Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Multimodale Therapie der rheumatoiden Arthritis im Rahmen einer Rehabilitation

Martin Gehlen, Juliane Pauder, Michael Schwarz-Eywill

Zusammenfassung:
Die Rehabilitation von Patienten mit rheumatoider Arthritis basiert auf multimodalen Konzepten. Wichtige Therapieelemente sind die Ergotherapie, Bewegungstherapie, Sporttherapie, Physiotherapie, Ernährungstherapie, „Medizinisch-Beruflich-Orientierte Rehabilitation“ (MBOR), Patientenschulungen, Psychologie, Entspannungstherapie und Balneotherapie. Ziel dieses Artikels ist es, dem Leser einen Überblick über die Therapieformen und ihren Evidenzgrad in der rheumatologischen Rehabilitation zu geben.

Schlüsselwörter:
Rheumatologie, Rehabilitation, Ergotherapie, Physiotherapie, Bewegungstherapie, Ernährung, Psychologie

Zitierweise:
Gehlen M, Pauder J, Schwarz-Eywill M: Multimodale Therapie der rheumatoiden Arthritis im Rahmen einer Rehabilitation.
OUP 2021; 10: 0128–0132
DOI 10.3238/oup.2021.0128–0132

Summary: The rehabilitation of patients with rheumatoid arthritis is based on multimodal concepts. Ergotherapy, exercise therapy, physiotherapy, nutrition counselling, work related medical rehabilitation (MBOR), socio-medical assessment, patient education, psychology, relaxation methods and balneotherapy are main elements of rehabilitation. The object of this article is to describe the therapeutic approaches and their scientific evidence.

Keywords: Rheumatology, rehabilitation, ergotherapy, exercise therapy, physiotherapy, nutrition, psychology

Citation: Gehlen M, Pauder J, Schwarz-Eywill M: Multimodal therapy of patients with rheumatoid arthritis during.
OUP 2021; 10: 0128–0132 DOI 10.3238/oup.2021.0128–0132

Martin Gehlen, Juliane Pauder, Michael Schwarz-Eywill: Klinik DER FÜRSTENHOF, Bad Pyrmont

Einleitung

Die Rheumatoide Arthritis (RA) ist die häufigste entzündlich-rheumatologische Erkrankung. Die Inzidenz beträgt je nach Publikation zwischen 0,3 und 1,0 %. Frauen erkranken häufiger als Männer, im Verhältnis 3:1. Der Haupt-Erkrankungsbeginn liegt zwischen 55 und 75 Jahren. Die RA kann jedoch in jedem Lebensalter auftreten [27]. Übergewicht und ein Nikotinkonsum sind Faktoren, die das Risiko zu erkranken, deutlich erhöhen [13]. Die RA ist eine Systemerkrankung, die zu Schwellungen der Synovia und Zerstörungen der Gelenke führt. Unbehandelt ist das Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen im Rahmen einer RA signifikant erhöht. Die Entwicklung einer Herzinsuffizienz ist doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung. Andere Komorbiditäten wie ein arterieller Hypertonus, eine Osteoporose und ein Diabetes mellitus sind weitere Beispiele. Dies beeinflusst die Lebenserwartung von RA-Patienten negativ [6]. Ohne adäquate Therapie erleidet die Hälfte der Betroffenen in den ersten 10 Jahren der chronischen Erkrankung irreversible Gelenkveränderungen [26]. Als negative Prognosefaktoren sind der Nachweis eines Rheumafaktors und des Antikörpers gegen cyclisches citrulliniertes Peptid (CCP-AK) zu nennen. Frühe radiologische Veränderungen sprechen für einen ungünstigen Spontanverlauf [24]. Zur Statuserhebung gehört in der Regel eine Nativ-Röntgenaufnahme der Hände und Füße [22].

Multimodale Therapie in der rheumatologischen
Rehabilitation

Das Ziel der nicht-medikamentösen Therapie ist die Beeinflussung von Funktionsstörungen und Schmerzen und deren Auswirkung auf den Alltag. Das Prinzip jeder rheumatologischen Rehabilitation basiert auf multimodalen Therapieansätzen. Das bedeutet, dass die therapeutische Wirkung nicht durch die einzelne Anwendung, sondern durch das Zusammenspiel verschiedener Therapien erreicht wird. Im Folgenden werden sinnvoll aufeinander abgestimmte Therapieelemente zur Behandlung der RA dargestellt.

