Übersichtsarbeiten - OUP 01/2018

Methodische Eckpunkte der Hüftsonografie nach Graf
State of the art 2018State of the art 2018

Eine standardisierte praktikable Abtasttechnik ist Grundlage und Voraussetzung einer brauchbaren Bildqualität.

Dabei sind insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen:

Standard-Ausrüstung: Lagerungsschale UND Schallkopfführung (Abb. 4).

Fokussierte Organisation und geeignetes Untersuchungsambiente.

Standardisierte Hand- und Fingerhaltung beachten.

Zügiges Arbeiten, um den „Überraschungseffekt“ beim Baby auszunützen.

Am bewegten Monitorbild ZUERST ausschließlich Unterrand fokussieren.

Schnittebenenkorrektur nur am eingefrorenen Standbild, anschließend wieder den Unterrand des Os ilium darstellen und gegebenenfalls nochmalige Schnittebenenkorrektur.

Sich im Hinterkopf der Möglichkeit von Kippfehlern bewusst sein!

Kippfehler

Unbemerkte Verkippungen des Schallkopfs in einer scheinbaren Standardschnittebene führen im schlimmsten Fall (caudo-cranialer Kippfehler) zu einem scheinbar pathologischen Hüfttyp (bis hin zu einer sog. Pseudo-Dezentrierung); damit würde eine unnötige Therapie indiziert und eingeleitet, was forensisch bereits zu Schadenersatzforderungen Anlass gegeben hat.

Vorbeugende Vermeidung von Kippfehlern: Man sollte sich immer des Risikos eines latenten caudo-cranialen Kippfehlers bewusst sein, das Standard-Equipment (Lagerungsschale & Schallkopfführung) verwenden und auf die klare Abbildung der Knorpelknochengrenze (Checkliste 1) achten. Im Zweifelsfall Wiederholung der Untersuchung nach optimierter Lagerung des Kindes: war es ein Kippfehler, findet man nun einen „spontan normalisierten“ Sonobefund vor.

Formaler Befund –
Mindeststandard

Folgende Informationen und Formalien werden für eine korrekte Befundung gefordert:

Formaler Standard:

Patientendaten

Untersucher ID

Untersuchungsdatum

Seitenbezeichnung (R/L)

Maßstab mindestens 1: 1,7

Rechts-aufrechte Projektion

Sonografischer Standard:

Je 2 zeitversetzte Sonogramme pro Gelenk (1 ohne, 1 mit Messlinien)

Deskriptiver Befund

Definitive Feintypisierung nach Messtechnik (Alpha UND Beta)

Klinische Konsequenz (Kontrolle? Therapie?)

Wichtig: Nicht nur der Knochenwinkel Alpha, sondern auch der Knorpelwinkel Beta MUSS bei jedem Sonogramm ausgemessen werden: dies nicht nur als Qualitätskontrolle, ob die Knorpeldachlinie und damit der Umschlagpunkt und das Labrum richtig lokalisiert wurden, sondern auch, um die sonografische Instabilität gegebenenfalls zu diagnostizieren.

Fortschritte

In einer Sammelstatistik aus der Vorsonografie-Ära zeigte Tönnis [12], dass bei rein klinischer Diagnostik mit Berücksichtigung der Familienanamnese und sog. Risikofaktoren 54 % pathologischer Hüftbefunde „übersehen“ wurden; das heißt, jede zweite pathologische Hüfte wurde nicht erkannt. Rein klinisches Screening entspricht also dem Werfen einer Münze („Kopf oder Zahl“).

2018 – 38 Jahre nach Erstpublikation [1] – ist das sonografische Screening im deutschen Sprachraum fixer Bestandteil und „golden standard“ in der öffentlichen Gesundheitsvorsorge. Es ist in unseren Breiten mittlerweile fast zu selbstverständlich, dass Hüftreifungsstörungen frühzeitig sonografisch diagnostiziert und typenadäquat fast zu 100 % konservativ [13] zur Ausheilung gebracht werden: Deutschland und Österreich haben weltweit mittlerweile die niedrigste Rate an offenen Repositionen [7, 8, 10, 11, 14].

In nur scheinbar grauer Vorzeit gehörten auch in unseren Landen Overheadextensionen, offene Repositionen und Korrekturosteotomien in hoher Frequenz zur täglichen kinderorthopädischen Routinearbeit. Wir müssen darauf achten, dass die Erinnerung an die Schrecken der Vorsonografie-Ära nicht ganz verblasst, damit – in Analogie zur „Impfmüdigkeit“ – die Notwendigkeit der generellen sonografischen Hüftvorsorge („Sono-Screening“) in der Methodik nach GRAF nicht in Frage gestellt wird.

Interessenkonflikt: Keiner angegeben

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Christian Tschauner

Allgemeines und Orthopädisches
Landeskrankenhaus Stolzalpe

A-8852 Stolzalpe

Österreich

christian.tschauner@kages.at

Literatur

1. Graf R: The diagnosis of congenital hip-joint dislocation by the ultrasonic Combound treatment. Arch Orthop Trauma Surg. 1980; 97: 117–33

2. Graf R: Ultraschalldiagnostik bei Säuglingshüften. Orthopädische Praxis 1982; 18: 583–624

3. Graf R: Hip sonography: background; technique and common mistakes; results; debate and politics; challenges. Hip Int. 2017; 27: 215–19

4. Graf R, Lercher K, Spieß T: Kurshandbuch für die Ausbildung in der Hüftsonographie nach Graf. Stolzalpe: Edition Stolzalpe, 2017

5. Graf R, Lercher K, Tschauner C, Baumgartner F, Plattner F: Sonographie der Säuglingshüfte und therapeutische Konsequenzen. Ein Kompendium. 6. Auflage, Stuttgart: Thieme, 2010

6. Graf R, Spieß T: Aktueller Stand der sonografischen Diagnostik kindlicher Hüftreifungsstörungen. OUP 2015; 4: 68–71

7. Grill F, Muller D: [Results of hip ultrasonographic screening in Austria]. Orthopade 1997; 26: 25–32

8. Ihme N, Altenhofen L, von Kries R, Niethard FU: [Hip ultrasound screening in Germany. Results and comparison with other screening procedures]. Orthopade 2008; 37: 541–9

9. Matthiessen HD: Zur Qualitätssicherung Sonografie der Säuglingshüfte. Kinder- und Jugendarzt 2008; 39: 123–30

10. Thaler M, Biedermann R, Lair J, Krismer M, Landauer F: Cost-effectiveness of universal ultrasound screening compared with clinical examination alone in the diagnosis and treatment of neonatal hip dysplasia in Austria. J Bone Joint Surg Br 2011; 93: 1126–30

11. Thallinger C, Pospischill R, Ganger R, Radler C, Krall C, Grill F: Long-term results of a nationwide general ultrasound screening system for developmental disorders of the hip: the Austrian hip screening program. J Child Orthop. 2014; 8: 3–10

12. Tönnis D: Die angeborene Hüftdysplasie und Hüftluxation im Kindes- und Erwachsenenalter: Springer, 1984

13. Tschauner C: Was ist von einer standardisierten sonographiegesteuerten Therapie zu erwarten? Jatros Orthopädie & Rheumatologie 2010: 38–9

14. Tschauner C, Fürntrath F, Saba Y, Berghold A, Radl R: Developmental dysplasia of the hip: impact of sonographic newborn hip screening on the outcome of early treated decentered hip joints – a single center retrospective comparative cohort study based on Graf`s method of hip ultrasonography. J Child Orthop. 2011; 5: 415–24

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