Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2016

Management häufiger kindlich-jugendlicher Wirbelsäulen-Probleme
Skoliose, Mb. Scheuermann und Spondylolyse/SpondylolistheseScoliosis, Scheuermann’s disease, spondylolysis, spondylolisthesis

Aufgrund einer zu erwartenden höheren Schmerz- und Kyphoseprogredienz sollte ab > 70° Kyphose eine Operation in Erwägung gezogen werden. Eine dorsale Aufrichtungsspondylodese ist bei noch flexiblen Kyphosen möglich, überwiegend ist allerdings zusätzlich ein ventrales Release zur Aufrichtung der Kyphose nötig.

Spondylolyse
und Spondylolisthese

Als Spondylolisthese wird das Wirbelgleiten zweier Wirbelkörper gegeneinander bezeichnet. Als Ursache spielen sowohl genetische wie auch mechanische Faktoren eine Rolle. Es können 4 Grundtypen nach Wiltse [11] unterschieden werden, wobei die isthmische Form mit bis zu 80 % die häufigste ist. Die isthmische Spondylolisthese weist häufig eine sogenannte Spondylolyse auf – eine knöcherne Unterbrechung der Pars interarticularis

Die Spondylolyse kann angeboren oder auch durch Überlastung erworben sein und tritt oft beidseits auf. Hauptbetroffene Region ist die untere LWS, 80 % der Lysen findet man im Bogen des 5. Lendenwirbelkörpers, 15 % im 4. Lendenwirbelkörper.

Eine chronische, mechanische Überbelastung wie bei massiver Hyperlordose, kann zur Spondylolyse führen. Sie werden deshalb bei Sportlern gehäuft gefunden wie Stabhochspringern, Turnern, Ringern, Turmspringern und Kontorsionisten, bei denen die repetitiv durchgeführten hyperlordosierenden Belastungen letztlich zu Stressfrakturen der Pars interarticularis führen. Durch die chronische Überbelastung können Stressfrakturen beobachtet werden, aber auch bei Patienten mit kompensatorischer Hyperlordose nach Spondylodesen oder thorakalem Mb. Scheuermann.

Die seltenere dysplastische Form weist eine Anlagestörung der Pars interarticularis auf, mit einer starken genetischen Prädisposition und 30 %igem Auftreten bei Verwandten ersten Grades. Die pedikuläre Form zeigt eine angeborene Lyse im Bereich der Bogenwurzel. Die degenerative Form, mit durch pathologische Instabilität verursachter Elongation der Bogenwurzel, sei hier nur am Rande erwähnt.

Die Einteilung der Spondylolisthese erfolgt anhand der durchgeführten Bildgebung. Im Röntgen seitlich kann man das Abgleiten der Wirbelkörpergrund- und Deckplatten gegeneinander nach Meyerding [12] bestimmen (Abb. 4 und 5):

Grad I: < 25 %

Grad II: 25–50 %

Grad III: 50–75 %

Grad IV: > 75 %

Als Spondyloptose wird das völlige ventrale Abrutschen des Wirbelkörpers über den anderen bezeichnet.

Die Diagnose einer Spondylolyse/Spondylolisthese ist oft ein Zufallsbefund, da von den betroffenen Patienten selten Rückenschmerzen beklagt werden (< 5%).

Beschwerden entstehen meist erst bei fortgeschrittenem Wirbelgleiten (Grad 2 und mehr) durch Überbelastung in der paravertebralen und ischiocruralen Muskulatur, da es zur Verlagerung des Schwerpunkts kommt. Bei höhergradigem Wirbelgleiten können dann auch radikuläre Symptome hinzukommen.

Klinisch sollte beachtet werden:

FBA

ein positiver Federungstest

sagittales Profil mit

Hyperlordose und

Stufenbildung, Sprungschanzenphänomen

Hüft/Lendenstrecksteife bei Lasegueprüfung.

Zur bildgebenden Diagnostik benötigt man ein Röntgen a.p. und seitlich sowie Schrägaufnahmen, welche die knöcherne Lysezone als typisches Halsband der „Hundefigur“ (Abb. 4 und 5) zeigt. Das MRT zeigt zwar auch die unterbrochene Pars interarticularis, aber vor allem sind die ggf. bedrängten nervalen Strukturen besser beurteilbar, und die MRT wird daher in der Regel der Computertomografie vorgezogen, welche die Lyse wegen der hohen Strahlenbelastung exakter darstellen kann. Es sollten ab Diagnosestellung jährliche radiologische und klinische Kontrollen erfolgen. Je nach Klinik und Leidensdruck stehen wiederum konservative und operative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Physiotherapie zur Stärkung der Bauch-, Becken- und Rückenmuskulatur und entlordosierende Übungen sind bei konservativem Vorgehen angezeigt. Auch sollten ständige Hyperextensionsbewegungen möglichst vermieden werden. Die Progression der Spondylolisthese lässt sich allerdings dadurch nur marginal beeinflussen. Bei frischen, traumatischen Spondylolysen kann durch eine kurzzeitige Ruhigstellung mittels Gipskorsett oder Mieder der Schmerz gelindert werden und die Lyse in seltenen Fällen sogar zur Ausheilung gebracht werden.

Ein operatives Vorgehen bei Kindern sollte bei therapieresistenten Schmerzen, bei Verstärkung des Gleitens um > 25 % (II. und höhergradig) sowie beim Auftreten von neurologischen Defiziten erfolgen. Statt der früher durchgeführten Verschraubung der Pars interarticularis nach Morscher mit erforderlicher längerer Ruhigstellung wird heute weitgehend die Durchführung einer Fusion im lytischen Segment mittels Spondylodese empfohlen. Hier stehen ventrale und dorsale oder auch kombinierte ventro-dorsale Spondylodeseverfahren zur Verfügung. Hierbei wird meist eine Reposition des Wirbelkörpers mit Wiederherstellung der Lordose angestrebt.

Zusammenfassung

Bei allen 3 beschriebenen Erkrankungen spielt die frühe, oft zufällige Diagnose eine große Rolle für den weiteren Verlauf und die Progredienz der Erkrankung. Deswegen ist es wichtig, die körperliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen genau zu beobachten, vor allem in den Phasen stärkeren Wachstums.

Gerade bei frühzeitigem Erkennen der krankhaften Veränderungen besteht eine große Chance, dem meist jungen Patienten eine sonst möglicherweise notwendig werdende operative Therapie zu ersparen. In den Frühstadien stehen dafür zahlreiche konservative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. Sven Zielgler

LKH Stolzalpe

Orthopädie

Department 2

Stolzalpe 38

A-8852 Murau

sven.ziegler@lkh-stolzalpe.at

Literatur

1. Bunnell WP: Outcome of spinal screening, Spine 1993; 18: 1572–80

2. Fernandes P, Weinstein SL: Natural history of early onset scoliosis. J Bone Joint Surg Am 2007; 89 (Suppl1): 21–33

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