Übersichtsarbeiten - OUP 05/2021

Möglichkeiten der Endoskopie bei der lumbalen Spinalkanalstenose

Christoph J. Siepe

Zusammenfassung:
Die endoskopischen Techniken haben in der Weiterentwicklung operativer Verfahren zu einer weiteren signifikanten Reduktion des perioperativen Traumas im Rahmen wirbelsäulenchirurgischer Interventionen beigetragen. Die geringe Invasivität und das kaum nachweisbare Muskeltrauma sind sowohl für junge Patienten und Sportler als auch ältere und häufig multimorbide Patienten gleichermaßen vorteilhaft. Klinisch reflektiert sich dies in einem minimalen Wundschmerz, frühzeitiger Mobilisation der Patienten und schneller Rückkehr zu Alltagsaktivitäten innerhalb der ersten Tage nach dem Eingriff. Die Dekompression des Spinalkanals ist dabei eine Technik, die dem endoskopischen Operateur mit fortgeschrittener Erfahrung vorbehalten bleibt und die somit im Rahmen der Learning Curve eher später zum Einsatz kommt.
Infektionen/Wundheilungsstörungen können nahezu eliminiert werden. Als vorteilhaft erweist sich die Technik darüber hinaus bei kräftigen oder adipösen Patienten, bei denen der Eingriff über die gleiche kleinste Hautinzision durchgeführt werden kann. Prinzipiell sind sämtliche Nervenwurzelkompressionssyndrome endoskopisch adressierbar, wobei die individuelle Erfahrung des Operateurs sowie technische Details letztendlich die Wahl des adäquaten Verfahrens bestimmen und individuell auf den Patienten und die zugrundeliegende Pathologie abgestimmt sein sollten.

Schlüsselwörter:
Endoskopie, Wirbelsäule, Endoskopische Dekompression, Spinalkanalstenose,
Minimalinvasive Chirurgie

Zitierweise:
Siepe CJ: Möglichkeiten der Endoskopie bei der lumbalen Spinalkanalstenose
OUP 2021; 10: 227–230
DOI 10.3238/oup.2021.0227–0230

Summary: Endoscopic techniques have contributed to a further reduction of the perioperative trauma and invasiveness of spinal surgeries. Both young and athletic patients and elderly and often multimorbid patients alike benefit from the minimal invasiveness of these types of procedures which is reflected in minimal wound pain, early mobilization and early return to daily living activities. The decompression of spinal stenosis in a full-endoscopic technique is technically advanced and therefore reserved for more experienced endoscopic surgeons. The risk of infections or wound healing problems can be almost eliminated. The endoscopic technique is furthermore advantageous for the treatment of big and strong or obese patients, in whom the procedure may be performed through the same minimally invasive approach. Whilst basically all kinds of neural compression syndromes can be addressed endoscopically, the limiting factor is the surgeon and the surgeon´s experience with the endoscopic technique which should ultimately determine the adequate choice of surgical intervention in order to find the best possible treatment for the patient in accordance with the underlying pathology.

Keywords: Endoscopy, spine-endoscopic decompression, spinal stenosis, minimally invasive surgery

Citation: Siepe CJ: Potential of full-endoscopic decompression for the treatment of lumbar spinal stenosis
OUP 2021; 10: 227–230. DOI 10.3238/oup.2021.0227–0230

Schön Klinik München Harlaching, Akademisches Lehrkrankenhaus und Institut für Wirbelsäulenforschung der PMU Salzburg

Minimalinvasive Eingriffe in der Wirbelsäulenchirurgie

Die operative Behandlung von Nervenwurzelkompressionssyndromen wie etwa dem lumbalen oder zervikalen Bandscheibenvorfall, zentralen Spinalkanal- und Recessusstenosen oder aber die Entfernung von Synovialgelenkszysten u.a.m. gehören zu den häufigsten operativen Eingriffen im Bereich der Wirbelsäulenchirugie [4, 8].