Ergotherapie

Die Beteiligung der Hand- und Fingergelenke ist eines der Charakteristika der rheumatoiden Arthritis. Der Ergotherapie kommt daher in der Therapie eine besondere Bedeutung zu. Aufgaben der Ergotherapie sind die Handtherapie, Patientenschulungen (Gelenkschutz), Arbeitsplatzgestaltung, Mitwirken an der sozialmedizinischen Begutachtung des MBOR-Teams (Medizinisch-Beruflich-Orientierte Rehabilitation), Hilfsmittelberatung, das Anpassen von Orthesen und Bauen von Schienen [4, 10].

Planung der Ergotherapie

Für eine zielgerichtete Planung aller Bereiche der Ergotherapie sollten die Funktionseinschränkungen eines Patienten den Kategorien „entzündliche Krankheitsaktivität“ oder „Schädigungsfolge/Damage“ zugeordnet werden. Diese Einteilung ist sinnvoll, weil Funktionseinschränkungen durch Krankheitsaktivität durch eine medikamentöse Therapie potentiell reversibel sind, während Schädigungsfolgen ausschließlich durch nicht-medikamentöse Therapien behandelt werden (Ergotherapie, operative Maßnahmen).

Die Einschätzung der „Schädigungsfolgen“ der RA erfolgt durch die klinische Untersuchung und Röntgenbilder. Abbildung 1 zeigt ein Röntgenbild des Fußes. Dargestellt ist eine Erosion des MTP 5 Stadium Larsen 4. Die Kenntnis der Erosionen ist für die Planung der Ergotherapie wichtig, weil eine prävalente Erosion ein starker Risikofaktor für weitere zukünftige Gelenkdestruktionen ist. In den meisten Fällen treten die ersten Erosionen an den Vorfüßen am MTP 5 und an dem Fingergrundgelenk MCP 2 auf. Für die Planung der Ergotherapie und des gesamten Rehabilitationsprozesses inklusive der sozialmedizinischen Begutachtung sollten aktuelle Röntgenbilder der Hände und Vorfüße vorliegen.

Für die Funktionalität der Hand sind insbesondere der Erhalt des Handquergewölbes, die Ausprägung einer Ulnardeviation der Finger, eine Subluxation im Handgelenk und die Mobilität der Gelenke von Bedeutung. Durch die Ulnardeviation der Finger verändert sich der Kraftvektor der Strecksehnen. Im Falle einer Subluxation dieser Strecksehnen kommt es zu einer weiteren Verstärkung der Ulnardeviation im Sinne eines Circulus victiosus.

Abbildung 2 zeigt eine deutliche Ulnardeviation, die die Funktionalität der Hand stark beeinträchtigt. Bei einem so fortgeschrittenen Stadium sind die konservativen Therapiemöglichkeiten eingeschränkt. Es ist wichtig, eine Ulnardeviation in einem möglichst frühen Stadium zu identifizieren, um so noch eine echte therapeutische Option mit konservativen Maßnahmen zu haben. Abbildung 3 zeigt eine Ulnardeviation von MCP 2 in einem sehr frühen Stadium. Durch Entzündungen im Handgelenk kann es zu einer Zerstörung des palmaren extrinsischen und intrinsischen Bandapparates kommen, mit der Folge einer Subluxation/Luxation des Radiocarpalgelenkes (Abb. 4).

Als weitere Fehlstellung im Handgelenk ist die Radialabduktion zu nennen, bei welcher der Carpus nach ulnar-proximal und palmar-proximal abdriftet. Durch die innere Kompensation wird das Handgelenk radialabduziert und palmarflektiert. Wenn gleichzeitig eine Ulnardeviation der Finger vorliegt ist das das Vollbild einer „Handskoliose“. Durch die strukturellen Veränderungen kann es zu einem Kraftdefizit der Finger, Verlust des Quergewölbes und Fehlstellungen der Finger kommen. Ebenfalls droht im Langzeitverlauf eine Ruptur der Strecksehnen, auf Grund der scharfkantigen Ecken der Handwurzelknochen.

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