Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017

Möglichkeiten und Grenzen der Knorpelrekonstruktion bei Knorpelverletzungen großer Gelenke

Abbildung 2 zeigt das Beispiel eines patellofemoralen Knorpelschadens (femoral im Bereich der lateralen Trochlea und lateralen Patellafacette, jeweils Grad II) bei Patella alta mit femoraler Innentorsionsabweichung und physiologischer Beinachse. Es erfolgte keine direkte Knorpeltherapie, sondern die Normalisierung der Torsion mittels einer außenrotierenden suprakondylären Femurosteotomie um 20° und Tuberositas Distalisierung, sodass nach knöcherner Heilung Beschwerdefreiheit erzielt wurde.

Der subchondrale Knochen wurde in den vergangenen Jahren zunehmend in Studienüberlegungen eingebunden, wobei – wie eingangs erwähnt – als Hauptproblem die Frage offenbleibt, ob zuerst der Knorpelschaden oder das Ödem aufgetreten ist. Zusätzlich sollte ein lokalisiertes von einem generalisierten Ödem differenziert werden. Lokale Ödeme ohne knöcherne Defekte können bei ansonsten unauffälliger Biomechanik sowie Alignement isoliert therapiert werden, wohingegen ein generalisiertes Ödem eine eigenständige Entität darstellt und ggf. adjuvant medikamentös behandelt werden sollte.

Die ideale Indikation für knorpelrekonstruktive Eingriffe stellt der isolierte traumatische Knorpelschaden dar, der zirkulär von unauffälligem Knorpel umgeben ist (Abb. 1). Allerdings stellen solche Fälle die Minderheit dar. Die Mehrheit der Knorpelschäden ist degenerativer Natur. Die aktuelle Datenlage rechtfertigt die chirurgische Therapie für Fälle mit lokalisierten Knorpelschäden ohne arthrotische Veränderungen mit bestehender klinischer Symptomatik und geeigneten Patienten ohne immunologische Beeinträchtigungen sowie guter postoperativer Kooperation. Gerade für Fälle mit degenerativer Entität ist die Ursachenanalyse von größerer Bedeutung als für traumatische Fälle, da trotz korrekt erfolgter isolierter chirurgischer Knorpeltherapie, beispielsweise nach ACI, die Grundproblematik verbleibt und den therapierten Knorpel nicht regenerieren lässt. Die Erfahrung zeigte gerade für solche Fälle häufig eine deutliche Verschlimmerung der Beschwerdesymptomatik.

Die aktuellen Behandlungsmöglichkeiten beinhalten transplantierende und knochenmarkstimulierende Techniken. Die autologe Knorpelzelltransplantation (ACI) sowie der osteochondrale Transfer (OCT) gehören zu den transplantierenden Techniken. Zu den knochenmarkstimulierenden Techniken werden die Mikrofrakturierung (MF), Abrasionsarthroplastik sowie die antegrade Anbohrung gezählt. Die Abrasionsarthroplastik zählt allerdings genaugenommen nicht zu den knorpelrekonstruktiven Techniken, sondern ist mehr im Kontext der Arthrosebehandlung zu sehen [7]. Technisch kann die Knochenmarkstimulation entweder durch konische Ahlen oder durch die Anbohrung realisiert werden. Ob die subchondrale Knochenperforation durch die Nanofraktur mittels dünnerer Kirschner-Drähte bessere Ergebnisse liefert, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden.

In diesem Zusammenhang sollten die Vor- und Nachteile der ACI und MF gegenübergestellt werden. Die MF kann einzeitig arthroskopisch realisiert werden, wohingegen die ACI zweizeitig erfolgt. Nach arthroskopischer Biopsie der Knorpelzellen werden letztere entweder arthroskopisch, mini-open oder in offener Technik in den Knorpeldefekt implantiert. Die MF erzielt histologisch ein firbrokartilaginäres Regenerat, wobei nach ACI der Anteil von hyalinähnlichem Knorpel im Regenerat deutlich höher ist und einen Vorteil für die ACI darstellt. Möglicherweise ist dies auch ein Vorteil für die Dauer des Behandlungserfolgs [8, 9].

