcinolon in 3-monatigen Intervallen intraartikulär injiziert wurde, in der MRT-Untersuchung nach 2 Jahren eine mäßige Reduktion des Knorpelvolumens/der Knorpeldicke, die in der Kontrollgruppe, behandelt mit NaCl 0,9 % nicht beobachtet wurde. Interessanterweise fanden sich zu keinem der Untersuchungszeitpunkte Unterschiede der Schmerzscores VAS pain und WOMAC pain, ebenso wurden zu den Untersuchungszeitpunkten nach 3 Monaten ff. keine Unterschiede hinsichtlich der Ausprägung von Gelenkergüssen beobachtet [17]. Es mag daran liegen, dass der erste Zeitpunkt der Nachuntersuchung 3 Monate nach der Injektion stattfand. Vergleicht man die Wirksamkeit von Kortikosteroiden und Hyaluronsäuren, so zeigt sich in den ersten Wochen nach Injektion eine höhere Schmerzreduktion nach Kortikoidinjektion als nach intraartikulärer Hyaluronsäure Injektion [12]. Dieses ist gerade im Hinblick auf eine kurzfristige Beschwerdelinderung bei Patienten mit unzureichender Wirksamkeit von topischen und systemischen NSAR relevant.

In der Praxis hat es sich bewährt, bei vorliegendem Gelenkerguss in Verbindung mit einer symptomatischen Gonarthrose zunächst eine Punktion des betroffenen Kniegelenkes und einzeitig eine Injektion von ausreichend dosierten Kortikosteroiden durchzuführen. Häufig werden hier auch nur 10–20 mg Triamcinolon intraartikulär injiziert, um negative Effekte bei Diabetikern oder Nebenwirkungen wie dem temporären Flush zu minimieren.

Kortikosteroide mit verzögertem Abgabemechanismus (extended release) können ggf. zukünftig eine Alternative zu Standard KS darstellen. Phillips et al. [19] zeigten in ihrer
Metaanalyse gute Effektgrößen für die Wirksamkeit dieser Galenik bezogen auf Schmerz und Funktion. Bisher wird jedoch keine starke Empfehlung, z.B. in den USA abgegeben. Überlegene Wirksamkeiten lagen erst bei einer Dosis von 40 mg i.a. vor. Somit ist davon auszugehen, dass insbesondere bei Risikopatienten mit Begleiterkrankungen diese Darreichung mit der gleichen Skepsis wie bei herkömmlichen Kortikosteroiden zu sehen ist. Im deutschsprachigen Raum sind diese Präparate (noch?) nicht zugelassen.

Intraartikuläre Hyaluronsäuren

Intraartikuläre Hyaluronsäure-Injektionen (IAHS) gehören seit mehr als 30 Jahren zum Standard der Arthrosetherapie. Lange gab es widersprüchliche Angaben über die Wirksamkeit der Substanz. Aus heutiger Perspektive ist diese Einschätzung immer noch gerechtfertigt. Warum?

Die wissenschaftliche Literatur fußte wesentlich auf der Beurteilung sog. Outcomeparameter wie Schmerz, Funktion und der Alltagsfähigkeit der Patienten. Metaanalysen verglichen unterschiedlichste Hyaluronderivate mit unterschiedlichen Molekulargewichten, Hyaluronsäurekonzentrationen und differenten Injektionsschemata miteinander, was zu einer sehr unentschiedenen und undifferenzierten Beurteilung der Therapie der Gonarthrose mit IAHS führte. Diese Kontroverse führte in der Vergangenheit zu einer sehr ambivalenten Empfehlungsstärke für IAHS in den internationalen Behandlungsleitlinien für die Gonarthrosetherapie. Gleichwohl wurden starke Empfehlungen für Patientenselbstmanagement, medikamentöse (NSAR und Opiode) und operative Optionen propagiert (ACR Guidelines (2020), AAOS Guidelines (2018) ESCEO Recommendations (2019), AWMF Leitlinie Gonarthrose (2018).

Der Wirkeintritt von Hyaluronsäuren tritt im Vergleich zu intraartikulären Kortikosteroiden im Allgemeinen später ein. Kortikosteroide zeigen in den ersten 3 Wochen nach Injektion eine überlegene Effektivität, in der 4.–8. Woche post-injectionem zeigt sich gemäß der Analyse von Bannuro et al. [4] eine vergleichbare Wirksamkeit. Ab der 9. Woche sind Hyaluronsäuren gegenüber intraartikulären Kortikosteroiden überlegen.

Zur Beurteilung von kommerziell erhältlichen Hyaluronsäuren (HS) hilft es, zunächst das gesunde Kniegelenk zu betrachten: Drei endogene HS Synthetasen bilden Hyaluronsäure, die tierexperimentell untersucht in Gelenken eine Halbwertzeit von 15–17 Stunden besitzt [16]. Im jungen, gesunden Gelenk liegt das Molekulargewicht endogener, also körpereigener Hyaluronsäure bei etwa 4–6 Mio. Dalton. Dieses Molekulargewicht nimmt bei fortschreitender Arthrose auf Werte unter 2 Mio. Dalton ab. Die Hyaluronsäure Konzentration liegt im gesunden Gelenk bei über 2 mg/ml, hier wurden in arthrotisch veränderten Gelenken Konzentrationen von weit unter 2 mg/ml gemessen [10]. Diese Veränderungen erklären den im Punktat fühlbaren Verlust der Viskosität (Abb. 2).

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