Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Neue dynamische Orthese zur Behandlung des postoperativ instabilen Hüftgelenks (Typ Dynacox evolution)

J. Heisel1, C. Thiel2

Zusammenfassung: Vorstellung der Weiterentwicklung der dynamischen Hüftorthese Dynacox mit verbessertem Tragekomfort und vereinfachter Handhabung; spezielle Indikation in der Behandlung postoperativ instabiler Hüften nach TEP.

Schlüsselwörter: Dynamische Hüftorthese, postoperativ
instabiles Hüftgelenk nach TEP

Zitierweise
Heisel J, Thiel C. Neue dynamische Orthese zur Behandlung des postoperativ instabilen Hüftgelenks (Typ Dynacox evolution)
OUP 2015; 02: 102–104 DOI 10.3238/oup.2015.0102–0104

Summary: Representation of the further development of the dynamic hip-brace Dynacox with improved wearing comfort and simplified handling; special indication of treatment of postoperative instable THR

Keywords: Dynamic hip brace, postoperative instable hip after THR

Citation
Heisel J. Thiel C. New dynamic hip-brace for the treatment of
postoperative instable THR (type Dynacox evolution)
OUP 2015; 02: 102–104 DOI 10.3238/oup.2015.0102–0104

Einleitende Vorbemerkungen

Das Auftreten einer Hüftendoprothesen-Luxation in den ersten postoperativen Wochen stellt eine typische Komplikation in der frühen Rehabilitationsphase dar; bei Primäreingriffen beläuft sich die Ausrenkungsrate auf etwa 1–2 %, im Falle von Austauschoperationen mit deutlich schlechterer muskulärer Ausgangssituation auf über 5 %. Primäre Risikofaktoren sind weniger operationstechnische Störungen (z.B. fehlende Anteversion bzw. zu steile Hüftpfanne u.a.) als vielmehr ein patientenimmanentes Bewegungsfehlverhalten oder eine deutliche muskuläre Schwäche im Falle eines betagten Menschen [1]. Die vor Jahrzehnten anschließend zumeist praktizierte Hüftstabilisierung durch einen Beckengips, später dann durch rigide Orthesen, beinhaltete zwar einen durchaus sicheren Schutz vor Reluxationen, dies aber zum Preis einer Immobilisierung und damit der Begünstigung einer Atrophie der hüftumspannenden Muskulatur. Weiterhin berücksichtigt werden muss, dass bei Patienten nach TEP-Implantation primär eine Tendenz zur muskulären Hüftimbalance besteht, die im Falle einer Immobilisierung über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen grundsätzlich negativ unterstützt wird [2].

Dynacox-Hüftorthese

Eine wesentliche Innovation stellte die im Jahre 2004 in den klinischen Alltag eingeführte teilimmobilisierende Dynacox-Hüftorthese (Firma Teufel, Wangen) dar, deren dynamischer Ansatz eine sichere Hüftstabilisierung ermöglicht und gleichzeitig die hüftumspannende Muskulatur nicht immobilisiert, sondern aktiv in den Bewegungsablauf einbindet. Unsere eigenen klinischen Erfahrungen mit dieser Orthese im Rahmen einer prospektiv angelegten 2-jährigen Studie waren hervorragend. Die durchschnittliche Tragedauer betrug damals 11,2 Wochen, die Orthese war rund um die Uhr angelegt und wurde lediglich zur Körperhygiene abgenommen. 28 von 30 Patienten konnten, auch bei schwieriger klinischer Ausgangssituation, erfolgreich damit behandelt werden [3]. Seit dieser Zeit stellt diese Orthese die Standardversorgung unserer Patienten mit Hüftluxation in der frühen postoperativen Rehabilitationsphase dar. Zusätzlich wurde in Zusammenarbeit mit der sportmedizinischen Abteilung der Universitätskliniken in Tübingen der Nachweis erbracht, dass die dynamische Abduktionsführung dieser Orthese das Gangbild des Patienten nicht negativ beeinflusst mit dem zusätzlichen positiven Effekt einer funktionellen Beanspruchung der hüftumspannenden Muskulatur [2].

