Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Multimodale Therapie der rheumatoiden Arthritis im Rahmen einer Rehabilitation

Z-Deformitäten der Daumen und Schwanenhalsdeformitäten der Langfinger beeinträchtigen die Greiffähigkeit stärker als Knopflochdeformitäten. Alle 3 Veränderungen sollten so früh wie möglich identifiziert werden [4] und sind ebenfalls bei den einzuleitenden therapeutischen Maßnahmen zu berücksichtigen (Abb. 5).

Handtherapie

Handtherapie kann in Gruppen und als Einzeltherapie durchgeführt werden. Es liegen die Therapieprinzipien „Dehnung“ und „Aktivierung einzelner Muskelgruppen“ zugrunde. Die passive Dehnung von Muskel- und Gelenkstrukturen muss vorsichtig durchgeführt werden. Für die Planung der Handtherapie ist die Graduierung der Beweglichkeit nach Seyfried hilfreich. Dabei entspricht der Grad 1 einer normalen, schmerzfreien Beweglichkeit und der Grad 4 einer deutlich eingeschränkten, schmerzhaften Gelenkbeweglichkeit. Wenn Fehlstellungen von Patienten noch weitestgehend ausgeglichen werden können, steht die Aktivierung von Muskeln, die der Fehlstellung entgegenwirken, im Vordergrund. Die Patienten erlernen Übungen, die sie selbst regelmäßig durchführen. Als Therapiemittel bieten sich Therapieknete, Qi Gong-Kugeln oder die Kombination der Bewegungen mit thermischen Anwendungen im warmen oder kalten Kies an [3, 4].

Patientenschulungen
(Gelenkschutz)

In Schulungen zur Gelenkphysiologie und zum Gelenkschutz werden Methoden vermittelt, die eine Überlastung der Gelenke bei Beanspruchung im Alltag durch adäquaten Gelenkeinsatz verhindern sollen. Dazu gehören auch das Selbsthilfe-Training und die Anpassung der häuslichen Gegebenheiten. Hilfsmittel, die eine Überlastung oder Fehlhaltung in den Gelenken vorbeugen wie z.B. Flaschenöffner, Griffverdickungen usw. werden vorgestellt und ausprobiert [4].

Orthesen und Schienenbau

Konfektionierte Orthesen werden bei Patienten mit geringen bis mäßigen Fehlstellungen eingesetzt, individuell gefertigte thermoplastische Schienen in erster Linie bei Patienten mit starken Fehlstellungen. Ziel der statischen Schienen und Orthesen ist eine passive Gelenkstabilisierung. Dynamische Schienen werden vor allem postoperativ eingesetzt [4, 9].

Bewegungs-, Sport- und
Physiotherapie, Medizinische Trainingstherapie (MTT)

Bewegungs- und Sporttherapien wie Nordic Walking, Wassergymnastik, Wanderungen, Frühsport, Funktionsgymnastik und Rückengymnastik sind zentrale Elemente einer rheumatologischen Rehabilitation. Medizinische Trainingstherapie (MTT) beinhaltet das gezielte Training von Muskelgruppen an Trainingsgeräten. Ziele dieser Anwendungen sind die Verbesserung von ganzen Bewegungsketten, Reduktion des kardiovaskulären Risikoprofils, Reduktion der Inflammation, die Verbesserung der Grundlagenausdauer und der Muskelkraft [20].

Training ganzer Bewegungsketten

Ein aktiv entzündetes Gelenk und chronisch destruierende Gelenkveränderungen als Folge von Entzündung haben Auswirkungen auf die Statik des Körpers. Das gilt insbesondere für Gelenke der gewichtstragenden unteren Extremitäten. Gelenkveränderungen an Füßen oder Knien können erhebliche Auswirkungen auf weiter kranial gelegene Bereiche des Skelettsystems haben. Daher liegt ein besonderer Schwerpunkt auf dem Zusammenspiel der gesamten Bewegungskette [20].