Ein weiteres Problem nach Mikrofraktur stellen intraläsionale Ossifikationen dar (Abb. 3), die größenunabhängig innerhalb weniger Jahre zu klinisch schlechten Resultaten führen, insbesondere für größere Defekte bei über 40-jährigen Patienten [10–12]. In den vergangenen Jahren wurden knochenmarkstimulierende Verfahren durch die Verwendung einer zusätzlichen Matrix ergänzt und als Autologe Matrix Induzierte Chondrogenese (AMIC) bezeichnet. Die Datenlage ist allerdings noch unzureichend, ob die bekannten Probleme der MF gänzlich oder teilweise vermieden werden können. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass die differenzierte Indikation zur MF versus ACI sorgfältig erfolgen sollte, da die Ergebnisprognose der ACI nach vorangegangener MF signifikant schlechter ist als nach primärer ACI. In der Praxis sollte man daher nicht die MF durchführen mit der Überlegung: „einzeitiges Vorgehen und weniger invasiv“ mit dem Hintergedanken, „wenn es nicht klappt, kann man immer noch die ACI durchführen“ [9].

Liegt zusätzlich ein subchondraler knöcherner Defekt vor, kann größenabhängig der Knochendefekt mit autologer Spongiosa, ggf. mit kortikospongiösen Zylindern, und einer ACI rekonstruiert werden [13]. Liegt nur eine kleine Läsion vor, kann eine OCT einzeitig erfolgen. Die Indikation zur OCT sollte vor dem Hintergrund der Entnahmemorbidität ab 3 Zylindern zurückhaltend gestellt werden, da sich ansonsten eine diffuse Beschwerdesymptomatik mit Beteiligung des patello-femoralen Kompartiments bei Transplantation innerhalb des Kniegelenks entwickeln kann, oder im Falle einer Transplantation des Talus Beschwerden im Kniegelenk neu auftreten mit variierenden Restbeschwerden des ursprünglich zu versorgenden Sprunggelenks. Abbildung 4 zeigt einen Fall nach extensiver OCT mit diffuser Restbeschwerdesymptomatik, obwohl arthroskopisch eine gute Einheilung im ursprünglichen Defektareal zu objektivieren war bei stabilem fibrocartilaginärem Regeneratknorpel im Bereich der patello-femoralen Entnahmezone. Die Behandlung solcher Zustände ist äußerst problematisch und prognostisch ungünstig zu bewerten, da durch weitere chirurgische Verbesserungsversuche die Beschwerdesymptomatik verschlechtert werden kann. In solchen Fällen sollte durch interdisziplinäres Agieren inklusive schmerztherapeutischer Beratung ein weiterer operativer Eingriff vermieden werden. Besonderes Augenmerk bei Planung einer OCT ist die Antizipierung operationstechnischer Probleme, wie unterschiedliche anatomische Oberflächengeometrie der Spender- und Defektzone sowie auch lokalisationsbedingte unterschiedliche Knorpeldurchmesser. Dies kann zu relevanten Kongruenzproblemen sowohl der knöchernen als auch der knorpeligen Oberfläche führen – vor allem bei Übertragung vom Knie zum Sprunggelenk, da zusätzlich der Knorpel am OSG teilweise nur die halbe Knieknorpelstärke aufweist.

Wenn sich ein subchondraler knöcherner Defekt nach Debridement der Sklerosezone > 3 mm im Durchmesser zeigt, sollte entweder mit autologer Spongiosa oder mittels kortikospongösen Zylindern aufgefüllt werden [13]. Je größer der Defekt (ab ca. 2,5 cm2), umso eher sollte man statt der OCT ein kombiniertes Vorgehen mit ACI und kortikospongiöser Defektrekonstruktion erwägen. Strategisch bestehen 2 gleichwertige Möglichkeiten:

  • 1. Nach Knorpelzellentnahme erfolgt in sogenannter Sandwich-Technik einzeitig die Knorpelknochen-Rekonstruktion mit einer einmaligen postoperativen Teilbelastungsphase.
  • 2. Es erfolgt zuerst die kortikospongiöse Rekonstruktion mit Knorpelzellentnahme, um dann zweizeitig nach 3–6 Monaten die ACI durchzuführen.
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