Im Focus der Weiterentwicklung operativer Techniken stand über die vergangenen Jahrzehnte die Reduktion der Zugangsmorbidität zur Zielregion („target area“). Zu den Vorteilen der MIS-Surgery („minimally invasive surgery“) gehören dabei der geringere Blutverlust, kürzere OP-Zeiten, kürzere stationäre Verweildauern, Reduktion der Infektionsraten, der geringere perioperative Schmerz der Patienten und damit einhergehend die schnellere Mobilisierung der Patienten sowie eine zeitnahe Rückkehr zu beruflichen, privaten und sportlichen Aktivitäten [1, 2].

Nach initial offener Durchführung konnte durch Einsatz von Lupenbrillen die Invasivität der Eingriffe reduziert werden.

Seit den 1980er Jahren hat sich der Einsatz des Operationsmikroskops im Rahmen der Mikrochirurgie als „Gold Standard“ etabliert. Durch Einsatz eines Mikroskops konnte eine weitere deutliche Verbesserung der Visualisierung durch Vergrößerung der neuralen Strukturen, aber auch durch ausreichende Helligkeit im Bereich des Spinalkanals erzielt werden. Infolgedessen konnten Hautinzisionen verkleinert und die perioperative Morbidität durch nur geringe Traumatisierung der paraspinalen Strukturen weiter reduziert werden. Während bei offenen Techniken noch die großflächige Entfernung der knöchernen Strukturen wie im Rahmen von Laminektomien oder Hemilaminektomien durchgeführt wurde, so können die tragenden und stabilisierenden Strukturen der Laminae und Facettengelenke durch die Mikrochirurgie erhalten bleiben und hierdurch invasivere stabilisierende Verfahren vermieden bzw. die sekundäre Erfordernis einer Instrumentationen zur Stabilisierung von Instabilitäten reduziert werden.

Durch Etablierung der endoskopischen Techniken konnte in den vergangenen Jahren die Invasivität operativer Verfahren nochmals weiter reduziert werden.

Die vollendoskopische
Operationstechnik

Bezüglich der Nomenklatur sollten die vollendoskopischen Techniken streng von „endoskopisch assistierten“ oder „mikro-endoskopischen Techniken“ abgegrenzt werden, auch wenn diese Begriffe im angloamerikanischen Raum häufig synonym verwendet werden.

Während im Rahmen der Pionierphase hierbei noch bi-portale und „trockene“ Systeme zum Einsatz kamen, so erfolgt die Durchführung heutzutage wie bei arthroskopischen Eingriffen unter kontinuierlichem Wasserfluss.

Die Eingriffe werden uniportal über ein einziges Arbeitsportal durchgeführt. Ein „Hautschnitt“ im klassischen Sinne wird bei den endoskopischen Techniken ersetzt durch eine kleinste, 6–7 mm Stichinzision. Der Eingriff im Bereich der neuralen Strukturen wird dann unter Visualisierung auf große hochauflösende Monitore (Full-HD, 4K) mit Hilfe des Operationsendoskops durchgeführt (Abb. 1).

An Endoskopen stehen entsprechend des Einsatzspektrums sowie in Abhängigkeit von der Indikationsstellung Endoskope mit 3.0 mm (zervikale Eingriffe), 4.0 mm und 5.5 mm Arbeitsportalen zur Verfügung (Abb. 2). Über optische Fasern werden hochaufgelöste Bilder in 4K/HD-Qualität aus dem Spinalkanal übertragen (Abb. 3). Gearbeitet wird hierbei mit 25°-gewinkelten Optiken unter kontinuierlicher Spülung mit steriler Kochsalzlösung. Die Anordnung von Endoskop zur äußeren Hülse ermöglicht den kontinuierlichen Abfluss der über den Spinalkanal eingebrachten Kochsalzlösung, so dass eine übermäßige Erhöhung des intraspinalen Drucks technisch vermieden werden kann.

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