Weiterentwicklung zur
Hüftorthese Typ
Dynacox evolution

Zur Verbesserung der Handhabung der Orthese einerseits und damit Optimierung der Patienten-Compliance andererseits wurde diese Orthese im Jahre 2013 weiterentwickelt, auch hier mit dem Ziel einer maximalen Luxationsprophylaxe bei nur minimaler Beeinflussung des Gangbilds zum optimalen Erhalt und Aufbau des muskulären Status:

Die zirkuläre Umfassung des Bauchraums wurde minimiert, um hier einer Einschnürung vorzubeugen. Beibehalten wurde die Abduktionsstellung nach dem sogenannten Drei-Punkte-Prinzip (Abb. 1, 2).

Die Hüftspange ist jetzt einstellbar durch ein Klick-System (Abb. 3); dies kann optimal am liegenden Patient angepasst werden, da sie flach ausgebreitet werden kann. Die subtrochantäre Pelotte ist ohne Werkzeug individuell einstellbar (Abb. 4), die Druckpolsterung wurde optimiert. Die Kniespange verfügt über eine einstellbare Kondylenanlage mit Zweikammer-Luftpolsterung (Abb. 5).

Angeboten werden 2 Gelenksysteme (TRI-Flex-Gelenk und ROM-Flex-Gelenk; Abb. 6). Die Zweikammer-Luftpolsterung berücksichtigt hier die Umfang-Veränderung des Oberschenkels im Schrittrhythmus.

Wie bei der früheren Orthese stehen modulare Bauteile zur individuellen Größenanpassung zur Verfügung; gleichzeitig konnte die Anzahl der benötigten Größen deutlich reduziert werden .

Das TRI-Flex-Gelenk begrenzt die Beugung bei 70°; 3 gekoppelte Achsen sorgen selbsttätig für eine Kongruenz zum anatomischen Drehpunkt. Das ROM-Flex-Gelenk erlaubt ein Einstellen der Beuge- und Streckenbegrenzung in Schritten von 15°.

Unsere bisherigen Erfahrungen mit dieser weiterentwickelten dynamischen Hüftorthese sind weiterhin hervorragend. Bis auf desolate Fälle von Patienten mit instabilen Hüften, vor allem auf Grund einer erheblichen muskulären Insuffizienz im Zuge von Wechseloperationen und dann der Notwendigkeit einer erneuten operativen Revision zur Stabilisierung der Hüfte, wurden keine Versager verzeichnet.

Schlussfolgerungen für den klinischen Alltag

Letztendlich greifen wir im Falle einer frühen postoperativen Hüft-TEP-Luxation auf folgendes Behandlungsschema zurück:

Im Falle einer erstmaligen Luxation der Endoprothese und Repositionsmöglichkeit nur unter den Bedingungen einer Kurzzeitnarkose (d.h. bei durchaus ausreichender muskulärer Spannung) erfolgt eine konsequente Lagerung in Abduktionsstellung des Beins in der weiteren Phase der Rehabilitation mit strengem Ausschluss luxationsfördernder Bewegungsmuster.

Kommt es dennoch zu einer erneuten Luxation, so wird nach der Reposition grundsätzlich auf die teilimmobilisierende Hüftorthese zurückgegriffen.

Gelingt nach der Erstluxation die unblutige Reposition ohne größeren Aufwand, auch in Fällen einer Ausrenkung nach einem Wechseleingriff, so ist von einer doch deutlichen muskulären Instabilität auszugehen, sodass in diesen Fällen grundsätzlich die Verordnung einer Hüftorthese für einen Zeitraum von 12 Wochen erfolgt.

Bei einer in sehr seltenen Fällen gegebenen Luxation der Endoprothese in der Orthese (z.B. bei erheblicher Muskelschwäche und zusätzliche Ausnahmefälle in aller Regel bei grundsätzlich neben der Muskelschwäche, zusätzlich bestehender Implantatfehlposition) wird die unverzügliche Rücküberweisung des Patienten an den Operateur zur operativen Revision veranlasst.

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