Grundlagenausdauertraining

Ein Aerobes Training hat positive Auswirkungen auf Lebensqualität und Schmerz. Die Effekte werden in einer Metaanalyse aus 14 randomisiert kontrollierten Studien als klein, aber signifikant beschrieben [2]. Es ist immer evidenter, dass aerobes Training einen positiven Effekt auf die immunologisch vermittelte Entzündung hat. Dieser konnte unter anderem durch eine Reduktion des C-reaktiven Proteins (CRP) belegt werden und wird als eine der Ursachen für die Wirkungen bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) diskutiert [5]. Auch wenn dieser Effekt nicht ausreichend zu sein scheint, um sich in einer Veränderung des DAS-28 widerzuspiegeln [2], ist aerobes Training vor dem Hintergrund einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos in hohem Maße sinnvoll. Aerobes Training hat kleine, aber eindeutige Effekte auf das Symptom Fatigue [21].

Muskelkraft, Beruf

Beim MTT werden gezielt Muskelgruppen gekräftigt. Dieses hat zusätzlich Auswirkungen auf Funktionsstörungen und Lebensqualität [1]. Die Auswahl der durchzuführenden Übungen erfolgt einerseits aufgrund des klinischen Befundes (muskuläre Ungleichgewichte, Haltungsfehler), andererseits aufgrund des Berufes. Für verschiedene Berufsgruppen werden Übungen zusammengestellt, die typische Belastungen simulieren (berufliches Gerätetraining). Die Übungen dienen auch dazu, dass der Patient für sich herausfinden kann, ob er sich den Belastungen des Berufes gewachsen fühlt und sich eine Wiedereingliederung in den Beruf zutraut [11].

Ernährungstherapie

Das Ernährungsverhalten spielt in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis eine wichtige Rolle. Es geht um die Optimierung des Gewichtes, Reduktion von Entzündung und Beeinflussung von Co-Morbiditäten der RA, wie z.B. der KHK oder der Osteoporose. Das Ziel ist dabei nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch die Änderung von Verhaltensweisen. Besonders bewährt hat sich dafür die „Lehrküche“. Es ist allgemein bekannt, dass durch die Ernährung die KHK-Risikofaktoren Adipositas, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus und Arterieller Hypertonus positiv beeinflusst werden können [15, 18, 19, 23, 25].

Auch für die Entstehung einer Osteoporose ist die RA ein starker Risikofaktor. Auf eine ausreichende Calcium- und Vitamin-D-Aufnahme ist zu achten. Bei einer hohen Prävalenz von Laktoseintoleranz im Erwachsenenalter geht es insbesondere darum, Calciumquellen außerhalb von Milchprodukten zu nutzen. Hierfür können z.B. Brokkoli, Grünkohl, Fenchel, Champignons, Lauch, Nüsse, Kichererbsen, weiße Bohnen und calciumhaltiges Mineralwasser verwendet werden [7].

Begutachtungsmedizin

Alle Patienten, die eine Rehabilitation über die Deutsche Rentenversicherung durchführen, erhalten eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung mit Einschätzung des positiven und negativen Leistungsvermögens für die letzte berufliche Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dabei wird festgelegt, ob die aktuelle Tätigkeit weiterhin ausgeübt werden kann und ob leichte, mittelschwere oder schwere Arbeiten möglich sind. Durch die Einleitung von Leistungen zur Teilhabe können die Patienten Hilfen erhalten, um wieder in die Erwerbsfähigkeit zurückzukehren [12, 14].

Patientenschulungen

Ein entscheidender Faktor für einen Therapieerfolg ist die Mitwirkung des Patienten. Nur ein gut informierter Patient wird die nötige Compliance haben, eine langfristige medikamentöse Therapie durchzuhalten, und wird Alarmsignale richtig deuten. In der täglichen Praxis haben sich multimodale, interdisziplinäre Schulungen bewährt. Neben Wissensvermittlung sollen durch einen psychoedukativen Ansatz Verhaltensänderungen bewirkt und das Selbstmanagement gefördert sowie die Motivation zu einer gesunden Lebensweise gestärkt werden [16]. Multimodale Patientenschulungen sind integraler Bestandteil jeder rheumatologischen Rehabilitation und gut evaluiert [22].

Psychologie und Psychologische Schmerztherapie

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