Übersichtsarbeiten - OUP 11/2018

Nahrungsergänzungsmittel im Sport*

Jan C. Wüstenfeld1, Bernd Wolfarth1,2

Zusammenfassung: Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln im Sport zieht sich wie ein roter Faden durch alle Alters- und Leistungsklassen. Neben Hochleistungssportlern stellt insbesondere die ungleich größere Gruppe der Freizeit- und Hobbysportler den vermutlich größten Konsumentenanteil von Nahrungsergänzungsmitteln aller Art dar. Die zur Einnahme führende gesundheitsfördernde oder leistungssteigernde Wirkung dieser Mittel ist jedoch in den meisten Fällen nicht erwiesen. Vielmehr besteht sogar durch Verunreinigungen der Mittel ein nicht unerhebliches Kontaminationsrisiko mit dopingrelevanten Substanzen. Zum Erhalt der Belastbarkeit und Gesundheit ist eine ausgewogene Ernährung unter Zufuhr der elementaren Makronährstoffe (Proteine und Kohlenhydrate) wichtiger als die Fokussierung auf Mikronährstoffe.

Schlüsselwörter: Nahrungsergänzungsmittel, Sport, Leistungssteigerung, Doping, Gesundheit

Zitierweise
Wuestenfeld JC, Wolfarth B: Nahrungsergängzungsmittel im Sport. OUP 2018; 7: 546–549 DOI 10.3238/oup.2018.0546–0549

Summary: The intake of dietary supplements in sport is an issue in all age and performance classes. In addition to high-performance athletes, in particular the much larger group of leisure and amateur athletes are probably the largest group of consumers of dietary supplements. The health-promoting or performance-enhancing effect of these substances, however, has not been proven in most cases. Rather, there is even a contamination risk with doping relevant substances. In order to maintain resilience and health, a balanced diet with sufficient elemental macronutrients (proteins and carbohydrates) is more important than focussing on micronutrients.

Keywords: dietary supplements, sports, performance enhancement, doping, health

Citation
Wuestenfeld JC, Wolfarth B: Dietary supplements in sports.
OUP 2018; 7: 546–549 DOI 10.3238/oup.2018.0546–0549

* Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form bereits am 11.07.2017 im Online-Pressenewsletter der Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (GOTS) veröffentlicht.

1 Institut für Angewandte Trainingswissenschaft, Leipzig

2 Abteilung für Sportmedizin, Humboldt Universität/Charité Universitätsmedizin, Berlin

Spätestens seit der Untersuchung von Braun und Kollegen aus dem Jahre 2009, die in einer Befragung von 164 A- bis D-Kader-Athleten zeigen konnten, dass 80 % der befragten Sportler mindestens ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM) einnehmen, sollte allen im Sport betreuenden Sportmedizinern klar sein, dass die Einnahme von NEM durch Sportler eher den Regelfall als eine Ausnahme darstellt [3]. Diese Tatsache wurde zuvor als auch später durch verschiedene Studien mit Leistungssportlern mit unterschiedlichem Leistungsvermögen (bis zu Untersuchungen an Olympiateilnehmern) durch Analyse der Angaben auf Dopingkontrollformularen bestätigt. Die Angabe des prozentualen Anteils der Sportler, die NEM einnehmen, schwankt dabei zwar zwischen 34 % [4] bis 91 % [26], ist unabhängig vom relativen Anteil jedoch als insgesamt sehr hoch einzuschätzen. In den meisten Fällen gaben die Sportler außerdem an, mehr als ein NEM einzunehmen, was in extremen Fällen sogar bis hin zur Einnahme von 26 unterschiedlichen Präparaten bei einem Olympiateilnehmer [7] reichte.

Wie hoch der Anteil an Hobbysportlern ist, die regelmäßig NEM zu sich nehmen, lässt sich zwar nicht valide bestimmen, dürfte jedoch gemäß vorliegenden Studien und Erhebungen ebenfalls im Bereich zwischen 30 und 50 % liegen [18, 22]. Experten schätzen, dass bundesweit etwa 20 % der über 7 Millionen Besucher von Fitnessstudios nicht nur NEM, sondern auch (verschreibungspflichtige) Anabolika, Wachstumshormone und andere Dopingmittel konsumieren [16].

Als Beweggründe zur Einnahme von NEM werden bei Sportlern nach Maughan eine vermutete oder erhoffte Regenerationsverbesserung (71 %), Gesunderhaltung (52 %), Leistungssteigerung (46 %) und vermutete Notwendigkeit zum Ausgleich von Mangel- und Unterversorgungszuständen 29 % [19] angegeben. Insgesamt muss jedoch auch die Auswirkung der allgegenwärtigen Werbung für NEM im Sport vor dem Hintergrund eines weltweit riesigen Markts mit entsprechenden wirtschaftlichen Umsätzen, das Konsumverhalten anderer Sportler und hoher Erfolgsdruck als Ursache für die Einnahme von NEM in Betracht gezogen werden.

Tatsächlich lässt sich ein supplementationswürdiger Nährstoffmangel (insbesondere hinsichtlich Mikronährstoffen), der durch die Ausübung von Leistungssport per se bedingt ist, wissenschaftlich nicht belegen [5].

Hiervon ggf. auszunehmen sind Sportler, die

aufgrund von Reisetätigkeit, Umfeld oder hohen Trainingsumfängen eine nicht ausreichende Energieaufnahme über die normale Nahrungsaufnahme gewährleisten können,

sich bewusst unterkalorisch ernähren, um beispielsweise „Gewicht zu machen“,

sich vegetarisch, vegan oder anderweitig diätetisch ernähren,

und solche, die an Lebensmittelunverträglichkeiten leiden [23].

Die in der Studie von Faude et al. an 23 deutschen Kadersportlern gefundene Unterversorgung von Vitamin D, Folsäure und Jod scheint nach Aussage der Autoren eher ein allgemeines als ein sportbedingtes Problem zu sein. Inwiefern eine Unterversorgung bei Sportlern mit antioxidativen Vitaminen, Zink, Kalium, Calcium und Vitamin B6 bestehen kann, sollte im Einzelfall geklärt werden und kann aktuell nicht generell als sportbedingte Mangelversorgung angenommen werden [11].

Besonderheiten hinsichtlich der Ernährung bei Sportlern im Vergleich zu nicht sporttreibenden Normalpersonen ergeben sich vielmehr durch den im Allgemeinen höheren Energie- und Flüssigkeitsbedarf des Sportlers, der durch eine erhöhte Aufnahme von Kohlenhydraten und Proteinen und höhere Trinkmenge ausgeglichen werden muss. Dabei muss jedoch der sportartspezifische und individuelle Mehrbedarf kritisch betrachtet werden, da eine Kompensation des Mehrbedarfs zum einen häufig überschätzt wird und zum anderen in der Regel problemlos über eine geeignete Lebensmittelauswahl gewährleistet werden kann, ohne dass dazu spezielle Nahrungsergänzungsmittel in Form von Energiedrinks, Pulvern oder Ähnlichem konsumiert werden müssen.

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