Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017

Möglichkeiten und Grenzen der Knorpelrekonstruktion bei Knorpelverletzungen großer Gelenke

Vorteil der Sandwichtechnik ist nur eine postoperative Teilbelastungsphase. Vorteil des zweizeitigen Vorgehens ist das deutlich vorangeschrittene knöcherne Remodelling, sodass bei knöchernem Korrekturbedarf – gerade bei großen Defekten – die spätere ACI ein Nachbessern ermöglicht. Einen weiteren Vorteil stellt die reduzierte Einblutung im Bereich des rekonstruierten Knochendefekts dar, da es zwischen den Lücken der Knochenzylinder relevant in den Knorpeldefekt einbluten kann und dadurch die ACI dem Hämatom „aufschwimmt“, sodass eine AMIC entstehen kann. Diese Einblutungsneigung ist beim zweizeitigen Vorgehen reduziert.

Die bisherige Datenlage zeigt jedoch keinen Vorteil der einen oder anderen Vorgehensweise, sodass individualisiert unter Beachtung der co-inzidenten Patholgien entschieden werden sollte. Abbildung 5 zeigt den Fall einer 16-jährigen Patientin mit einer besonders großen OD, sodass hierfür 8 kortikospongiöse Zylinder notwendig wurden. Solche Fälle stellen sicher die Grenze des Machbaren dar, da mit zunehmender Größe zum einen die biologische knöcherne Einheilung für die mittleren Knochenzylinder problematisch sein kann und auch die stabile Verankerung operationstechnisch sehr anspruchsvoll wird. Durch technische Hilfen wie in diesem Fall mittels einer abstützenden medialen Schraube, kann dennoch ein gutes Ergebnis erzielt werden. Das postoperative CT objektiviert die Einheilung und das Remodelling, wobei im Rahmen der zweizeitigen ACI die rekonstruierte Knochenoberfläche geglättet wurde. Das MRT zeigt das gute mittelfristige Ergebnis 3 Jahre postoperativ (Abb. 5). Nur selten lässt sich eine chronische OD durch Anfrischung und Refixation erfolgreich behandeln. Bei jugendlichen oder heranwachsenden Patienten kann ein solcher Versuch gerechtfertigt sein. Abbildung 6 zeigt die erfolgreiche arthroskopische Refixation einer akut abgelösten OD der lateralen Femurkondyle.

Die Arbeitsgruppe Geweberegeneration hat auf Basis der aktuellen Datenlage daher einen Leitfaden erarbeitet, um die Differenzialindikation für die erwähnten unterschiedlichen Verfahren darzustellen. Abbildung 7 gibt einen guten Überblick. An dieser Stelle sollte für professionelle Athleten eine Sonder- bzw. Ausnahmeindikation bei isoliertem Knorpelschaden des Knie oder Sprunggelenks Erwähnung finden: Wenn eine möglichst schnelle Rehabilitation im Vordergrund steht, kann anstatt der ACI eine OCT durchgeführt werden, da der langfristige postoperative Knorpelmatrixaufbau entfällt und „nur“ die direkte ossäre Einheilung erfolgen muss. Dadurch kann die sportliche Rehabilitation (Return to play) durchaus nach 6 Monaten erzielt werden [14]. Allerdings muss in solchen Fällen immer individuell die Transplantation bzw. Auswahl der Spenderzone sorgfältig geplant werden. Zusätzlich sollte der Athlet in diesen Fällen eine ausführliche Aufklärung erhalten mit schriftlicher Dokumentation dieser Ausnahmeindikation. Auch die MF erlaubt eine zunächst schnellere sportliche Aktivität zu Lasten eines prognostisch langfristig signifikant niedrigeren Aktivitätsniveaus [15].

In jedem Fall sollte man vor Realisierung knorpelrekonstruktiver Maßnahmen eine exakte Ursachenanalyse durchführen, da, wie eingangs erwähnt, die degenerativen Schäden bzw. repetitiven Mikrotraumatisierungen die häufigsten Ursachen darstellen. Besteht ein traumatischer Knorpelschaden, kann dieser im Rahmen der Versorgung der Begleitverletzungen nach dem Leitfaden der AG Geweberegeneration behandelt werden. Liegt jedoch ein degenerativer Knorpelschaden vor, muss für das betroffene Gelenk eine ausführliche Ursachenanalyse erfolgen, um die Pathologie kausal zu behandeln und die Knorpeltherapie lediglich „on top“ in den Behandlungsplan einfließen zu lassen. Dadurch ist gerade bei komplexen Problemen nicht immer ein Königsweg bestreitbar, sondern es sind mehrere Optionen möglich. Diese müssen den betroffenen Patienten erläutert werden, um gemeinsam den Weg mit eventuell mehreren Stationen zu bewältigen. Zeigen sich bereits beginnende arthrotische Veränderungen, sollte man grundsätzlich die Indikation zu knorpelrekonstruktiven Maßnahmen sehr streng stellen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Atesch Ateschrang

BG Unfallklinik Tübingen

Schnarrenbergstr. 95

72076 Tübingen

ask@bgu-tuebingen.de

Literatur

1. Brittberg M, Lindahl A, Nilsson A, Ohlsson C, Isaksson O, Peterson L: Treatment of deep cartilage defects in the knee with autologous chondrocyte transplantation. N Engl J Med 1994; 331: 889–95

2. Peterson L, Vasiliadis HS, Brittberg M, Lindahl A: Autologous chondrocyte implantation: a long-term follow-up. Am J Sports Med 2010; 38: 1117–24

3. Harris JD, Siston RA, Brophy RH, Lattermann C, Carey JL, Flanigan DC: Failures, re-operations, and complications after autologous chondrocyte implantation – a systematic review. Osteoarthritis Cartilage 2011; 19: 779–91

4. Pietschmann MF, Niethammer TR, Horng A et al.: The incidence and clinical relevance of graft hypertrophy after matrix-based autologous chondrocyte implantation. Am J Sports Med 2012; 40: 68–74

5. Rolauffs B, Rothdiener M, Bahrs C et al.: Onset of preclinical osteoarthritis: The angular spatial organization permits early diagnosis. Arthritis Rheum 2011; 63: 1637–47 DOI: 10.1002/art. 30217

6. Brittberg M: ICRS Clinical Cartilage Injury Evaluation System. 3rd ICRS Meeting. Göteborg, Sweden 2000

7. Johnson IL: Arthroscopic abrasion arthroplasty: a review. Clin Orthop Relat Res 2001; 391: S306–17

8. Oussedik S, Tsitskaris K, Parker D: Treatment of articular cartilage lesions of the knee by microfracture or autologous chondrocyte implantation: a systematic review. Arthroscopy 2015; 31: 732–44

9. Saris DB, Vanlauwe J, Victor J et al.: Characterized chondrocyte implantation results in better structural repair when treating symptom-atic cartilage defects of the knee in a randomized controlled trial versus microfracture. Am J Sports Med 2008; 36: 235–46

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